𝗔𝗯𝗴𝗲𝘀𝗰𝗵𝗹𝗼𝘀𝘀𝗲𝗻 | 𝗙𝗮𝗻𝘁𝗮𝘀𝘆 | 𝗗𝗲𝘂𝘁𝘀𝗰𝗵
Von den Göttern und Drachen verstoßen, irrt Shumizu Jahrtausende lang unter den Irdischen umher - auf der Suche nach einem Weg, den auferlegten Fluch von sich und seiner Schöpfung zu nehme...
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Die blaue Farbe war für einen Feuerdrachen mehr als ungewöhnlich, wo sie doch normalerweise alle rot sein müssten. Das war Shumizu schon in der Nacht zuvor aufgefallen und doch hatte er nicht viel darüber nachgedacht. Jetzt, wo er auf dem schuppigen Leib des Drachen ritt und ihm das auffällige Himmelblau ins Auge fiel, wurde die Frage nach dem Warum wieder aufgeworfen.
Doch er fragte nicht, sprach nicht mit der Wächterin, die gefesselt und schweigend vor ihm saß. Er konnte ihre Anspannung spüren, den Hass, die Abneigung. Wären sie nicht in der Luft, dann hätte sie sicherlich wieder alles versucht, um dem Yingzi die Kehle aufzuschlitzen.
Dass er den Drachen der Wächterin nehmen wollte, um schneller voranzukommen, war eigentlich nur ein Vorwand gewesen, um sie nicht töten zu müssen. Er hatte alle Zeit der Welt, in Eile war er nicht.
Eigentlich wäre es schlauer und sicherer für ihn gewesen, die Wächterinsel, in die er eingedrungen war, zu verlassen. Jeder Yingzi, der es auch nur wagte, einen Fuß auf den heiligen Boden zu setzen, wurde gnadenlos gejagt und getötet. Nur wenige Ecken boten den Schattenwesen Schutz vor den Hogoshas.
Shumizu jedoch bestand darauf, dass er das Recht auf einen Aufenthalt hier hatte. Denn die Insel war seine Geburtsstätte und sein Zuhause gewesen, bevor er von den Göttern verstoßen und verbannt wurde. Nach tausenden von Jahren war er schließlich wieder zurückgekehrt, in der Hoffnung, sein Schicksal erfüllen und so seine Verbannung mitsamt dem Fluch, die ihm von den Göttern auferlegt wurde, aufheben zu können.
Götter ... Shumizu wurde an die Tage erinnert, als er noch mit all seinen Brüdern und Schwestern am Tisch gesessen und gespeist hatte. Doch seine eigene Schöpfung hatte alles zerstört; ihre gemeinsam aufgebaute Welt, die Wesen, die in dieser Zuhause waren, das Gleichgewicht, das mit viel Mühe aufrechterhalten wurde ...
Der Yingzi biss die Zähne aufeinander, als die Schuldgefühle wieder hochkamen. Er hatte nie töten wollen. Es war nie seine Absicht gewesen, die Menschen und Götter zu verletzen und zu vernichten. Seine Kräfte waren eine Schande für die Welt, verdammten ihn dazu, ein Leben im Exil und in der Einsamkeit zu führen.
Shumizu konnte die Wächterin deshalb nicht einfach töten. Er hatte schon zu lange niemanden mehr gehabt, mit dem er reden konnte. Selbst wenn sie einen abgrundtiefen Hass gegen ihn hegte, so war ihm das noch immer lieber, als allein in der ewigen, stillen Dunkelheit zu hocken. Und dann war da noch der eigene Schwur, nie wieder zu töten ...
»Wie lautet dein Name, Wächterin?« Shumizus Stimme war so leise, dass er befürchtete, der Wind habe sie davongetragen, denn die Frau vor ihm schwieg weiterhin. Doch nach einiger Zeit drehte sie sich zu ihm um und antwortete mit einem verächtlichen Schnauben. »Mein Name ist irrelevant für einen Yingzi wie dich.«
Ein schräges Lächeln formte sich auf Shumizus Lippen. Mit einer anderen Antwort hätte er sicherlich nicht gerechnet und doch hatte er insgeheim erhofft, wenigstens ihren Namen erfahren zu können. »Du kannst mich Shumizu nennen«, stellte der Yingzi sich stattdessen vor. Die Wächterin kicherte abschätzig und schüttelte den Kopf, als könnte sie nicht glauben, was er da soeben von sich gegeben hatte.
»Ein Yingzi mit einem Namen? Ihr seid doch alle gleich. Dämonen, Mörder, Abschaum der Hölle, die nicht in diese Welt gehören. Ihr seid unnatürliche Wesen, geschaffen, um das Gleichgewicht zu stören. Wofür braucht ihr also Namen?«
»Wenn ich wirklich ein Mörder sein sollte, wieso habe ich dich dann noch immer nicht getötet?«, konterte Shumizu mit einer Gegenfrage. Rubinrot traf auf Ozeanblau, als sich beide fest in die Augen schauten. Die Wächterin schien für einen Moment mit einer Antwort zu zögern. »Du brauchst meinen Drachen. Und wenn du mich umbringst, dann wäre mein Drache auch tot. Deswegen bin ich noch am Leben.«
Zugegeben, die Antwort war plausibel. Baohus waren ebenfalls Götter, jedoch vom Rang her am niedrigsten eingestuft. Die Drachen waren Vasallen der Hohen Göttern, deren Aufgabe es war, den Menschen mit Leib und Seele zu dienen und sie zu beschützen. Starb der Wächter, so starb auch der Baohu. Der Baohu selbst war jedoch bis zum Tod seines Reiters unsterblich.
»Ich verstehe es nicht ... Wieso ist Zhongxi in deiner Gegenwart so ruhig und zahm? Sonst tötet er Yingzis allein schon, wenn er nur den Geruch von ihnen wahrnimmt«, murmelte die Wächterin mehr zu sich selbst. Auf diese Frage ging Shumizu nicht ein. Es wäre besser, wenn sie nicht von seiner wahren Identität erfuhr.
»Zhongxi heißt er also? Dein Baohu hat einen schönen Namen.« Die Wächterin lief auffällig rot an, als hätte sie gerade ein Geheimnis ausgeplaudert. Schnell drehte sie ihren Kopf von Shumizu weg.
»Wohin fliegen wir überhaupt?«, versuchte sie abzulenken und das war für den Yingzi in Ordnung. Wenigstens kamen sie nun langsam in ein Gespräch.
Wenn Shumizu nur ehrlich sein sollte, hatte er selbst nicht die geringste Ahnung, wohin er überhaupt gehen musste. Da war nur das Schicksal, dem er sich fügen musste, um dem Land wieder Frieden bringen zu können und dieses würde er auf dieser Insel finden. Er überlegte eine Weile, versuchte die Landschaft unter ihnen zu erkennen, doch es waren nur Wälder zu sehen. In weiter Ferne ragten Berge empor, östlich der Insel konnte Shumizu schließlich den Feuerspucker erkennen - ein schlafender Vulkan, der einst von der Feuergöttin erschaffen wurde. Vielleicht würde er dort mehr Antworten zu seinen Fragen finden. »Wir fliegen zum Feuerspucker«, antwortete Shumizu.
Der Yingzi richtete den Blick wieder auf die Wächterin, die ihn erwartungsvoll anstarrte. Sie hatte sich anscheinend wieder umgedreht. Trotz der krampfhaft zusammengezogenen Augenbrauen, waren ihre Gesichtszüge sanft und weich. Schwarze, lange Strähnen umrahmten ihr schmales Gesicht, das Haar selbst war zu einem Zopf gebunden. Nur die rubinroten Augen blitzten gefährlich, zeigten die wahre Natur der Wächterin. Sie war eine gnadenlose Jägerin durch und durch und auch wenn er ihr überlegen war; Shumizu war bewusst, dass man sie nicht unterschätzen durfte.
Die Wächterin schien zu merken, wie sie vom Yingzi gemustert wurde und auch wie sie selbst den Yingzi angestarrt hatte. Schnell drehte sie sich wieder nach vorne und sorgte für einen schweigsamen Flug. Nur noch ein letztes Mal durchbrach sie das Pfeifen des Windes.