Kapitel 32 - Janey
Die Nacht hing mir bleischwer in den Knochen. Der Traum und die unausgesprochenen Worte nagten an mir. Dennoch wollte ich nicht mit Max darüber reden. Ich wusste nicht einmal, warum ich gelogen hatte, als ich ihm von meinem Traum erzählt hatte. Ich wusste nicht, warum ich so eine kurzzeitige Angst vor ihm gehabt hatte, obwohl ich doch wusste, dass er mir nie weh tun würde. Die letzten Tage, die ich mit Max verbracht hatte, hatten mich alles vergessen lassen. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, weswegen er in mein Leben getreten war, hatte ich alles mit ihm genossen. Die Tötung schien so lange her, die darauffolgende Flucht ebenfalls. Die Erkenntnis, dass ich wollte, dass er bei mir blieb, anstatt seinen üblichen Rachefeldzug durchzuziehen, schien so weit weg. Warum sorgte ich mich darum? Dass es wieder so werden könnte, dass er plötzlich wieder anders sein könnte. Warum hatte ich so einen schrecklichen Traum von ihm gehabt? All diese Fragen zerhackten mir das Hirn.
Ich betrachtete mich im Spiegel. Meine Augen sahen müde aus und ich fühlte mich auch so. Ich drehte den Wasserhahn auf und spritze mir Wasser ins Gesicht. Nachdem ich aufgewacht war, hatte Max nicht mehr neben mir gelegen und irgendwie war ich erleichtert darüber gewesen. Denn wäre es anders, hätte er mich vermutlich wieder nach heute Nacht gefragt. Sein Gesichtsausdruck ging mir nicht aus dem Kopf. Wie verzweifelt er versucht hatte, mich davon zu überzeugen, dass ich in Sicherheit war. Die Worte, die er gesprochen hatte, die, die ich nicht hören wollte, weil sie deren Worte ähnelten, die er im Traum zu mir gesagt hatte, bevor er Lisa ermordet hatte. Und sich in diesen Buck, wie er ihn heute Nacht genannt hatte, verwandelt hatte. Ich schloss die Augen und trocknete mein Gesicht. Mit einem lauten Atemzug stieß ich schwer die Luft aus.
Ein leises Klopfen riss mich aus meinen Gedanken. »Janey kann ich reinkommen?«
Ich öffnete die Augen und legte das Handtuch beiseite. Filiz! Sie musste schon im Zimmer sein. Sie hörte sich nah an. »Ich komme«, rief ich. Und trat aus dem Bad. Filiz stand da und grinste mich breit an. »Guten Morgen!« Ich zwang mich zu einem lächeln und erwiderte ihr »Guten Morgen.«
»Bist du bereit?«, fragte sie. Nachdenklich blickte ich sie an, weil ich keine Ahnung hatte, was sie damit meinte. »Der Junggesellinnenabschied fängt in einer Stunde an. Meine Mutter hat alles genau durchgeplant und ich kann dir sagen, dass dieser Tag und diese Nacht der Wahnsinn wird. Verlass dich darauf!«
Sie zwinkerte. Ich lächelte verlegen. »Ach ja stimmt!«
Gerade hatte sie noch gelächelt und im nächsten Moment runzelte sie die Stirn. »Doch bevor wir es so richtig krachen lassen, will ich von dir wissen, was er gemacht hat!«
Was, wer gemacht hatte, redete sie von Max? Meine Verwirrung musste mir im Gesicht gestanden haben, denn sie erklärte: »Kil, ist er dir zu nahe getreten? Er kann manchmal sehr aufdringlich sein.«
Es wunderte mich doch schwer, dass sie ihn als aufdringlich bezeichnete. Er sorgte sich und er war hartnäckig, aber als aufdringlich würde ich das jetzt nicht bezeichnen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. »Er hat nichts gemacht!«
Sie verengte ihre Augen zu Schlitzen. »Mein Bruder ist ruhelos und das wiederum bedeutet, dass es ein ungelöstes Problem geben muss. Und da keiner von uns Lust darauf hat von ihm genervt zu werden, kannst nur du der Auslöser dafür gewesen sein.«
Das war mir zu hoch. Ich verstand nichts von dem, was sie sagte.
»Er sitz unten in der Küche und redet ununterbrochen und das tut er nur, wenn es ein ungelöstes Problem gibt.« Sie lachte kurz auf und sagte: »Er gibt uns genaue Anweisungen, dass wir auf dich aufpassen sollen. Wie wir mit dir umgehen sollen, dass wir vorsichtig sein sollen, dich nicht zu sehr drängen sollen. Ehrlich, er wirkt irgendwie unsicher. Das ist neu.«
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Atme, wenn du kannst
Mystery / ThrillerEigentlich sollte es für Janey ein entspannter Urlaub vor ihrer Hochzeit werden, aber eine Begegnung mit einem überaus attraktiven Mann, bringt sie in ungeahnte Schwierigkeiten. Schon bald muss sie sich entscheiden, will sie leben oder sterben? Jan...