Kapitel 53

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Olivia

Anscheinend war Jacob der einzige, der sich regelmäßig daran erinnerte, dass ich verletzt war, denn wie sich herausstellte, hatte Maja - genauso wie ich - bei ihrem gestrigen Vorschlag nicht daran gedacht, dass ich nur eine Hand benutzen konnte. Auch wenn ich dementsprechend nicht viel machen konnte, war es durchaus interessant ihr und ihrem Vater dabei zuzusehen, wie sie sich um die Kühe kümmerten. Zu meiner Überraschung winkte Majas und Jacobs Vater mich irgendwann zu sich und reichte mit die Flasche, die er schon gestern immer bei sich getragen hatte. Er zeigte mir kurz, wie ich sie am besten positionierte und schon saß ich neben dem kleinen Kälbchen Lottie im Stroh, um es zu füttern.

„Was ist mit ihrer Mutter?", fragte ich Maja, die sich irgendwann zu mir setzte.

„Die lässt sie nicht trinken", erwiderte Maja mit einem traurigen Seufzen. „Manchmal passiert das leider. Wir haben versucht, sie von anderen Kühen trinken zu lassen, aber das wollte die Kleine nicht. Zum Glück nimmt sie die Flasche... aber sie ist trotzdem sehr klein und zierlich für ihr Alter."

„Habt ihr sie mal untersuchen lassen?"

„Klar, aber der Tierarzt meinte, sie sei nicht krank. Entweder schafft sie es, oder halt nicht."

Bestürzt schaute ich zu dem kleinen Kälbchen herunter, das inzwischen die Augen geschlossen hatte und friedlich neben mir schlief. „Sie muss es schaffen", murmelte ich. „Alles andere wäre..." Ich schüttelte nur den Kopf, weil es kein angemessenes Wort gab.

Etwa eine halbe Stunde später schickte Maja mich zurück ins Wohnhaus. Trotz Jacobs dicker Jacke hatte ich irgendwann angefangen, immer mehr zu zittern. Die Sonne ging nun langsam auf, weshalb ich den Weg zurück zu Jacobs Zimmer fand, ohne Licht im Haus machen zu müssen. Ich musste das Licht auch nicht anschalten um zu sehen, dass Jacob in der Mitte des Bettes auf dem Bauch lag, Beine und Arme weit von sich gestreckt. Meine Schuhe hatte ich schon unten an der Haustür ausgezogen, jetzt legte ich auch die Jacke über einen Stuhl, bevor ich neben Jacob ins Bett kletterte. Als ich seinen Arm anhob, zuckte er im Schlaf zusammen.

„Sorry", flüsterte ich, während ich an ihn heran rutschte.

„Du bist eiskalt", murmelte Jacob ohne die Augen zu öffnen. Er tastete nach der Decke und breitete sie über mir aus. Ich drehte mich um und robbte wieder ein Stück von ihm weg. „Wo willst du hin, Watson?"

„Du sollst nicht meinetwegen frieren", erklärte ich, worauf Jacob mit einem Schnauben reagierte und mich von hinten umarmte. „Wie war es bei den Kühen?", fragte er.

„Du hattest Recht", gab ich zu. „Mit einer Hand ist es schwierig, Kühe zu melken. Aber ich habe Lottie gefüttert."

„Das kranke Kälbchen?"

„Ja..." Ich seufzte. „Ich glaube es würde deinen Vater echt hart treffen, wenn sie es nicht schafft."

Ich spürte, wie Jacob sich hinter mir anspannte. War er wirklich überzeugt davon, dass von seinem Vater nur noch eine gefühlskalte Hülle existierte? „Mag sein", murmelte er nur und ich hatte das Gefühl, dass es besser war, wenn ich nicht weiter darauf einging. „Möchtest du noch weiterschlafen?", wechselte er nun selbst das Thema.

„Ich glaube nicht, dass ich jetzt noch einmal einschlafen könnte", erwiderte ich. „Aber was ist mit dir? Dich habe ich schließlich gerade aufgeweckt."

„Ich hab lange genug geschlafen. Ich würde dann schon runter gehen und Frühstück vorbereiten. Maja soll unseretwegen nicht noch mehr Arbeit haben. Schlimm genug, dass sie meinem Vater hier auf dem Hof hilft."

„Ich komme mit", sagte ich. Als ich mich aufgerichtet hatte, fragte ich: „Warum ist es schlimm, dass sie deinem Vater hilft?" Es dauerte eine Weile, bis Jacob antwortete. „Sie macht es nur, weil sie ihn nicht alleine lassen möchte. Aus finanzieller Sicht wäre es kein Problem, sich Hilfe zu holen, Leute anzustellen."

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