𝗔𝗯𝗴𝗲𝘀𝗰𝗵𝗹𝗼𝘀𝘀𝗲𝗻 | 𝗙𝗮𝗻𝘁𝗮𝘀𝘆 | 𝗗𝗲𝘂𝘁𝘀𝗰𝗵
Von den Göttern und Drachen verstoßen, irrt Shumizu Jahrtausende lang unter den Irdischen umher - auf der Suche nach einem Weg, den auferlegten Fluch von sich und seiner Schöpfung zu nehme...
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Ganz sanft hielt der Mann die Handder jungen Frau, sohübsch und unangetastet. Ihr Gesicht wurde halb von einem gold bemalten Fächer verdeckt, ihr Körper mit einem edlen Hanfu aus weißerSeidegeschmückt. Die dunklen Haare waren mühevoll zu einerFrisurgesteckt worden, einzelne Blumen waren in ihre langen Strähnen gebunden worden. Rot waren die Lippen, geschwungen ihre Wimpern. Sie strahlteglücklich und so auch der Mann an ihrer Seite.
Yamhei hatte nie verstanden, wiesoMenschen sich an einem Tag wie diesen so übertrieben auftakelten. Es war kein Festtag, keine Huldigung fand statt oder andere Ereignisse, die die Menschen dazu geleitet hätten, sich auf diese Weise aufzuziehen. Das Paar hielt sich bei der Hand. Pompöse Musik wurde gespielt. Die Sonnestrahlte mit der freudigenStimmung der Menschen um dieWette. Die beiden Menschen waren nur zwei von vielen Personen in dieser großen Masse. Trotz der auffällig aussehenden Kleidung fielen sie nicht viel mehrunter der Menge auf als andere.
Yamhei ließ die Augennicht von ihnen ab, wollte wissen, was es mit dem Paar auf sich hatte. Sie tauschten Blicke miteinander aus. DieFraukicherte, dann steckte sie dem Mann liebevoll eineBlume ihres Haarschmucks in seine Strähnen. Auch er lachte. Dann, ganz plötzlich,berührtensich ihre Lippen. Und selbst wenn Yamhei nur ein Beobachter war, konnte er ein warmes Gefühl in der Brustund ein Kribbeln im Bauch verspüren. Es war ein schönesGefühl. Und doch verstand er nicht, wieso sichzweiMenschen an den Lippenberührten. Ob das eine ArtRitual war?
Diesmal wich Mei nicht zurück, als Shumizu nach ihrer Hand griff. Als hätte sie all ihre Kraft verloren, starrte sie nur mit vor Tränen glänzenden Augen auf die Hände des Schattens, nicht fähig, ein Wort über ihre Lippen zu bekommen. Ganz sanft strich er der Wächterin über die Wange, versuchte, sie zu beruhigen, wie auch Zhongxi es eben getan hatte.
Da war wieder diese Erinnerung von dem Paar, das Shumizu einst gesehen hatte. Zu dieser Zeit hatte er noch nicht allzu lange auf der Erde geweilt, umso weniger war auch sein Menschenverständnis gewesen. Später hatte er die gleichen Rituale immer wieder und wieder beobachten können: Menschen berührten sich an ihren Lippen, hielten sich bei der Hand, drückten sich an den jeweils anderen.
Eines Tages war schließlich eine ältere Frau auf ihn zugekommen und hatte ihm etwas von Liebe und Partnerschaft erzählt. Wenn man eines Tages den Richtigen fand, dann würde man ein aufregend, kribbelndes Gefühl im Bauch, Wärme, die den Körper durchströmte und unendliches Glück verspüren. Der Herzschlag verschnellerte sich, die Atmung wurde unregelmäßiger. Yamhei hatte sich nichts darunter vorstellen können. Doch Shumizu, er hatte verstanden, was die ältere Dame gemeint hatte. Zumindest hatte er es bis heute geglaubt.
Auf Shumizus Reise hatte er gelernt, dass nichts auf ewig hielt. Nicht einmal die Götter waren eine Ewigkeit. Schließlich waren die Zeiten von der Gottheit Yamhei irgendwann auch vorbei gewesen. Übrig blieb nur noch der Yingzi Shumizu, den er nach und nach angefangen hatte, lieben zu lernen. Doch diese Liebe war eine andere. Mehr war sie die Akzeptanz seines eigenen Wesens. Er mochte vielleicht eine Schande der Hohen Gottheiten sein, doch im ewigen Selbsthass zu leben, würde niemanden weiterbringen.
Zwar liebte Shumizu auch die Yingzis, doch nun schien Shumizu zu realisieren, dass diese Liebe ebenfalls eine andere war. Seine Schöpfung bescherte ihm kein Bauchkribbeln oder einen höheren Herzschlag. Doch Mei hatte es getan und das nicht nur einmal. In ihrer Nähe fühlte Shumizu sich immer besonders wohl und ruhig. Ganz anders, als wenn er unter seiner eigenen Schöpfung war.
Also musste das die Liebe sein, von der die alte Frau einst gesprochen hatte. Und Mei war die Ursache. Nun, da er es realisiert hatte, wollte er Mei noch weniger gehen lassen. Er wollte diesen Schmerz nicht erneut verspüren. Er war grässlich gewesen.
»Ich würde dir so gerne vertrauen können«, hauchte Mei beinahe tonlos, traute sich nicht, Shumizu in die Augen zu sehen. Sie versuchte, sich wieder von dem Schatten abzuwenden. Doch er konnte der Wächterin ansehen, dass sie stark mit sich selbst zu kämpfen hatte. Ob Shumizu ihr ebenfalls wichtig war, so wie Mei ihm wichtig war?
»Dann hör mir lieber erstmal zu, Mei«, erwiderte Shumizu ruhig und legte seine Hand an ihr Kinn. Ganz sanft drückte er ihren Kopf zu sich hoch, wollte Blickkontakt mit ihr aufnehmen. Er wollte der Wächterin zeigen, dass er von nun an die volle Wahrheit sprechen würde und hoffte darauf, ihre innere Barriere auf diese Weise zumindest ein wenig bröckeln zu lassen.
»Deine erste Frage war, wer ich wirklich bin, nicht wahr? Meine Antwort darauf ist simpel. Ich bin ein Yingzi mit dem Namen Shumizu. Das war nie eine Lüge gewesen. Doch davor nannte man mich Yamhei - oder genauer noch, Gott des Wassers und der Fruchtbarkeit.«
Stille kehrte plötzlich im Wald ein. Die Wolken schoben sich vor die Sonnenstrahlen. Der Windhauch verstummte, als wäre selbst dieser fassungslos von Shumizus Worten. Meis Augen hatten sich vor Unglauben geweitet, ihr Mund war zu einem tonlosen O geformt. Erst nach einiger Zeit rührte sie einen Muskel. Ihre Mundwinkel zuckten.
»Das ist ein schlechter Scherz, oder? Wieso sollte jemand wie du einst eine Gottheit gewesen sein? Und dann auch noch des Wassers und der Fruchtbarkeit?« Mei lachte laut auf, schüttelte immer wieder den Kopf, als wollte sie nicht glauben, was Shumizu da geredet hatte. Ihr Lachen wurde immer lauter, ihr Kopfschütteln immer heftiger. Doch Shumizu konnte der Wächterin ansehen, dass ein Teil von ihr dem Schatten dennoch traute.
»Hast du dich nie gefragt, warum kein Wächter jemals das Element Wasser beherrscht hat? Und dass es keinen einzigen Wasserdrachen auf dieser Welt gibt? Dieses Element gilt als verschollen, angeblich sei der Wassergott bei einem Krieg gefallen, so lauten die Legenden. Doch die Wahrheit ist, dass dieser aus dem Himmelreich verbannt und verflucht wurde«, fuhr Shumizu fort, »und der Name Yamhei verschwand aus allen Schriften und Texten.«
Mei lachte noch immer, raufte sich aufgebracht das Haar, wurde jedoch nach und nach leiser. Völlig fassungslos und irritiert sah sie zu Shumizu hoch, ihr Blick noch immer voller Unglauben geweitet.
»Jeder dahergelaufene Mensch oder Yingzi, der ein wenig stärker als andere Wesen ist, könnte behaupten, er sei ein Gott. Wie willst du mir beweisen, dass du tatsächlich einst der Wassergott Yamhei gewesen bist?«, hakte Mei misstrauisch nach. Ihre Hände zuckten, waren wieder kurz davor, sich Shumizus sanftem Griff zu entziehen. Doch diesmal war er derjenige, der als erstes von ihr abließ.
Entschlossen trat Shumizu mit ausgestreckten Armen einen Schritt zurück, auf seinen Lippen noch immer ein Lächeln abgebildet. Er würde ihr beweisen, wer er wirklich war. Er würde alles tun, um ihr Vertrauen nicht erneut zu brechen.
»Ich kann es dir zeigen, Mei, wenn du mir danach mehr glauben kannst«, versprach der Yingzi ihr und schloss im selben Moment die Augen. Mit dem ersten Schritt begann er schließlich einen längst vergessenen Wassertanz.