Kapitel 26

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Jacob

Was zur Hölle machte Finn hier? Ziel der gestrigen Aktion mit Olivia war gewesen, dass wir zwei ein Team bildeten, um uns im Beisein unserer sich anschmachtenden Freunde nicht zu alleine oder fehl am Platz zu fühlen. Wenn sie jetzt regelmäßig Finn anschleppte, war ich erst Recht das fünfte Rad am Wagen.

Die beiden kannten sich gerade mal eine Woche. Das musste eine verdammt gute Aussprache nach dem morgendlichen Streit gewesen sein, wenn er sie jetzt schon zu einem Abend mit uns begleitete. Ich bezweifelte allerdings, dass Finn Olivia wirklich vertraute, was mir betraf, denn mir entgingen die Blicke nicht, mit denen er mich ständig musterte. Dabei konnte ich nicht einmal etwas dafür, dass der letzte freie Platz auf dem Sofa neben Olivia gewesen war. Hätte ich mich auf den Fußboden setzen sollen? Oder besser noch: direkt in meinem Zimmer verschwinden? Sein Verhalten zeigte, dass er Olivia noch überhaupt nicht kannte. Sonst wäre ihm bewusst, dass sie die allerletzte Person war, die jemals zweigleisig fahren würde. Obwohl Finn mir zum aktuellen Zeitpunkt nicht sympathisch war, hoffte ich doch irgendwie, dass er Olivia glücklich machte - denn wenn das Gegenteil eintreten sollte, trug ich einen Teil der Schuld. Ohne mich wäre Finn jetzt nicht hier, das durfte ich nicht vergessen.

Olivia

Ich konnte mich nicht entspannen. Vom Film bekam ich kaum etwas mit, weil meine Gedanken viel zu laut in meinem Kopf herum rasten. Als endlich der Abspann über den Fernseher flimmerte, atmete ich erleichtert aus. Finn konnte nicht länger bleiben, weil er am nächsten Morgen wieder Training hatte. Bevor er sich verabschiedete, brachte er noch gemeinsam mit Noah das übrig gebliebene Essen und die leeren Teller in die Küche. Ich wollte ihn nach unten begleiten, weshalb ich ebenfalls aufstand und meine vom langen Sitzen steif gewordenen Arme und Beine streckte. Jacob positionierte sich neben mir, hob seine zu Fäusten geballten Hände und begann, sachte gegen meinen Arm zu boxen. „Was machst du da?", fragte ich, teils genervt teils amüsiert.

„Dich auflockern. Du wirkst schon den ganzen Abend so angespannt."

Ertappt sah ich zu Boden. Ich hoffte, dass meine Anspannung nur Jacob und nicht auch allen anderen aufgefallen war. Schon gar nicht Finn. Dieser Abend sollte dazu dienen, ihm seine Sorgen zu nehmen. Finn sollte sehen, wie platonisch und locker die Beziehung zwischen Jacob und mir war, aber stattdessen war ich mit jeder zufälligen Berührung von Jacob ein Stück mehr versteinert.

Als ich ein paar Minuten später mit Finn durch das Treppenhaus nach unten ging, war ich mir nicht sicher, ob ich diesen Abend als Erfolg verbuchen konnte, oder nicht. Vielleicht war es doch noch zu früh für dieses Treffen gewesen. Draußen angekommen blieb Finn stehen und drehte sich zu mir um. Mit einem Lächeln auf den Lippen breitete er seine Arme aus. Erleichtert darüber, dass er mich anscheinend noch nicht komplett abgeschrieben hatte, trat ich auf ihn zu und ließ mich von ihm in den Arm nehmen.

„Danke, dass du mich mitgenommen hast", murmelte er in meine Haare, woraufhin ich den Kopf in den Nacken legte, um ihn zweifelnd anzusehen. „Wirklich?", fragte ich. „Hattest du einen schönen Abend?"

Finn nickte. „Hatte ich. Ich habe zwar nicht wirklich viel mit jemandem geredet, aber deine Freunde wirken nett. Davon unabhängig bedeutet es mir einfach viel, dass du mich mitgenommen hast."

„Wenn du magst, können wir uns ja demnächst nochmal in der Konstellation treffen und irgendetwas machen, wo wir nicht nur alle auf den Fernseher starren", schlug ich vor. Entweder war ihm meine angespannte Stimmung nicht aufgefallen, oder er sprach mich bewusst nicht darauf an. „Sehr gerne", entgegnete Finn und brachte meine Herz ins Stocken, indem er seine Lippen sanft auf meine legte. Dieser Kuss war weniger leidenschaftlich als heute Morgen, aber nicht weniger schön. Lediglich viel zu schnell wieder vorbei.

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