𝗔𝗯𝗴𝗲𝘀𝗰𝗵𝗹𝗼𝘀𝘀𝗲𝗻 | 𝗙𝗮𝗻𝘁𝗮𝘀𝘆 | 𝗗𝗲𝘂𝘁𝘀𝗰𝗵
Von den Göttern und Drachen verstoßen, irrt Shumizu Jahrtausende lang unter den Irdischen umher - auf der Suche nach einem Weg, den auferlegten Fluch von sich und seiner Schöpfung zu nehme...
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Der trockene Boden wirbelte bei jedem kleinsten Schritt Staub auf. Ein Echo hallte durch den dunklen Nebel. Shumizu kam es so vor, als würde er die Stimmen von vorhin erneut wahrnehmen. Die Kante der Schlucht war nur wenige Fußschritte von ihnen entfernt. Wer versuchte, in das Schwarze Auge hineinzublicken, der würde nur in vollkommene Dunkelheit starren. Mei hatte versucht, einen Stein reinzuwerfen, doch selbst nach einiger Zeit hatten alle vier keinen Aufprall hören können. Nicht einmal einen winzigen Windhauch.
Mei war die Enttäuschung deutlich anzusehen, hatte sie sicherlich darauf gehofft, zumindest einen Schritt näher an die Antwort zu kommen. »Wie ich bereits sagte: Hier herrscht kein Leben. Dementsprechend wird auch niemand auf deine Fragen eingehen«, seufzte Shumizu nur ehrlich, hatte er selbst einen recht großen Abstand zur Schlucht genommen. Allein ein einziger Blick in die Tiefe verdrehte ihm den Magen. Die Schlucht erinnerte ihn ständig an seine begangenen Fehler: Ein ungewollter Riss auf der heiligen Insel, die fehlgeschlagene Schöpfung, seine Sturheit und die darauffolgende Verbannung gepaart mit dem Fluch.
»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, erwiderte Mei trocken und wandte sich vom Rand der Schlucht ab. Vor dem Steinwurf hatte die Wächterin es auch mit Rufen und Brüllen versucht, die gesamte Klippe war von Zhongxi und Dai nach Hinweisen abgesucht worden und Shumizu hatte seine Fühler nach Anzeichen von Leben ausgestreckt. Nichts davon. Als wären sie in einer Sackgasse gelandet. Shumizu musste zugeben, dass auch er ein wenig enttäuscht war. Dabei hatte er eigentlich nicht viel erwartet, doch irgendwo war der Funke Hoffnung eben noch vorhanden gewesen.
Hoyan war seine einzige Anlaufstelle gewesen, doch auch sie hatte ihn nicht viel weiterbringen können. Das aufgeben, was er am meisten liebte und schätzte. Am Ende blieben ihm nur die zwei wahrscheinlichsten Möglichkeiten: Entweder musste er einen Weg finden, seine Schöpfung zu zerstören oder er musste sein eigenes Leben opfern.
Da blieb Shumizu nur die Frage: Konnte man einen ehemaligen Gott überhaupt töten? Als er den Wächtern gegenübergestanden hatte, war er felsenfest davon überzeugt gewesen, durch gewöhnliche, von Menschenhand gemachte Waffen sterben zu können. Doch wenn er genauer darüber nachdachte, war er sich nicht mehr allzu sicher.
Was war mit dem Fluch? Sinn davon war es schließlich, die Schatten in den Hungertod zu drängen. Da die Götter auch ihm den Ewigen Hunger auferlegt hatten, müsste Shumizu nach all der Zeit doch ebenfalls daran verenden. So knapp hatte er vor dem Ende gestanden, doch die uralten Kräfte hatten sich natürlich in genau dem Moment zeigen müssen.
Nachdenklich sah Shumizu auf seine Hände. So viel Blut klebte daran ...
Der Yingzi verstand selbst nicht, wieso sich die Kräfte ausgerechnet dann gezeigt hatten, als er sein Schicksal akzeptiert hatte. Oder war sein eigener Tod doch nicht das Schicksal gewesen, das von den Göttern gemeint war?
Wenn Shumizu nun genauer darüber nachdachte, würde sein eigenes Opfer auch wenig Sinn ergeben. Er betrachtete sein Leben nicht als etwas Wichtigeres. Am Ende war er ein Lebewesen wie jedes andere auch; ob Gott, Drache, Mensch, Yingzi oder Tier. Eher würde seine Selbstopferung dem Weglaufen gleichkommen. Ein feiger Gott, der seine Schöpfung im Stich ließ. Wie erbärmlich.
Also musste er einen Weg finden, um die Yingzis zu zerstören. Aber wofür dann die Reise, wenn er seine liebsten Schatten am Ende gar nicht retten konnte? Außerdem würde die Eliminierung einer gesamten Lebensart Unmengen an Energie verbrauchen. Energie, die Shumizu dank des Fluchs längst nicht mehr besaß. Um an die ursprüngliche Menge heranzukommen, müsste er etliche Seelen verschlingen und auch dann würde es sicherlich nicht reichen.
Das wäre ein Desaster, ein Weg, der Shumizu nur mehr zu einem Monster machen würde. So etwas konnten sich die Götter nie und nimmer wünschen.
»Shumizu, jetzt steh nicht wie versteinert da und starre Löcher in den Himmel«, rief Mei empört. Im nächsten Augenblick spürte er, wie schmale Finger sanft sein Handgelenk umfassten. Die Wächterin schien noch immer nicht aufgegeben zu haben, war sie fest entschlossen, die Antworten an diesem Ort zu finden. Die Wahrheit hinter dieser Welt ...
Gedankenverloren sah Shumizu zur Schlucht herüber. Da waren doch die Stimmen gewesen ... Und sie hatten von Antworten gesprochen. Antworten, die so nah waren.
»Lass mich einen Blick in die Schlucht werfen«, beschloss Shumizu, auch wenn ihm bei dem Gedanken ein wenig mulmig zumute wurde. Aber wenn die Antworten so nah waren, durfte er jetzt keinen Rückzieher machen. Zu Shumizus Verwunderung ließ Mei sein Handgelenk nicht los. Stattdessen führte sie ihn an den Rand, ganz langsam. Als würde sie spüren, dass Shumizu sich der Klippe nur ungern näherte. Dunkler Nebel bedeckte die Tiefe. Ein klarer, direkter Blick in das Schwarze Auge selbst war nicht möglich. Die andere Seite war mehrere Abstände weit entfernt. Nur mit einem Drachen konnte die Schlucht überquert werden.
Steine knirschten unter Shumizus Sohlen. Je weiter er sich dem Riss näherte, desto nervöser wurde er. Ganz langsam tastete er sich vor, durfte keine zu großen Schritte nehmen, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, ins Leere zu treten. Ein wenig beruhigte es ihn, dass Mei die ganze Zeit über bei ihm blieb und nicht losließ.
Als der Yingzi schließlich die Kante spürte, blieb er stehen und atmete erstmal tief durch. Dann versuchte er, sich auf die Stimmen zu konzentrieren, die er eben schon wahrgenommen hatte. Wie ein sanfter Windhauch fuhren sie an seinen Ohren vorbei, doch diesmal waren sie zu undeutlich. Das einzige, was er heraushörte, waren erneut die Worte »die Antworten ... So nah!«.
Egal, wie sehr Shumizu sich auch zu konzentrieren versuchte, das Schicksal spielte gegen ihn.
Fast schon enttäuscht wollte er seine Augen wieder aufschlagen, doch wie, als würde man ihm kräftig ins Gesicht schlagen, fiel er plötzlich in die gähnende Leere. Es rauschte laut in seinen Ohren, kein Halt fand er unter seinen Füßen. Er fiel. Unendlich weit. Dann stand die Zeit still.
Als er langsam wieder zu sich kam, erblickte er eine dunkle Gestalt, die gehüllt in Nebel vor ihm stand. Um ihn herum war alles trist und grau, als wäre Shumizu im Nichts. Dann schaute er auf und blickte in ein ihm viel zu bekanntes Gesicht. Lange, schwarze Haare, die ihren Glanz längst verloren hatten und ungebunden den Rücken herabfielen, umrahmten das schmale und leicht kantige Gesicht. Eine schlanke, fast schon abgemagerte Gestalt, als hätte man ihr seit Tagen nichts mehr zu essen gegeben, wurde ihm offenbart, die mandelförmigen Augen waren leer und trüb. Wo einst das Saphirblau schimmerte, war nichts mehr als eine gestorbene Seele.
Es war Shumizus eigenes Abbild, eine Gestalt aus einer anderen Zeit. Und ihre Wege hatten sich nun endlich gekreuzt.
Die trockenen Lippen bewegten sich, flüsterten Worte: »Die Antworten ... So nah!«