Kapitel 27

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Jacob

Ich legte all meine Frustration in den nächsten Schlag und feuerte den Ball mit voller Wucht über das Netz. Er kam direkt an der Grundlinie auf, unmöglich für Noah zu erreichen. Ich sollte mich freuen, doch stattdessen hätte ich am liebsten meinen Schläger direkt hinterher geworfen. Noah warf mir einen kritischen Blick zu, den ich geflissentlich ignorierte. Ich positionierte mich in meinem Feld, um seinen nächsten Aufschlag entgegen zu nehmen. Wieder schlug ich den Ball lang, aber dieses Mal erwischte Noah ihn und lief nach seinem Schlag nach vorne. Ich holte aus, traf den Ball zum perfekten Zeitpunkt und er sauste in hohem Tempo direkt auf Noah zu. Er konnte gerade noch im letzten Moment ausweichen, um nicht direkt im Gesicht getroffen zu werden. Shit.

„Sorry, war keine Absicht", rief ich über das Netz, aber ich erkannte auch über die Entfernung, dass Noah richtig angepisst war. Anstatt zur Grundlinie zurückzugehen und erneut aufzuschlagen, trat er näher ans Netz wartete mit hochgezogenen Augenbrauen, bis ich zu ihm kam. Nicht ohne demonstrativ die Augen zu verdrehen, ging ich nach vorne.

„Es. War. Keine. Absicht.", wiederholte ich abgehackt.

„Beruhigend, dass du mir keinen Tennisball ins Gesicht schlagen möchtest", bemerkte Noah mit vor Sarkasmus triefender Stimme. „Kannst du mir trotzdem verraten, was zum Teufel los mit dir ist?" Ich versuchte so zu tun, als wüsste ich nicht, wovon er sprach. Als er meinen fragenden Blick sah, schnaubte Noah. „Komm schon, Jacob. Du bist schon die ganze Woche komisch drauf."

Seit Samstagabend, um genau zu sein. Seit Majas Anruf und seit ich mich gegenüber Olivia völlig grundlos wie ein riesiges Arschloch verhalten hatte.

Ich könnte weiter abstreiten, dass etwas nicht stimmte und Noah sagen, dass er sich um seinen eigenen Kram kümmern sollte. Aber es war Noah. Noah, der genauso wenig locker lassen würde, wie Olivia. Kein Wunder, dass die beiden sich gut verstanden, sie waren sich in manchen Dingen erstaunlich ähnlich.

„Maja meint, es sei wieder schlimmer geworden", murmelte ich, woraufhin der Vorwurf augenblicklich aus Noahs Gesichtsausdruck verschwand. Noah und Phil wussten Bescheid. Als wir vor etwa zwei Jahren alle drei keinen Besuch am ersten offiziellen Eltern-Wochenende der Universität bekommen hatten, besiegelte das in gewisser Weise unsere Freundschaft. Anstatt das Wochenende wie die meisten unserer Kommilitonen mit unseren Eltern zu verbringen, waren wir spontan zum ersten Mal zum Strandhaus von Noahs Familie gefahren und hatten uns über unsere problembehafteten Familiensituationen ausgetauscht. Phil hatte eher den passiven Part übernommen und behauptet, für seine Eltern sei der Weg aus Boston zu weit gewesen. Erst letztes Jahr hatten wir die Wahrheit über seine tragische Vergangenheit erfahren.

„Sag Bescheid, wenn ich irgendwie helfen kann", sagte Noah nun mit besorgter Miene. „Oder wenn du das Auto brauchst." Ein Angebot, das er mir immer wieder machte und das ich nur sehr selten annahm. Aber er würde niemals aufhören, es anzubieten, das wusste ich und dafür war ich dankbar.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ist wahrscheinlich nicht so wild. Die Situation hat sich jetzt schon seit Monaten nicht verbessert oder verschlechtert. Maja war ein paar Wochen nicht da, deshalb wirkte es auf sie jetzt vielleicht schlimmer."

„Du machst dir trotzdem Sorgen", stelle Noah mit gerunzelter Stirn fest. „Sonst wärst du nicht so komisch drauf." Es wäre einfach, ihm Recht zu geben und die Sache dabei zu belassen. Aber er sollte nicht denken, dass es schlimmer um meinen Vater stand, als es tatsächlich der Fall war. Also schüttelte ich den Kopf. „Ich mach mir keinen Sorgen, zumindest nicht mehr, als sonst auch. Ich bin einfach nur genervt von mir selbst", gab ich zu.

„Wäre ich an deiner Stelle auch regelmäßig", versuchte Noah grinsend die Stimmung zu heben, bevor seine Miene wieder ernst wurde. „Ist irgendetwas passiert?"

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