Breathe - Atme wenn du kannst - Teil 35

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Kapitel 36 - Janey 

Innerlich zitterte ich, während ich Max aus dem Club zog. Obwohl ich zuvor völlig betrunken gewesen war, war ich sofort klar. Nachdem ich Max Blick gesehen hatte, hatte die Angst schlagartig wieder eingesetzt. Es schien so, als würde er nicht ganz da sein, so als wäre er abwesend. In einer anderen Welt und irgendwie erinnerte mich sein Blick an meinen Traum letzte Nacht. Der Blick, den er mir zugeworfen hatte, bevor er Lisa erschossen hatte. Ich stand hilflos auf der Straße und versuchte ein Taxi heranzuwinken, dabei sah ich immer wieder rüber zu Max, der immer noch steif und nicht anwesend wirkte. Als ich es geschafft hatte, eines für uns zu bekommen, setzten wir uns auf die Rückbank und während der ganzen Fahrt zurück zum Haus schwiegen wir. Immer wieder ließ ich meinen Blick zu ihm rüber schweifen, doch er starrte nur aus dem Fenster. So ruhig und in sich gekehrt hatte ich ihn noch nicht erlebt.

Als wir das große goldene Tor erreichten, gewährte Paul uns Einfahrt. Erst als das Taxi vor dem großen luxuriösen Haus stand, schien Max aus seiner Verharrung zu erwachen und zückte sein Portmonee, um dem Fahrer Geld zu geben. Als wir ausstiegen, war es diesmal Max, der meine Hand nahm und mich die Stufen hinauf geleitete. Paul musste uns schon angekündigt haben, denn noch bevor wir die letzten Stufen erreicht hatten, öffnete uns das Hausmädchen die Tür. Mit einem überaus freundlichen Grinsen im Gesicht wünschte sie uns einen »Guten Abend«, den wir erwiderten, bevor Max mich die Stufen hoch zu unserem Zimmer zog. Nachdem wir oben angekommen waren, führte er mich wortlos zum Bett. Er forderte mich auf, dass ich mich setzen sollte, weil ich absolut keine Ahnung hatte, was mich erwartete, leistete ich keinen Widerstand und ließ mich nieder. Dann schloss er die Tür.

Während er zu einem Stuhl lief, zog er seine Anzugjacke aus. Er nahm den Stuhl und stellte ihn vor dem Bett ab. Sorgsam legte er die Anzugjacke am Fußende des Bettes, bevor er sich auf den Stuhl setzte. Es lag ein überaus gefährlicher Blick in seinen Augen, der mich zusammen mit seiner Geste, in der er mich mit seinen Beinen gefangen nahm, leicht erschaudern ließ.

Ich hatte keine Angst, doch wohl, fühlte ich mich gerade auch nicht. Weder wusste ich, was mich jetzt erwartete, noch was ich mit meinen Händen machen sollte. Max öffnete seinen obersten Knopf und begann sich die Ärmel hochzukrempeln. Keine einzige Sekunde ließ er mich aus den Augen. Seine Gesichtszüge wirkten hart und angespannt. Seine ganze Haltung war angespannt und unwillkürlich erinnerte ich mich an das Szenario, das sich im Hotel in Frankreich abgespielt hatte, nachdem ich ihn überrascht hatte. Wir saßen genauso da wie jetzt, der einzige Unterschied war, dass Max damals auf mich eingeredet hatte und jetzt ungewöhnlich ruhig war. Ich wünschte mir mit einem Mal, dass er es jetzt ebenso machte, einfach plapperte, denn das wäre besser als dieses Schweigen. In Verbindung mit diesem Ausdruck, den ich nicht deuten konnte. Da ich nicht sicher war, was ich sagen sollte, flüsterte ich kaum hörbar. »Bitte sag was!«

Auch damit konnte ich ihm keine Reaktion entlocken, weiter starrte er mich an. Ich wusste nicht, wie lange wir so da saßen und er mich anstarrte, aber es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor. Mein Kopf drehte sich, mein Herz raste und ich hatte das Gefühl, dass sein Blick immer unheimlicher wurde. Ich wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte und länger so in der Position sitzen wollte ich auch nicht. Demnach beugte ich mich etwas nach vorne, erhob mich und versuchte über eines seiner Beine zu steigen. Doch ruckartig griff er nach meinem Handgelenk und flüsterte:

»Bitte bleib einfach da sitzen.«

Seine Worte klangen abgehakt. Ich schaute ihm Sekunden lang in die Augen, die obwohl sie eisblau waren, jetzt irgendwie dunkler, gefährlicher wirkten und gab ein leises »Okay«, von mir. Ich setzte mich.

Es folgten weitere schweigende Minuten. Die Stille im Raum war ohrenbetäubend und ich hielt das einfach nicht mehr aus. Ich fragte mich, was genau er dachte und was er mit dem Typen gemacht hätte, wenn wir nicht dazwischen gegangen wären. Hätte er ihn, ...? Nein, den Gedanken wollte ich nicht zu Ende denken. Seine gesamte Familie war dabei. Dennoch schlich sich die Frage ein und ich richtete sie an ihn. »Wolltest du den Kerl töten?«

Atme, wenn du kannstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt