Kapitel 7
Als ich am nächsten Morgen wach wurde, hätte mein Kater nicht schlimmer sein können. Mein Schädel drückte und mir war speiübel. Die Erinnerungen an letzte Nacht waren der reinste Alptraum. Ich hatte mich völlig betrunken und dem halbnackten Fremden gesagt, dass ich ihn anhimmelte oder besser gesagt, dass ich ihn perfekt fand. Vor Scham schlug ich mir die Hände vors Gesicht. Ich wollte, dass die Erde sich auftat, mich verschluckte und nie wieder hergab. Als sich die Bilder meines Übergebens auf der Toilette einschlichen, indem er mir die Haare gehalten hatte, wusste ich, dass ich ihm die restliche Woche, die wir noch hier waren, besser nicht mehr begegnen sollte. Es wäre einfach zu peinlich.
Der schrille Ton meines Handys machte sich bemerkbar. Ich hätte es am liebsten gegen die Wand geworfen, denn das hatte zur Folge, dass mein Kopf noch mehr pochte. Ich atmete erleichtert auf als es aufhörte, doch kurze Zeit später, klingelte es erneut. Genervt schlug ich die Bettdecke weg und verfluchte denjenigen, der mich so früh anrief. Als ich auf das Display meines Handys den Namen meiner Mutter las, hätte ich es am liebsten aus dem Fenster geworfen. Für eine Sekunde dachte ich darüber nach, doch dann hob ich ab. »Ja Mom.«
»Janey«, sagte sie ganz aufgeregt. »Ist alles in Ordnung bei dir?«
Verständnislos blinzelte ich ein paarmal. »Äh ja warum?«
»Na, du hast dich nicht gemeldet, warst nicht beim Frühstück. Ich hab mir Sorgen gemacht.«
Mit einem leichten Schlenker blickte ich auf die Uhr. Es war bereits halb elf morgens. Tatsächlich, ich hatte das erste Mal in meinem Urlaub verschlafen. Genau genommen hatte ich meinen Rausch ausgeschlafen, aber das musste meine Mutter ja nicht wissen. »Ich hab geschlafen«, antwortete ich knapp.
»Du hättest dich ja mal melden können!«
Ich sparte mir unnötig weitere Worte, indem ich ihr sagte, dass ich geschlafen hatte, denn anscheinend verstand sie es nicht, demnach sagte ich: »Mir geht es gut Mom.«
»Okay, Liebling, da du ja jetzt endlich wach bist, zieh dich an und komm runter zum Pool. Dann können wir alles Genauere für heute Abend besprechen.« Ich legte den Kopf in den Nacken und stöhnte. »Dieses Auktionsding«, fluchte ich leise. »Was sagst du, Liebling?«
»Nichts Mom, ich ziehe mich eben an und dann bin ich gleich unten«, lenkte ich ab. »Schön und beeil dich ja.«
Nachdem wir aufgelegt hatten, schmiss ich mein Handy aufs Bett und sah an mir herunter. Ich trug immer noch das Kleid von gestern Abend. Ich lief ins Bad, wusch mich, putze mir die Zähne und als ich den Zahnbecher in die Hand nahm, kam die Scham zurück. Den Gedanken abschüttelnd, zog ich mich an und keine fünfzehn Minuten später stand ich im Bikini, mit Hut und einer großen Sonnenbrille vor dem Fahrstuhl. Der Fahrstuhl pingte, die Türen schwangen auf und wie sollte es auch anders sein, stand der halbnackte Fremde darin. Er hob den Kopf und lächelte. »Guten Morgen Prinzesschen.«
Wie erstarrt blieb ich vor dem Fahrstuhl stehen, ohne mich zu bewegen oder etwas zu sagen. Na klasse ich wollte diesen halbnackten Fremden nie wieder sehen und das erste was passierte war das er mir, sobald ich mein Zimmer verließ über den Weg lief. Langsam schlossen sich die Türen wieder und gerade als ich jubeln wollte, weil ich ihn so umgehen konnte, sah ich, dass er zu der Tafel hinüberging und den Knopf drückte, der die Türen aufhielt. »Wollen Sie nicht runter?«
Mit trockener Kehle nickte ich und stieg ein. Ich wandte ihm den Rücken zu und betete, dass diese Fahrstuhlfahrt schnell vorbei sein würde. Doch ich konnte seinen Blick wie glühende Hitze auf meinem Körper spüren, es war nicht zum Aushalten. Da ich mich in irgendeiner Art und Weise mit ihm verbunden fühlte, dadurch das er mir letzte Nacht beim Kotzen zugesehen und meine Haare gehalten hatte, fand ich dass ich etwas sagen sollte. Mein Hirn ratterte und das erste, dass mir einfiel, war. »Gehen sie heute Abend zu der Auktion?« Ich hörte ihn hinter mir seufzen. »Nein, das ist nichts für mich.« Ich nickte und verspürte den Drang mich zu ihm umzudrehen und ihn zu fragen, was denn sein Ding sei. Ich unterdrückte ihn. Zögernd fragte ich: »Und was machen Sie stattdessen?«
»Arbeiten!« Seine Stimme klang jetzt irgendwie streng und distanzierter, nicht mehr so fröhlich wie das guten Morgen von ihm. Erneut nickte ich. »Schön, von nichts kommt nichts, was?«
»Sie sagen es.« Ich wippte leicht mit dem Kopf und presste meine Lippen aufeinander. »Es ist mir so peinlich wegen letzter Nacht.«
»Schon gut«, unterbrach er. Jetzt drehte ich mich zu ihm um. Er stand an der Wand gelehnt und seine Augen waren Glas klar, doch seine Miene wirkte irgendwie hart, härter als ich sie bis jetzt gesehen hatte. Sein Blick, mit dem er mir begegnete, war von solch einer Intensität, dass ich das Gefühl hatte, mein Herz würde aussetzen. Ich stammelte. »Nein, nein, das ist alles andere als gut, das war total daneben. Ich meine, wir kennen uns nicht und Sie halten meine Haare und hören sich meine Probleme mit meinen Verlobten an, dann meine direkten Aussagen. Ich ... ich kann mich dafür nur entschuldigen. Es tut mir leid, ehrlich.« Er zog scharf die Luft ein und verengte seine Augen. »Ich kann damit umgehen, machen Sie sich mal keine Sorgen.«
Nervös versuchte ich zu Lächeln, als der Fahrstuhl pingte, zuckte ich zusammen. Ich hatte mich so auf ihn konzentriert. Er drückte sich von der Wand weg und nickte in meine Richtung. »Wir sollten aussteigen.« Ich drehte mich um und spürte seine Hand auf meinem Rücken. Eine Gänsehaut durchfuhr mich und ich musste unwillkürlich daran denken, wie sich seine harten Muskeln wohl anfühlten?
Janey reiß dich zusammen. Du bist verlobt. Wir blieben vor dem Fahrstuhl stehen. Er löste seine Hand von meinem Rücken und sagte: »Ich wünsche Ihnen viel Spaß heute Abend.« Ich nickte, bedankte mich und wünschte ihm ebenfalls viel Spaß bei der Arbeit.
Ich wappnete mich für meine Mutter. Als ich am Pool ankam, redete sie ohne Punkt und Komma. Wie ich denn nur solange schlafen könnte an so einem Tag wie heute. Wie ich denn aussehen würde und was genau ich heute Abend mit meinen Haaren machen wollte. Für sie waren solche Events wie sie es nannte immer eine große Sache, für mich die reinste Quälerei. Als ich mich neben ihr auf die Liege fallen ließ, wünschte ich mir, dass Julian noch hier wäre. Er war für sowas zu haben, das war genau sein Ding und durch ihn würde meine Mutter sich auch nicht so auf mich konzentrieren. Ich schloss die Augen und versuchte dem ganzen Gerede meiner Mutter zu entkommen, doch irgendwann nahm sie mir die Sonnenbrille ab. »Mom bitte ich.«
»Mom, was?«, fauchte sie. »Du siehst furchtbar aus, hast du schon etwas gegessen?« Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich kann nicht.« Ehe ich mich versah, winkte sie den Kellner heran und bestellte eine Obstplatte. »Du solltest was essen und trinken.«
Ein paar Vitamine konnten nicht schaden, das hatte der halbnackte Fremde mir ebenfalls geraten. Während meine Mutter mir weiter irgendetwas erzählte, wich ich gedanklich schon wieder zu dem gestrigen Gespräch zwischen ihm und mir ab. Ich dachte über das nach, was er in der Bar zu mir gesagt hatte. Ich erinnerte mich, dass ich ihn gefragt hatte, wie er hieß, doch ich wusste nicht mehr, ob er mir geantwortet hatte. »Janey«, unterbrach meine Mutter mich laut in meinen Gedanken. »Was ist bloß los mit dir?«
Meine Mutter warf mir einen entsetzen Blick zu. Ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren und fuhr mir durchs Haar. »Nichts Mom ich bin einfach nur müde!«
Sie beäugte mich skeptisch, dann lehnte sie sich vor und sah mich mit ernster Miene an. »Du solltest versuchen, dich wenigstens ein bisschen zusammenzureißen, Janey.«
Wenn meine Mutter nur gewusst hätte, wie sehr ich mich zusammen riss. Den Gedanken es ihr zu sagen verwarf ich wieder schnell. Demnach tat ich das, was ich am besten konnte und machte gute Miene zum bösen Spiel. Ich zwang mir ein Lächeln aufs Gesicht und sagte. »Tut mir leid! Ich bin nur so durcheinander wegen der bevorstehenden Hochzeit.«
Ihre Miene wurde sofort wieder weicher. Sie nahm meine Hand und drückte sie fest. »Das ist ganz normal, Schätzchen, du heiratest den Mann, den du liebst.« Mein Magen verkrampfte sich bei den Worten. ›Ich heirate den Mann, den ich liebe!‹
Als, ich genauer über die Worte nachdachte, wurde mir wieder schlecht. Nichts von alldem war mehr real für mich. »Wenn ihr erst verheiratet seid, dann legt sich deine Unruhe«, bestärkte sie ihre Aussage und ich hatte jetzt wirklich wieder das Gefühl mich übergeben zu müssen. Denn alleine der Gedanke daran, mit Julian verheiratet zu sein, schnürte mir die Kehle zu. Es ließ mich nicht atmen. Mein Leben ließ mich nicht atmen. Ich erstickte darin. Es war nicht zum Aushalten. Ich wollte schreien, doch tat es nicht, wie immer unterdrückte ich meine Gefühle. »Ja, vielleicht hast du recht!«, stimmte ich zu und wusste, dass sie zufrieden damit sein würde.
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Atme, wenn du kannst
Mystery / ThrillerEigentlich sollte es für Janey ein entspannter Urlaub vor ihrer Hochzeit werden, aber eine Begegnung mit einem überaus attraktiven Mann, bringt sie in ungeahnte Schwierigkeiten. Schon bald muss sie sich entscheiden, will sie leben oder sterben? Jan...