Sie

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Sie sitzt emotionslos da.
Schaut aus dem Fenster und sagt seit Tagen kein Wort.
Sie lässt keine an sich ran.
Doch wie gerne würde ich mit ihr sprechen, ihrer Stimme lauschen.
Doch sie will mich nicht einmal sehen.
Denkt euch jetzt nicht ich bin ein einsamer, verliebter Junge der sich nicht traut seine Geliebte anzusprechen und sie daher von der Ferne anhimmelt.
Sie ist die Tochter des Königs. Des Königs der vor weniger als einer Woche gestürzt und öffentlich hingerichtet wurde.
Er wurde nicht nur seiner Krone geraubt sondern auch seiner Würde und seiner Familie.
Er war ein guter König.
Klingt komisch wenn es der Sohn seines Mörders sagt.
Und hier beginnt das Problem.
Ich bin der Sohn des Mannes der ihren Vater tötete, ihre Mutter vergewaltigte und sie nun zwingt sein Kind auszutragen, der Mann der jetzt die Kontrolle über das Königreich der Engel hat.
Und sie hasst mich. Sie hasst uns alle.
Kein Wunder.
Doch wenn sie wüsste, oh wenn sie wüsste das ich gegen ihn bin.
Doch ich kann es ihr nicht sagen denn sobald ich es anspreche weiß auch er davon Bescheid.
Also muss es zwischen mir bleiben obwohl ich sowieso anzweifle das meine Gedanken nur mir gehören.
Jetzt bin ich hier und beobachte sie, wie sie Tag ein Tag aus ,lediglich auf den mit schmutzigen Lacken belegten Brett sitzt und emotionslos aus dem Fenster schaut. Manchmal seufzt sie sodass ich leicht aufschrecke. Sie isst nichts und lässt das Essen unberührt liegen.

Das erste mal als ich sie sah waren wir 7 Jahre alt. Mein Vater war ein angesehener Mann, naja bevor er den König gestürzt hat und jetzt mit eiserner Faust regiert.
Wie auch immer.
Wir sind in die selbe Klasse gegangen und als Kind war ich ziemlich...schmächtig.
Dickes ,glattes, schwarzes Haar und rote Augen sind eine ungewöhnliche Kombination. Sagen wir es so ich war zudem noch kleiner als alle anderen Mädchen und hatte ein unterentwickeltes Selbstbewusstsein sodass ich ein perfektes Opfer zum ärgern war.
Engel hin oder her. Kinder sind Kinder.
Auch sie war nicht die beliebteste aufgrund ihrer groben Art.
Jedes mal wenn ich mich daran erinnere wie sie mir mit ihren weißen Schuhen eins übergezogen hat muss ich schmunzeln. "Jungs weinen nicht! Schlag zurück und wehr dich. So wirst du nie die Prinzessin aus dem Turm retten!", rief sie mir entgegen.
Nun ich begann noch mehr zu weinen da hat sie sich zu mich hingekniet und streichelte grinsend meine Haare.
"Waaah so weiiich.", sagte sie verträumt.
In diesem Moment habe ich mich in ihr Lächeln verliebt.
Ich würde alles tun um dieses Lächeln wieder zu sehen.
Unglücklicherweise hat uns der Rang ihres Vaters immer getrennt bis mein Vater die Hierarchie zerstört hat.

Ihr damals kurzes Haar ist jetzt lang und ihre leuchtend violetten Augen haben ihren Glanz verloren.
Auch ich habe mich verändert. 1,80 groß, kräftig gebaut doch eines ist gleich geblieben. Meine Liebe zu ihr.
Ein letztes Mal für den heutigen Tag möchte ich sie sehen und drehe meinen Kopf sodass ich um die Ecke blinzeln kann.
Sofort schrecke ich zurück. Sie hat mir direkt in die Augen geblickt. Mein Herz schlägt schneller.
War das ein Zufall?
Langsam drehe ich mich nach hinten und suche ihre Augen.
Tatsächlich! Sie schaut her.
Wortlos starren wir uns geschlagene zwei Minuten in die Augen bevor ich es nicht mehr aushalten kann.
"Erm...", ist alles was ich von mir geben kann.
Bin ich blöd! Sie dreht sich weg.
Enttäuscht drehe ich mich um und schnappe meine Tasche.
"Ich hasse dich.", wispert sie.
Kurz bleibe ich stehen, doch ich entschließen mich weiter zu gehen.
Verletzt balle ich die Fäuste.
Ich weiß. Ich weiß das außer Hass nichts in deinem Herzen Platz für mich hat.

RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt