💮 16 • Schwarzwald 💮

73 24 28
                                        

*╔═══❖•ೋ° °ೋ•❖═══╗*
S C H W A R Z W A L D
*╚═══❖•ೋ° °ೋ•❖═══╝*

*╔═══❖•ೋ° °ೋ•❖═══╗*S C H W A R Z W A L D*╚═══❖•ೋ° °ೋ•❖═══╝*

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

⊰᯽⊱┈──╌❊╌──┈⊰᯽⊱

Es wäre so einfach gewesen, Mei zu folgen. Schließlich besaß Shumizu wieder die Energie, um sich ohne Probleme fortbewegen oder gar seine Kräfte nutzen zu können. Und dennoch fühlte er sich genau zu diesem Zeitpunkt am schwächsten. Sein Körper war noch immer gelähmt, betäubt von den schmerzlichen Worten und den abgeneigten Blicken der Wächterin.

Was war das nur für ein Gefühl? Eine weitere Strafe der Götter? Die Pein war tatsächlich schlimmer als alle anderen Schmerzen, die Shumizu jemals auf sich genommen hatte. Es war unerträglich, zerriss ihm das Herz, die Seele. Es gab nur einen Moment, in dem er so ähnlich gefühlt hatte. Und das war der, als er von seinen anderen Geschwistern verstoßen und mit dem Fluch des Ewigen Hungers in die irdische Welt verbannt wurde. Ihm wurden dieselben Blicke und Worte zugeworfen, die auch Mei ihm gewidmet hatte. Nur wieso tat es bei der Wächterin so viel mehr weh als bei den Göttern?

Er merkte nicht einmal, wie seine Sicht plötzlich verschwamm. Kleine Tränen perlten von seiner Wange und tropften stumm auf die toten Blätter, Blut aus den vorherigen Kämpfen benetzte noch das Braun.

Mei war längst verschwunden, nirgends zu sehen, verschluckt von den dicken Stämmen der mächtigen Bäume. Nun, da alles ruhig war, konnte Shumizu wieder das leise Rauschen des Flusses wahrnehmen. Der Gestank von Tod lag in der Luft, erschwerte ihm das Atmen, niemand war mehr hier. Er war allein.

Die alten Schuldgefühle kamen wieder auf und begannen, ihn von innen zu zerfressen. Shumizus Beine gaben unter ihm nach. Er fiel mit seinen Knien voran mit einem stumpfen Aufprall auf den Boden. Ein leises Schluchzen entkam seiner Kehle, dann wurde es wieder ruhig. Nur still tropften die Tränen von seinem Gesicht.

»Bin ich wirklich ein Monster? Ein Mörder?« Der kleine Junge mit den rabenschwarzen Haaren und der rötlich-braunen und schuppenartigen Haut sah mit Tränen in den Augen zu der Gottheit hoch. Ein trauriges Lächeln lag auf seinen Lippen. Ganz sanft tätschelte er den Kopf des Jungen. »Nein, das bist du nicht. Nur weil andere Schatten Lebewesen getötet haben, heißt es nicht, dass alle Schatten auch tatsächlich Mörder sind.«

Warum Shumizu ausgerechnet diese Erinnerung in den Sinn kam, konnte er sich nicht erklären. Vielleicht weil ihm seine eigene Aussage, die er einst getätigt hatte, plötzlich so lächerlich und heuchlerisch vorkam. Er hatte selbst daran geglaubt, kein Mörder zu sein, hatte Jahrtausende darauf verzichtet, anderen Wesen Lebensenergie zu entziehen und nutzte nun die letzten Reserven auf, die er noch besaß. Es hätte sein Ende sein können und gleichzeitig die Erlösung all seiner Yingzis. Und doch ... Er hatte egoistisch gehandelt und das mit fatalen Folgen. Er wollte gutherzig sein und wurde selbst zu einem erbarmungslosen Mörder. Ein Monster. Ein Yingzi, der nach Macht aus war.

Die Erinnerungen an das, was vor wenigen Momenten in diesem Wald noch geschehen war, konnte Shumizu nur vage aufrufen. Doch an ein Gefühl konnte er sich genaustens erinnern: Es war die Mord- und Rachelust. Er hatte mehr von der mächtigen Lebensenergie kosten wollen. Waren das die Gedanken eines Monsters? War Shumizu schon immer ein Monster gewesen?

Seine Brust schmerzte, übernahm seinen gesamten Körper, schnürte ihm die Luft ab. Es fühlte sich an, als würde die Dunkelheit ihn immer mehr in die Tiefe ziehen; in die Tiefe der Schuld und Reue. Was war er nur für ein Schwächling ...?
Wieso hatte der Pfeil ihn nicht einfach treffen können? Wie hatte er nur zulassen können, dass seine uralten Mächte wieder erwachten?

Ein leichter Windstoß fegte durch den Wald, wirbelte die langen schwarzen Haare des Yingzis auf. Dieser hielt für einen Moment inne, als er das leise, verzweifelte Fiepen vernahm. Ganz langsam drehte er den Kopf zur Seite. Im nächsten Moment weiteten sich seine Augen, als er doch tatsächlich den kleinen Nachtdrachen entdeckte. Dai war noch hier ... Hatte er sich die ganze Zeit über unter dem Laub versteckt? Wurde er von Mei verstoßen? Sicherlich ... Sie musste fürchterliche Angst vor dem Schatten bekommen haben, als sie Shumizu vollkommen außer sich beim Töten zugesehen hatte.

Vorsichtig streckte Shumizu die Hand nach dem kleinen Schatten aus, der sich verzweifelt an diese schmiegte. Augenblicklich versiegten die Tränen. Shumizu musste traurig lächeln.
»Danke, dass du noch bei mir geblieben bist, kleiner Dai. Wir sind wohl beide die Monster dieser Welt ...«

Betrübt warf Shumizu einen Blick in die Richtung, in die Mei gegangen war. Als wäre da noch ein kleiner Funke Hoffnung, dass sie wieder zurückkommen und ihm verzeihen würde. Doch die Realität war nicht wirklich fair. Niemals würde eine Wächterin einem Monster vergeben können. War es nun vorbei? Hatte Shumizu endgültig ihr Vertrauen gebrochen und sie auf ewig verloren? Allein der Gedanke versetzte ihm einen schmerzlichen Stich. Shumizu verstand nur nicht, warum es diesmal so sehr weh tat. Lag es etwa an Mei? Was war das nur für ein Gefühl?

Dai stupste Shumizu immer wieder unruhig an, als würde er den Yingzi dazu motivieren wollen, wieder aufzustehen. Verwundert sah Shumizu zum Nachtdrachen. Auch wenn Dai nicht reden konnte, der Blick konnte so viel mehr verraten als einfache Worte. Diesmal war es nicht anders. In den kleinen knopfartigen Augen erkannte Shumizu die Überzeugung des kleinen Drachen. Er sollte aufstehen und weiterhin sein Ziel verfolgen, egal wie schwer es auch sein mochte.

Das war Shumizu insgeheim längst klar gewesen, doch diese unerträglichen Schmerzen betäubten ihn zu sehr, erschwerten ihm das Aufstehen.

»Dai ... Ich weiß nicht mehr, ob ich wieder aufstehen und weiterlaufen kann. Diese Schuldgefühle, sie halten mich am Boden«, wisperte Shumizu schwach, blieb auf dem Waldboden hocken. Doch Dai schien nicht so schnell aufgeben zu wollen. Immer wieder stupste er Shumizu an, wollte ihn dazu bringen, wieder aufzustehen.

Willst du wirklich hier und jetzt aufgeben? Wo du schon so weit gekommen bist?

Mit zusammengekniffenen Augen hielt sich Shumizu den Kopf. Die unbekannte Stimme ... Woher kam sie? War das Dai gewesen? War er das, der zu ihm gesprochen hatte?

Wo bin ich weit gekommen? Ich habe noch immer keine Anhaltspunkte gefunden, was es mit meinem Schicksal auf sich hat.

Der Nachtdrache schaute den Yingzi vorwurfsvoll an, machte daraufhin einen empörten Laut. Erneut ertönte die fremde Stimme in Shumizus Kopf. Er war sich beinahe sicher, dass es Dai war. Ein anderer Schatten, der zu ihm sprach ... Auch das hatte Shumizu jahrhundertelang nicht mehr erleben können. Über die Zeit verloren die Yingzis sich selbst und verlernten die Kommunikation und das Empfinden von Empathie.

Du bist hier auf der Wächterinsel. Und du hast dir eine Hogosha zur Freundin gemacht. Sie scheint dir wichtig zu sein, möchtest du sie wirklich deswegen verlieren und aufgeben?

Sein Blick fiel wieder in die Richtung, in die Mei verschwunden war. Vielleicht hatte Dai recht. Mei war ihm wichtig, oder nicht? Sonst würde sein Herz nicht so sehr schmerzen. Das konnte es nur, wenn er verletzt wurde. Und Mei hatte ihn verletzt, wenn auch gerechtfertigt. Schließlich hatte Shumizu Schlimmes verbrochen.

Demnach war da plötzlich wieder diese neue Kraft, die seinen Körper durchströmte. Nicht die gestohlene Lebensenergie, doch es war eine Überzeugung, nicht jetzt aufzugeben. Noch war Shumizu nicht tot und somit sein Schicksal nicht erfüllt. Er durfte nicht Halt machen, wenn er die Yingzis retten wollte ... und auch die Beziehung zu Mei.

⊰᯽⊱┈──╌❊╌──┈⊰᯽⊱

𝐎𝐟 𝐆𝐨𝐝𝐬 𝐚𝐧𝐝 𝐃𝐫𝐚𝐠𝐨𝐧𝐬 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt