Positionswechsel

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Anthony Norman Jones war noch keine fünf Minuten alt, wurde aber schon mit aller Liebe seiner Eltern überschüttet, die er bekommen konnte. Jenny konnte ihren Blick nicht mehr von ihrem kleinen Sohn wenden, der immer noch mit Schmiere und leichtem Blut bedeckt auf ihrer nackten Brust lag während sie ihn leicht an sich drückte. Tom, der gerade unter Anleitung der beiden Hebammen die Nabelschnur durchschnitten hatte strich vorsichtig über das kleine Ärmchen seines Sohnes und konnte nur immer wieder wiederholen wie sehr er ihn und Jenny liebte. Doch es war die Ruhe vor dem Sturm einem Sturm, von dem alle wussten, dass er noch kommen würde, und dieser Sturm hieß Lizzy. Denn Tonys Schwester würde nun nicht mehr lange auf sich warten lassen. "Ich hab Angst, Tom.", sagte Jenny leise, als sie merkte wie die Wehen langsam wieder begannen. Tom sah seine Verlobte an und konnte ihre Angst nachvollziehen. Sie hatten gerade gemeinsam die Geburt ihres Sohnes durchgemacht und Tom hatte gesehen wie körperlich zehrend die Geburt gewesen war und wie sehr diese auch in ihrer beider Nerven gezerrt hatte. Nun zu wissen, dass sie das alles direkt noch einmal würden durchmachen müssen, war nicht einfach. Doch Tom wusste auch, dass er nun nicht einknicken durfte. Er musste weiterhin der Fels in Jennys Brandung sein, ein fester, stabiler Punkt, an dem sie sich festhalten konnte, während die Wellen sie zu überspülen drohten. "Kannst du ihn halten, Tom?", fragte Jenny Tom und wollte ihm schon Tony in den Arm geben als Debora sie aufhielt. Es lag nicht daran, dass sie nicht wollte, dass Tom seinen Sohn hielt, sondern eher daran, dass Deborah wusste, dass Jennys Kontakt mit Tony den Ausstoß von mehr Oxytocin auslöste und dieses Hormon war ein natürlicher Wehenförderer.

"Was ist los?" fragte Tom nach einigen ersten Wehen, als er merkte, dass Mara und Deborah sich einen Moment vielsagend ansahen. "Ich muss Jenny kurz untersuchen. Lizzy hat im Moment ein paar Probleme während den Wehen und ich muss herausfinden, woran das liegt.", erklärte Deborah. Jenny hatte es nicht mehr in ihren Tranceähnlichen Zustand von zuvor geschafft und bekam daher mit, dass etwas nicht stimmte und sie wurde umgehend unruhig. "Was ist mit Lizzy?"

"Keine Bange, es ist nichts schlimmes.", versicherte Deborah ihr und öffnete dann Jennys Kleid noch etwas mehr, damit die gut an ihren Bauch kam. Mit etwas Gel strich die etwas fester darüber und sah dann Mara kurz an. "Mara, ich möchte, dass du raus gehst und Helen von drüben herholst.", sagte Deborah ruhig, dann wandt sie sich an die immer unruhiger werdende Jenny. "Jenny, Lizzy hat sich anscheinend etwas zu sehr über den Platz gefreut, den ihr Bruder ihr nun gelassen hat und hat sich doch noch einmal umgedreht. Ihr Kopf ist jetzt wieder oben."

Jenny fühlte sich, als hatte man ihr plötzlich den Boden unter den Füßen weggerissen. Sie wollte keinen Kaiserschnitt, aber sie wollte auch keinesfalls ihre Tochter in Steißlage zur Welt bringen. Sie hatte zu viele Videos darüber gesehen wie diese Kinder förmlich aus der Mutter geschält wurden und das wollte sie nun wirklich vermeiden. Sie sah Tom besorgt an. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte sich mit dem Gedanken über die zweite Geburt hinweggeholfen, dass die Zweite sicherlich leichter werden würde, da ja Tony Lizzy schon den Weg geebnet hatte, aber anscheinend wollte Lizzy einen Dramatischen Auftritt haben. "Ich habe Mara geschickt, um eine meiner Kolleginnen zu holen, Jenny. Helen hat schon mehrere Babys in Steißlage umdrehen können und wenn wir Glück haben, schafft sie es auch bei Lizzy, aber das bedeutet, dass du erst einmal nicht pressen darfst, egal was passiert. Sobald Lizzy einmal im Kanal ist, muss sie entweder in Steißlage zur Welt kommen, oder aber wir müssen einen Notkaiserschnitt machen und das wollen wir doch alle gerne verhindern.", erklärte Deborah und Jenny merkte gar nicht richtig, wie ihr verzweifelte Tränen die Wangen hinunter kullerten. Sie hatte Angst, unglaubliche Angst. "Tom was sollen wir tun?", fragte Jenny ihren Partner verzweifelt doch auch er schien gerade wie von einem Zug überfahren. Gerade eben noch war er über alle Maßen glücklich gewesen und nun war da Sorge und Angst. "Wir können die Drehung versuchen, aber wir können einen Notkaiserschnitt nicht ausschließen.", sagte Deborah ruhig zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter, als sie merkte, dass seine Atmung deutlich unruhiger wurde. "Jenny, vielleicht reichst du doch Tony doch kurz Tom. Während wir versuchen Lizzy zu drehen, brauchen wir viel Platz." Doch der Platz war nicht das Einzige, was Deborah damit bezwecken wollte. Sie wollte, dass auch Tom durch den Haut zu Haut Kontakt mit seinen neugeborenen Sohn ruhiger wurde, sich wieder fokussieren konnte und genau wie Jenny seine letzten Kraftreserven zusammensammeln konnte um Jenny dann wieder unterstützen zu können, in welcher Form auch immer. Als Mara dann mit einer älteren Hebamme mit in einem Dutt zusammengebundenen grauen Haaren zurück in das Zimmer kam bat Deborah Tom sein Oberteil auszuziehen und legte ihm Tony in den Arm mit der Bitte sich mit dem kleinen Jungen etwas zurückzulehnen und ihn zu halten, während sich die drei Hebammen nun darum kümmern würden, dass Lizzy auf natürliche Weise auf den Weg machen konnte.

When words fail, music speaksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt