𝗔𝗯𝗴𝗲𝘀𝗰𝗵𝗹𝗼𝘀𝘀𝗲𝗻 | 𝗙𝗮𝗻𝘁𝗮𝘀𝘆 | 𝗗𝗲𝘂𝘁𝘀𝗰𝗵
Von den Göttern und Drachen verstoßen, irrt Shumizu Jahrtausende lang unter den Irdischen umher - auf der Suche nach einem Weg, den auferlegten Fluch von sich und seiner Schöpfung zu nehme...
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Die Weiterreise war für Shumizu eine Qual. Am Ende wusste er nicht einmal, wohin er sonst noch fliegen konnte, um dem Rätsel seines Schicksals näherzukommen. Da waren nur die Worte von Hoyan, die ihn an seine Bestimmung erinnert hatten.
»Du kannst den Fluch nicht aufheben, es sei denn, du gibst das auf, was du am meisten liebst und schätzt. So wie du uns alles genommen hast, so soll dir ebenfalls alles genommen werden.«
Das aufgeben, was er am meisten liebte und schätzte. Was liebte er denn am meisten? Seine Schöpfung. Doch um diese rückgängig zu machen, würde er Unmengen an Energie benötigen. Energie, die er nicht mehr besaß. Und wenn er sich welche von den Menschen nahm, würde er nur mehr Sünden begehen.
Sein Körper war ausgelaugt, seine Kräfte am Ende. Der Fluch des Ewigen Hungers war kurz davor, eine gefallene Gottheit wie ihn dahinzuraffen. Was ein erbärmliches Ende! Oder war damit sein Schicksal gemeint? Sich selbst aufgeben? Liebte und schätzte er sich denn genauso sehr, wie er seine Yingzis schätzte? Würden sie vom Fluch befreit sein, wenn er sich selbst opfern würde?
Es war keine Garantie und doch war diese Antwort im Moment die plausibelste. Aber noch konnte er diesen Weg nicht beschreiten, wenn er sich nicht komplett sicher war, dass die Worte der Götter tatsächlich seine Selbstopferung meinten.
Seine letzte Hoffnung, eine Antwort zu finden, war das Schwarze Auge - eine Schlucht, von der gesagt wurde, dass der Abgrund unendlich tief war. Man würde auf ewig fallen und niemals auf dem Boden aufkommen. Bis heute war kein Wächter, der in diese Schlucht mit seinem Baohu geflogen war, bis zum Grund gekommen.
Die Entstehung der Schlucht war ein großes Rätsel. Man nannte den Ort auch »die Geburtsstätte des Bösen«. Legenden besagten, dass einst die Yingzis aus dem Abgrund heraufbeschworen wurden, um die Welt zu unterwerfen. Ein Teil davon mochte zwar stimmen, doch die Unterwerfung war eine Lüge aller Historienbücher. Aber Shumizu war sich sicher, dass kein Mensch einem Yingzi wie ihm sein Gehör schenken würde, wenn er versuchen würde, sie von der Wahrheit zu überzeugen.
Der Wind strich sanft über Shumizus Haar, wie eine liebevolle Mutter, die ihrem Kind Zuneigung schenkte. Er schloss müde die Augen, ließ sich von Zhongxi und Mei zu seinem gewünschten Ziel bringen. Beide hatten tatsächlich nichts eingewendet, selbst wenn der Baohu nun wieder nach freiem Willen handeln konnte.
»Da ich selbst nach Antworten auf meine Fragen suche, werde ich dir dabei helfen, deine zu finden. Aber dafür versprichst du mir, Zhongxi nicht wieder zu verhexen! Und wenn wir beidezurück nach Hause wollen, dann lässt du uns auch gehen. Ist das ein Deal?«
Natürlich hatte Shumizu dem Vorschlag zugestimmt. Ihm waren so oder so die Hände gebunden. Ohne Energie konnte er den Drachen unmöglich erneut unterwerfen. Wäre Mei gegangen ... dann wäre Shumizu sicherlich verendet.
Es fiel dem Yingzi schwer, sich auf dem Rücken des Baohus zu halten. Immer wieder verschwamm sein Sichtfeld, das Gefühl seiner Gliedmaßen wurde taub. Er konnte sich gerade so noch an Meis Schultern festhalten. Die Wächterin hatte bemerkt, dass mit Shumizu etwas nicht stimmte. Sie hatte ihm Essen und Trinken gegeben, hatte versucht, seine körperliche Schwäche mit Kräutern auszugleichen, doch nichts hatte geholfen.
Wenn sie nur wüsste, dass man Shumizu auf diese Weise nicht helfen konnte ...
Und dann geschah es. Dem Yingzi wurde mit einem Mal schwarz vor Augen. Seine Finger lösten sich, sein Körper kippte zur Seite. Nur am Rande nahm er wahr, wie er vollkommen hilflos von Zhongxis Rücken glitt und vom Himmel stürzte.
Er hörte einen panischen Schrei, fühlte den Windstoß von Flügelschlägen und schließlich kalte Krallen, die seinen Körper hielten. Mit verschwommenem Blick schaute Shumizu auf die Welt unter ihm herab. Grün, überall Grün. Blaue Flüsse zogen sich durch die Landschaft, mächtige Berge ragten am Rande in den Himmel empor. Der Yingzi entdeckte sogar den Vulkan. Im nächsten Moment wurde wieder alles schwarz.
Als er wieder zu Bewusstsein kam, fand er sich an einen Baum angelehnt wieder. Das Plätschern von Wasser drang an seine Ohren, Vögel zwitscherten, warme Sonnenstrahlen kitzelten seine Wangen.
Shumizu ließ orientierungslos den Blick umherschweifen. Zhongxi hockte mit Dai an seiner Seite am Flussufer und trank seelenruhig ein paar kräftige Züge. Mei war jedoch nirgends zu sehen. Er nahm den Geruch von frischen Kräutern wahr. Dem Anschein nach versuchte Mei es immer noch. Nur wie sollte Shumizu ihr sagen, dass er nicht einfach nur krank war?
»So können wir keinesfalls weiterfliegen«, ertönte die hohe Stimme der Wächterin hinter ihm. Schwach drehte Shumizu sich zu ihr um. Sie hielt einige saftig aussehende Beeren in der Hand, die sie ihm überreichte. »Bitte iss ... Nur so kann dein Körper wieder gesund werden. Ich weiß, ihr Yingzis benötigt Fleisch. Aber ich hatte noch keine Gelegenheit zu jagen gehabt.«
Zaghaft schüttelte Shumizu den Kopf, schob ihre Hand mit den Beeren von sich. Die Menschen glaubten, dass Yingzis das Fleisch für neue Kraft und die Lebensenergie anderer Lebewesen für ihre eigene Macht nutzten. Das Fleisch wäre nötig, die Lebensenergie nicht. Letzteres zu rauben, bedeutete, ein Monster zu sein.
Irritiert zog Mei ihre Augenbrauen zusammen. »Die Beeren sind wenigstens etwas. Ich habe doch selbst gesehen, wie manche Schatten davon genascht haben. Dai scheint sie auch zu lieben. Auch wenn sie kaum etwas bringen sollten, bin ich mir sicher, dass sie zumindest ein wenig helfen könnten.« Mei hielt Shumizu eine Beere vor die Lippen.
Seit Shumizu die Wächterin kennengelernt hatte, gab es keinen Moment, in dem er so viel Besorgnis in ihren rubinroten Augen gesehen hatte wie jetzt. Da war sonst nur Platz für Hass und Abscheu gewesen. Wieso der plötzliche Umschwung? Was hatte Mei dazu verleitet, ihm plötzlich helfen zu wollen? Selbst den Nachtdrachen hatte sie mitgenommen, obwohl das Wesen ein Yingzi war.
»Wieso hilfst du mir?«, fragte Shumizu heiser und versuchte, sich so weit aufzurichten, dass er Mei besser sehen konnte. Die Wächterin setzte sich neben ihn, konnte es jedoch nicht lassen, ihm eine Beere in die Hand zu drücken. Dankend schenkte Shumizu ihr ein Lächeln und aß ihr zuliebe die Beere, auch wenn sie für ihn nichts weiter war als ein Genussmittel.
»Ich habe dir das doch schon einmal erzählt. Weil ich herausfinden will, wer oder was du bist. Du hättest mir das sicherlich längst erzählt, wäre das kein großes Geheimnis. Also muss ich es wohl selbst in die Hand nehmen. Danach kann ich immer noch entscheiden, ob ich dich am Leben lasse oder dir den Todesstoß verpasse«, antwortete Mei, doch Shumizu schüttelte den Kopf.
»Das kann nicht deine einzige Motivation sein. Du hast den Nachtdrachen mitgenommen, anstatt ihn zu töten, obwohl du die Yingzis doch so sehr verabscheust. Du hast ihm sogar einen Namen gegeben. Da muss mehr hinter stecken.«
Mei starrte stumm auf den plätschernden Fluss, an dem ihr Baohu mit Dai friedlich hockte, als wären sie alte Freunde. »Nicht einmal dein Baohu versucht, Dai zu töten«, fügte der Schatten hinzu. Mei antwortete noch immer nicht. Sie schien verunsichert, nicht wissend, was sie darauf erwidern sollte. Shumizu würde geduldig auf eine Antwort warten.
»Ich habe euch Schatten nie gehasst«, murmelte Mei nach einer Weile leise. Ein Blatt schwebte zu Boden und landete auf Shumizus Schoß.