Die Entführung

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- Emma -

Es ist unfassbar kalt. Der Wind peitscht mir feucht um das Gesicht. Ich ziehe meinen Schal enger an mich heran, um mich vor der klirrenden Kälte zu schützen. Wäre ich doch nur Zuhause geblieben. Dort hätte ich mich mit meiner warmen Wolldecke auf meinen Stuhl am Fenster gesetzt, mir einen neuen, viel zu durchschaubaren Roman über ein Liebespaar, dass am Ende doch wieder zusammenkommt, genommen und in Ruhe gelesen. Egal, ich wollte das hier, also hilft es auch nicht sich darüber aufzuregen.

Also gehe ich weiter den eisigen und dunklen Weg entlang hin zu dem netten kleinen Café, dass neu eröffnet hat und in dem ich mich mit meiner besten Freundin Tiffany treffen wollte. Ich muss ihr unbedingt von meinen neuen Arbeitskollegen erzählen, meiner neuesten Gesichtscreme, die sie sich unbedingt auch kaufen muss und ihr die Kerze schenken, die ich letzte Woche in einer Auslage gesehen habe und dabei direkt an sie denken musste. Das lässt meine Stimmung noch ein wenig besser werden, denn danach kann ich immer noch vor meinem Fenster entspannen.

Es ist ungewöhnlich leer auf der Straße. Normalerweise laufen sonst immer viel mehr Passanten vorbei. Aber so kann ich wenigstens die Stille genießen und dem Rauschen der etwas zu nassen Blätter, wenn sie durch einen erneuten Windstoß an mir vorbei getragen werden.

Dachte ich zumindest. Plötzlich ertönt ein ohrenbetäubendes Geräusch, fast wie an Silvester. Doch das kann nicht sein. Raketen werden noch nicht mal verkauft. Also gibt es auch keine Jugendliche, die schon vor Silvester ihre Böller testen wollen.

Doch das waren keine Raketen. Das waren Schüsse. Schüsse von einer Pistole. Einer echten Pistole, die jetzt direkt vor meinem Gesicht erscheint. Dahinter erkenne ich in meiner Panik einen großen, dunkelhaarigen Mann im schwarzen Anzug.

Mehr kann ich jedoch nicht erkennen, denn auf einmal werde ich von hinten gepackt und in die nächste Seitenstraße gezogen. Vor lauter Angst bleibe ich mucksmäuschenstill wehre mich aber mit allem, was ich habe. Wäre die Person hinter mir nur nicht so stark.

Ich habe letzten Sommer einen Selbstverteidigungskurs belegt, wo ich genau für solche Situationen trainiert worden war. Oder eben auch nicht. Denn egal welchen Trick ich auch versuche, an meiner Situation ändert das wenig.

Ich werde unsanft nach hinten gegen eine harte Wand gestoßen. Diesen Aufprall habe ich wohl gebraucht, denn augenblicklich kommt mein Gedächtnis wieder in Fahrt und somit auch meine Stimme zurück. „Was soll das?" frage ich entsetzt.

Keine Reaktion. „Greifen Sie immer einfach so Frauen auf der Straße an? Ist das Ihr Fetisch?" Keine Reaktion. Auf einmal höre ich den Mann, der mich weggeschleift hat, dem anderen Mann im Anzug etwas zuflüstern. Was er sagt, kann ich nicht verstehen. Aber es führt dazu, dass dieser einen Schritt näher auf mich zukommt.

Sofort versuche ich mich zu wehren, doch meine Bemühungen treffen ins Leere. Denn der Körper, der sich nun gegen mich drückt, ist steinhart. Mir weht ein herbes Parfum entgegen, das genau wie die Person mir gegenüber dominant, geheimnisvoll und verführerisch ist.

Verführerisch echt jetzt? Hat mein Kopf in dieser misslingen Lage keinen besseren Einfall als diesen Mann als verführerisch zu bezeichnen. Zu allem Überfluss lehnt er sich auch noch vor und flüstert mir ins Ohr.

„Hast du was dagegen einzuwenden, entführt zu werden? Ist das nicht der Traum einer jeden Frau?" fragte er provokativ. „Normalerweise ja. Allerdings bevorzuge ich meinen Entführer attraktiv." Diese Äußerung muss ich wohl zu laut ausgesprochen haben, denn der andere Mann prustet los.

Der Fremde löst sich von mir, wodurch ein Lichtstrahl auf sein Gesicht fällt. „Die Stimme hat sie wohl nicht verloren." Der Anzug Mann wechselt die Sprache und verliert ein paar Sätze, die sich sehr nach Befehlen anhörten.

In der Zwischenzeit sehe ich mir diesen etwas genauer an. Schließlich muss ich ja, sofern ich das hier überlebe, eine Täterbeschreibung bei der Polizei abgeben. Er hat tiefgrüne Augen, ein markantes Kinn, und volle Lippen. Tja, meine Aussage er sei nicht attraktiv muss ich hiermit wohl zurückziehen. Das ist der hübscheste Mann, den ich je gesehen habe. Wie er wohl im Bett ist?

Anscheinend sind meine Gedanken zu laut, denn in diesem Moment dreht er sich wieder zu mir um. „Wir haben eine Planänderung." „Was denn für eine Planänderung? Wenn ihr etwas ändern möchtet, würde ich zuerst gerne erfahren, was denn der Plan überhaupt ist."

Ich werde garantiert keinen Anweisungen von irgendwelchen wildfremden Männern befolgen, die mich erst zu Tode erschrecken und dann in eine verlassene Gasse schleifen. Doch ich bleibe stumm. Sollen sie doch denken ich kooperiere, dann werde ich sie schön vom Gegenteil überzeugen.

„Wir nehmen dich mit." „Bitte was? Wieso, was wollt ihr überhaupt von mir?" antworte ich nun doch leicht verängstigt. „Das werde ich dir auf dem Weg erzählen."

Mafia PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt