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N E B E L S C H W A D E
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Shumizu verstand nicht. Er verstand nichts mehr. Weder wo er war, noch was sein eigenes Abbild zu bedeuten hatte. In seiner jetzigen Verfassung war er zwar ebenfalls schlank, doch war sein Körper gesund gebaut, die Augen schimmerten in einem hellen Blau und wirkten lebendig.
Er konnte sich an keinen einzigen Moment erinnern, in dem er genauso ausgesehen hatte wie die Person vor ihm. Nicht einmal, als der Ewige Hunger beinahe sein Leben beendet hätte. Wer war dieser Shumizu?
Zögerlich trat der Yingzi einen Schritt auf sein eigenes Abbild zu, der weiterhin vollkommen ungerührt an Ort und Stelle verharrte, der Blick geradeaus in die Leere gerichtet. Shumizus Brust schmerzte, seine Gedanken waren wirr. Spielten ihm seine Geschwister wieder etwas vor? Sollte dies irgendeine lächerliche Herausforderung für ihn sein, um ihn zu demütigen und zu unterwerfen? Quälten sie ihn so lange weiter, bis er unter ihrem Lachen zusammenbrach?
»Welche Antworten?!«, schrie Shumizu sein Abbild verzweifelt an, ballte seine Hände zu Fäusten. Er wollte doch nur die Antwort haben. Eine Antwort, die ihm sagen konnte, wie er seine Yingzis von dem Fluch befreien konnte.
War das zu viel verlangt? War ihm das Glück nicht gewährt?»Sag mir, wer bist du?! Was hat das alles zu bedeuten?! Wenn die Antworten so nah sind, wieso sehe ich sie dann nicht?!«, schrie Shumizu außer sich und wollte die Schultern seines Abbilds packen, doch er griff im nächsten Moment ins Leere. Leichter Nebel stieg auf, kurz verschwamm der andere Shumizu, doch wurde das Bild nach und nach wieder klarer. Zitternd trat Shumizu einen Schritt zurück, wurde erneut von einem leeren Blick angestarrt.
»Ich verstehe ni-«
»Dein Herz«, unterbrach sein Abbild ihn und zum ersten Mal bewegte sich dieses, hob langsam seine Hand, um sie auf Shumizus Brust zu legen.
»Es ist dein Herz. Du hast vergessen, Shumizu. Wir haben vergessen ...«, sprach der Nebel mit tonloser Stimme, der Blick noch immer weit nach vorn gerichtet. Doch als Shumizu genauer hinsah, konnte er erkennen, wie sich die leeren schwarzen Pupillen ganz leicht wieder bläulich färbten.
»Wie oft bist du ihr schon begegnet und hast sie nicht wiedererkannt? Deine einzige Liebe. Die erste Seele, die du erschaffen hast? Deine perfekte Schöpfung. Unsere perfekte Schöpfung«, fuhr sein Abbild fort. Shumizu blinzelte. Im nächsten Moment stand er sich selbst gegenüber, als würde er in einen Spiegel schauen. Die Leere war fort. Das Saphirblau glänzte hell und gleichzeitig strahlte sie so viel Schmerz aus, dass es Shumizu ebenso Schmerzen bereitete. Sein Herz zog sich zusammen, als er allmählich verstand, wovon sein Abbild da gerade sprach.»So lange hast du diese Erinnerungen in den Tiefen deines Unterbewusstsein verschlossen gehalten. Weil du Angst hattest. Angst, ihr erneut zu begegnen; dieser besonderen Seele. Du hast sie vergessen, um sie vor dich selbst zu beschützen.«
»Die Seele ... Es ist Mei, nicht wahr?«, hauchte Shumizu geschockt und ließ kraftlos seine Fäuste sinken. Sein Abbild hatte recht ...
Eine nahezu perfekte Seele. Die erste, die er erschaffen hatte. Von ihm geliebt, von den anderen Göttern verhasst, dazu verdammt, auf ewig in der irdischen Welt herumzuirren wie alle anderen Seelen, die er einst erschaffen hatte. Keine seiner Schöpfungen würde es jemals schaffen, in das göttliche Reich aufgenommen zu werden. Auch Meis Seele nicht.Dafür war ihre die einzige, die auch außerhalb seiner eigenen Schöpfung wiedergeboren werden konnte. Nur deswegen war sie in diesem Leben kein Yingzi. Und auch in den vielen Leben zuvor nicht, hatte sie schon so viele Formen angenommen.
Wie oft war Shumizu ihr begegnet, hatte sie beobachtet, wie sie gelebt und gestorben war, nur um wiedergeboren zu werden?
Die Yingzi-Frau am Strand. Der alte Hogosha, der seine Frau verloren hatte. Die junge Dame, die geheiratet hatte. Der kleine Schattenjunge, der Angst gehabt hatte, selbst ein Monster zu sein. Mei, die Wächterin ... Auch wenn sie in diesem Leben sterben würde; ihre Seele würde weiterleben. Das bedeutete ...»Nein, ich kann das nicht ...«, wisperte Shumizu fassungslos. Zu stark hatte ihn diese Erkenntnis getroffen. Die Antwort ... Sie war tatsächlich die ganze Zeit über so nah gewesen. Direkt vor ihm! Und er hatte sie nicht sehen können, weil er die Augen vor der Wahrheit verschlossen hatte.
»Es muss einen anderen Weg geben ... Das kann nicht der einzige sein, ich ...«
Shumizus Sichtfeld verschwamm. Sein Herz pochte wild und schmerzhaft. Die Wahrheit tat weh. Wie grausam das Schicksal doch war ...Schnell blinzelte der Schatten die Tränen fort, doch als er aufblickte, war sein Abbild verschwunden. Gähnende Leere begrüßte Shumizu, Ruhe umhüllte ihn. Die Stimmen in seinem Kopf wurden jedoch immer lauter.
Dann verstummten sie wieder. Von weiter Ferne hörte er erneut eine Stimme. Hell, aber leise, klang sie doch so voller Angst und Verzweiflung. Dann spürte Shumizu einen kräftigen Schlag, der ihn im Gesicht traf. Als er die Augen wieder öffnete, starrte er direkt in ein rubinrotes Paar.
»Verdammt nochmal, wird auch Zeit, dass du wach wirst!«, zischte Mei ungeduldig, wenn auch ein Ton der Erleichterung in ihrer Stimme mitschwang. Verwirrt schaute Shumizu sich um, fand sich am Rande der Schlucht liegend wieder. Was war überhaupt passiert? War er bewusstlos geworden? Die Erinnerungen wurden von einem dichten Nebel bedeckt. Da war nur sein eigenes Abbild gewesen, das er gesehen hatte ...
Doch noch ehe Shumizu das eben Erlebte überhaupt verarbeiten konnte, zerrte Mei ihn auch schon wieder hoch und zog ihn hektisch von der Klippe fort.
»Wir haben nicht mehr viel Zeit, Shumizu! Der Orden hat Verstärkung gerufen und sie haben uns erneut gefunden! Wenn wir nicht rechtzeitig fliehen, sind wir tot!«
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𝐎𝐟 𝐆𝐨𝐝𝐬 𝐚𝐧𝐝 𝐃𝐫𝐚𝐠𝐨𝐧𝐬 ✓
Fantasy🅒🅞🅜🅟🅛🅔🅣🅔🅓 Von den Göttern und Drachen verstoßen, irrt Shumizu Jahrtausende lang unter den Irdischen umher - auf der Suche nach einem Weg, den auferlegten Fluch von sich und seiner Schöpfung zu nehmen. Als er jedoch eines Tages von einer Wäc...