Nach dem gelungenen Abendessen mit Toms Freund und Kollegen Benedict hatte Jenny den Vorfall im Supermarkt schon beinahe wieder vergessen und hatte auch nicht mehr großartig darüber nachgedacht. Erst als sie sich am nächsten Tag in der Probenpause mit Tom im Lion's Den traf, um Natalie Akeela vorbeizubringen sah sie sich wieder damit konfrontiert. Bisher hatte sie Natalie noch nichts davon erzählt, was genau passiert war, ihr war jedoch klar, dass sie jetzt nicht mehr darum herumkam. Sie hatte ihre Schwester vorerst im Dunkeln gelassen, damit Natalie sich keine Vorwürfe machte, weil sie nicht da gewesen war, um Akeela zu verteidigen. Außerdem hatte Jenny, wenn sie ehrlich zu sich selbst war auch keine besondere Lust gehabt mit ihrer Schwester alles was vorgefallen war noch einmal durchzukauen. Jenny hatte für Akeela getan was sie konnte. Die Situation war am Ende für Akeela gut ausgegangen und bis auf einen Schrecken und die Wunde an der Ferse war ihr nichts weiter passiert. Jenny hoffte inständig, dass die Tatsache, dass viele der Zaungäste und auch die Angestellten des Supermarktes auf ihrer Seite gestanden hatten, dazu führte, dass Akeela sich nicht diskriminiert fühlte. Und dennoch, sie wollte ihre Schwester auch nicht anlügen, als sie fragte, ob alles in Ordnung gewesen war. Dementsprechend erzählte sie auch ihrer Schwester alles was vorgefallen war. Natürlich wollte Natalie so viele Details wie möglich haben und Jenny versuchte ihr alles genau zu berichten. "Es ist nicht zu fassen. Sie fährt Keele um, und dann ist es auch noch das Kind schuld!", rief Natalie wütend aus und ließ ihre Hand auf den Tisch sausen. Das hörte auch Tandele, der hinten in der Küche gerade eine neue Fuhre Gebäck in den Backofen gesteckt hatte und er kam überrascht dazu. Auch er war deutlich erbost über das, was passiert war und es war schön zu sehen, dass er in den vergangenen Jahren für Akeela einen solchen Beschützerinstinkt entwickelt hatte. Es stand für Jenny außer Frage, dass es besser gewesen war, dass sie bei Akeela gewesen war, als das ganze passiert war, denn wenn sie ihre Schwester und Tandele so sah, dann hätte wahrscheinlich nicht nur die rassistische alte Frau aus dem Laden verwiesen werden müssen. "Ich hatte gehofft, dass sich die Einstellung der Leute nach der 'Black lives matter'-Bewegung deutlich geändert hat.", seufzte Tom resignierend. Es war für ihn das erste Mal, dass er hautnah miterlebte, wie jemand der ihm nahestand Opfer von Rassismus wurde und Jenny konnte ihm deutlich ansehen, wie sehr ihn das aufwühlte. Wahrscheinlich auch, weil er langsam verstand, dass auch seine Kinder dem ausgesetzt werden würden, wenn er nicht dabei war. "Das hat sie.", lenkte Tandele ein. "Aber nur weil man darauf aufmerksam gemacht hat, bedeutet das nicht, dass sich in den Köpfen etwas tut. Es wird immer Leute geben, die es sich einfach machen und für ihre eigenen Versäumnisse und Mängel andere vorschieben. Und vor allem in den Köpfen der alten ist dafür immer noch der "schwarze Mann" gut." Jenny konnte ihm da nur zustimmen. Wenn sie zu Schulzeiten eine bessere Leistung als andere erbracht hatte, dann war das auch nie gewesen, weil sie einfach besser gelernt hatte oder schlauer war, sondern weil der Lehrer sie bevorzugte, zumindest in den Augen derer die von ihren Eltern gefragt wurden, warum sie nicht genauso gute Noten schrieben. Sie hatte sich auch in den vergangenen Jahren öfter anhören müssen, dass sie beim Musical nur so weit gekommen war, weil sie nun einmal Afrikanische Wurzeln hatte und das Produktionsteam solche Leute generell bevorzugte. "Egal was ist, wir müssen immer härter und korrekter Arbeiten als alle anderen, um Leuten wie dieser Frau zu beweisen, dass wir das was wir tun, das was wir sind, wirklich verdient haben.", erklärte Jenny. Doch Tom wollte das nicht einfach so stehen lassen. Jenny sah ihm deutlich an, dass es in seinem Kopf brodelte, dass er seitdem er von dem Vorfall erfahren hatte, überlegte, wie er diese Ungerechtigkeit bekämpfen konnte, sodass seine Kinder in einer etwas besseren Welt aufwachsen würden.
Die nächsten zwei Tage verbrachte er größten Teils damit, sich über die verschiedensten Organisationen und Vereine zu informieren, die in Großbritannien mit dem Kampf gegen Rassismus zu tun hatten. Er suchte nach einer Organisation die nicht nur den Opfern solcher Angriffe half, sondern die vor allem sich damit beschäftigte Rassismus bereits im Keim zu ersticken. Er wollte dabei helfen, dass Kinder erst gar nicht auf die Idee kamen, dass ihre Mitschüler anders waren, nur weil sie eine andere Hautfarbe, Religion oder ein anderes Geschlecht hatten. Leider, und darüber regte sich Tom beinahe genauso auf wie über die Tatsache, dass es Organisationen brauchte, die dafür sorgte, dass das Staatsorgan seine Macht gegenüber Minderheiten nicht ausnutzte, gab es genug Organisationen die größtenteils nur auf die Spendengelder aus waren und nicht wirklich etwas dafür taten das Problem zu beseitigen. Daher erstellte Tom eine Liste mit Organisationen, die für ihn in Frage kamen und lies sie dann von seinem PR-Team checken. Donnerstagabends als Jenny gerade von der Abendvorstellung des Musicals zurückkam klingelte dann Tom's Telefon. Als sie dann hörte, dass es wohl Luke war mit dem Tom telefonierte nahm sie an, dass es um eine der Organisationen ging, die Tom aufgeschrieben hatte. Doch dafür wandelte Toms Blick sich nicht auf die erwartete Weise. Es wurde seltsam steif und die Sorgenfalten auf seiner Stirn waren deutlich sichtbar, während er nach oben ins Büro ging. Eine Weile hörte sie nichts, da er anscheinend die Tür geschlossen hatte und sie wollte ihn nicht stören, aber dann kam er wieder zu ihr nach unten, seinen Laptop in der Hand. "Ich denke, das solltest du dir ansehen.", sagte Tom zu ihr. Es war wieder einer der Momente, in denen sie deutlich sehen konnte, dass Tom unheimlich wütend war. Selbst wenn sie nichts getan hatte, um ihn wütend zu machen konnte sie nicht vollkommen ausschließen, dass er auf sie wütend war, deswegen ging sie nur sehr zögerlich zu dem auf dem Küchenthresen abgestellten Laptop. Twitter war geöffnet und in der Mitte des Bildschirmes war das Standbild eines Videos zu sehen. Um was es sich hier handelte war unschwer zu erkennen. Es war ein Video der alten, zeternden Dame im Sainsbury. Anscheinend hatte tatsächlich jemand der vor Ort ein Video gemacht hatte dieses ins Internet hochgeladen und wenn Jenny das auf den ersten Blick richtig beurteilen konnte, ging das Video mit dem Titel "Karen bedrängt verletztes Mädchen und schwangere Frau" gerade Viral. Jenny spürte förmlich, wie ihr das Herz in die Hose rutschte. Nicht nur, weil dieses Video schon tausende Menschen gesehen hatten und es sie wieder an dieses unangenehme Aufeinandertreffen erinnerte, sondern auch, weil man deutlich hatte sehen können, dass sie schwanger war. Es war wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis man im Internet herausfand, dass es sich bei der Schwangeren um die neue Frau an der Seite des beliebten Schauspielers Tom Hiddleston handelte. Selbst wenn sie Personen auf so einem Video gänzlich unbekannt waren, fanden irgendwelche Sender immer heraus wer sie waren und baten sie um Interviews. "Ja, das war auch Lukes Argument.", stellte Tom missmutig fest. "Argument wofür?". Fragte Jenny und alleine an Toms Reaktion sah sie, dass sie das, was folgte nicht mögen würde. "Wir sollen in die Offensive gehen. Ganz offen Kundtun, dass du das warst. Diese Sache für uns nutzen." Jenny konnte nicht anders als ungläubig ihren Kopf zu schütteln. Es war deutlich, dass Tom genauso viel davon hielt wie sie selbst, aber sie wusste auch, dass er Luke und dessen Urteilsvermögen vertraute. "Ein hat mir Red Card empfohlen, als Organisation gegen Rassismus und ein persönlicher Erfahrungsbericht würde der Organisation sicherlich enorm helfen." Luke war anscheinend der Meinung Tom und Jenny sollten das ein oder andere Interview geben. Jenny als die Betroffene aus dem Video und Tom als ihr Partner, der verständlicherweise schwer erschüttert von dem war was seiner Partnerin widerfahren war. "Keiner von uns soll lügen oder irgendetwas ausschmücken.", versicherte Tom ihr als Jenny ihre Bedenken äußerte, dass im Fernsehen oft viele Dinge unheimlich aufgebauscht wurden. "Außerdem mag ich es nicht so im Mittelpunkt zu stehen. Das weißt du.", sagte sie als immer mehr ihrer Einwände selbst für sie nicht mehr genug erschienen. "Ja, das weiß ich und ich würde es am liebsten auch nicht tun, aber Luke hat recht. Wir sollten lieber ein paar geführte Interviews in Betracht ziehen als darauf zu warten, dass die Medien uns wieder mitten auf der Straße auflauern." Leider konnte Jenny ihm das nicht ganz absprechen und auch der Nutzen konnte für eine Bewegung gegen Rassismus wirklich groß sein. Konnte sie daher ihre eigenen Bedürfnisse und Ängste einfach in den Vordergrund stellen? Konnte sie einfach die Hilfe, die sie anderen damit vielleicht geben konnte, einfach verweigern? Sie musste an ihre Kinder denken. Auch die beiden würden wahrscheinlich irgendwann einmal mit Rassismus konfrontiert werden und wenn sie jetzt durch ein Interview dazu beitragen konnte die Welt, in der ihre Kinder aufwachsen würden ein bisschen toleranter zu machen, dann war es egoistisch es nicht auch zu tun. "Also gut, ein oder zwei Interviews, mehr nicht." sagte sie zögerlich und mit einem tiefen seufzen. "Glaub mir, mir gefällt das genauso wenig wie dir.", stimmte er ihr zu. Dann rief er Luke nochmals an, anscheinend hatte er seinem PR-Sprecher tatsächlich gesagt er solle die Füße stillhalten und auf Jennys Antwort warten. Es freute sie, dass er ihr die Entscheidung hatte überlassen wollen.
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When words fail, music speaks
FanfictionJennifer Jones, Musical Supersvisor bei einem der beliebtesten Musicals in London, war darauf gefasst, dass ihr neuer Nebenjob bei einer ITV Produktion anstrengend und spannend werden würde. Sie hatte jedoch sicherlich nicht damit gerechnet, dass si...