Je näher sie und Tom dann dem Restaurant kamen, das Tom für das Treffen mit seinen Schwestern reserviert hatte, desto mehr merkte Jenny wieder dieses unangenehme Gefühl der Nervosität in sich aufkeimen welches sie den Rest des Tages ohne Probleme hatte unterdrücken können. Kurz bevor die beiden das Restaurant betraten, hielt Tom sie einen Moment an und packte sie sanft an beiden Armen, um ihren Blick auf sich zu fokussieren. Jenny atmete tief durch und sah ihm direkt in seine stahlblauen Augen. „Bereit?", fragte er sie dann und sie bestätigte seine Frage mit demselben Wort, einem entschiedenen Kopfnicken und griff nach seiner Hand und die beiden traten durch die Tür. Für Jenny fühlte es sich beinahe so an als würde sie geradewegs in ihr Verderben laufen, auch wenn es sicherlich nicht so war. Als der Kellner sie und Tom zu ihrem Tisch brachte war Jenny beinahe erleichtert, dass sie noch die ersten zu sein schienen. Es gab Jenny die Möglichkeit sich an die Umgebung zu gewöhnen. Ganz der Gentleman, nahm Tom ihr ihren Wintermantel ab und schob ihr den Stuhl heran, während sie sich an den Tisch setzte. Der Kellner hatte gerade ihre Getränke, ein Wasser und einen Wein gebracht, da wurde sie auch schon von einer lauten Stimme aufgeschreckt: „Onkel Tommy!", Bevor Jenny sehen konnte woher, merkte sie schon wie jemand an ihr vorbei rannte und sich zwei zierliche Arme um ihren Freund schlossen. „Hey meine kleine Motte, wie war es in der Schule?", fragte Tom mit einem lauten Lachen und Jenny schloss daraus, dass es sich bei dem kleinen aufgeweckten Mädchen wohl um seine Nichte Patty handeln musste. Tom stand von seinem Stuhl auf und nahm seine Nichte direkt auf den Arm als wäre sie noch ein kleines Kind und sie lachte lauthals. Dann kamen auch schon ihre Eltern. Jenny erkannte Toms Schwester Sarah von einigen Fotos die Tom ihr gezeigt hatte und stand ebenfalls auf, um sie und ihren Mann zu begrüßen. Während Sarah noch etwas verhalten blieb und Jenny einfach nur die Hand schüttelte, umarmte sie ihr Mann Yakov freundlich. „Und ich bin Jack, der andere Schwager.", stellte sich dann ein weiterer Mann vor. Die beiden Männer hätten unterschiedlicher nicht sein können. Yavok war ein hochgewachsener, dunkelhäutiger Mann, dem man seine indischen Wurzeln deutlich ansehen konnte, auch wenn sie nicht zu dominant waren. Jack war nicht viel kleiner als Yakov und Tom, hatte aber die für einen Engländer beinahe charakteristische feuerrote Haarpracht und Jenny hätte es nicht gewundert, wenn sein Nachname Weasley gewesen wäre. Dann sah Jenny auch die zweite blonde Frau, sie gerade Sarah begrüßte und an der Ähnlichkeit der beiden Frauen erkannte sie, dass es sich bei ihr wohl um Emma, Toms jüngste Schwester handeln musste. „Hi, du musst Emma sein. Ich bin Jenny, nett dich kennenzulernen.", sagte Jenny zu der jüngsten der drei Geschwister und wusste nicht so genau, ob sie ihr eine Hand geben sollte, oder wie sie sie begrüßen sollte. Emma schien, wie Tom bereits angekündigt hatte, die ganze Sache jedoch etwas lockerer zu sehen als Sarah und öffnete ihre Arme für eine kurze Umarmung.
Nachdem sich dann alle vorgestellt hatten und der Kellner allen Neuankömmlingen ihr erstes Getränk gebracht hatte, war es einen Moment still, beinahe so als würden alle genau ausloten wollen, wie die anderen reagieren würden, wenn die ersten Fragen gestellt werden würden. „Bist du Onkel Tommys neue Freundin?", brach dann Patty die Stille, die sie sicherlich noch nicht verstehen konnte. Jenny wandte sich bewusst zu dem jungen Mädchen um und beugte sich leicht nach unten, um mit ihr auf einer Augenhöhe zu sein. „Ja, das bin ich.", bestätigte Jenny, doch sie sah, dass da noch mehr Fragen in dem kleinen Kopf steckten die unbedingt nach draußen wollten. „Stimmt es, dass du beim Musical arbeitest?" Jenny nickte mit einem breiten Lächeln. Sie war dankbar dafür, dass das Mädchen die erste war, die ihr die Fragen stellte, sie war ein Kind und da Kinder meistens noch vollkommen unvoreingenommen in eine solche Situation gingen, fiel es Jenny bei Patty am einfachsten einfach sie selbst zu sein. „Ja, das stimmt. Ich helfe den Darstellern, dass sie sich nicht versingen und dass ihre Stimmen bei der ständigen Beanspruchung keinen Schaden nehmen.", erklärte Jenny und sah natürlich auch, wie die anderen dem Gespräch interessiert lauschten. „Weißt du, deine Stimmbänder" sie zeigte mit ihrer Hand an ihrem Hals, wo ihre eigenen Stimmbänder saßen „sind ganz empfindliche Gewebestruckturen die an der Stimmmuskulatur, den Stimmlippen sitzen. Bei jedem Ton, den wir machen öffnen und schließen sie sich, oder reiben mal mehr, mal weniger aneinander." Demonstrativ legte Jenny ihre beiden Handflächen gegeneinander und amte die Bewegungen der Stimmbänder mit ihren Händen nach. „Wenn man zu viel reibt, überanstrengt man die Stimmbänder und Stimmlippen und sie werden wund, dann wird man heiser. Oder, wenn man sich dann nicht schont, bilden sich kleine Knötchen und die Stimmbänder können nicht mehr richtig miteinander arbeiten und man kann manche Töne nicht mehr singen." Jenny merkte natürlich, dass nicht nur Tom erstaunt beobachtete, wie Jenny es schaffte dem kleinen Mädchen zu erklären, was sie wissen wollte. „Wenn man seine Stimme davor schützen will, aber sie dennoch mehrmals am Tag strapazieren muss, dann braucht man präzise Aufwärmübungen und Atemtechniken, um Verletzungen zu vermeiden." Patty sah sie verstehen an: „Das ist ja wie beim Sport. Man muss sich warmmachen, um sich nicht wehzutun." Jenny nickte erfreut. „Ich bin sozusagen der Sportlehrer für die Stimme." Das war anscheinend eine Erklärung die Patty reichte, auch wenn sie anscheinend noch etwas über das Gesagte nachdenken musste, denn nachdem ihre Frage beantwortet war, war sie einige Zeit wieder still. „Die kleine Patty will immer alles genau wissen." Liebevoll strich ihr Vater der kleinen über ihre dunklen Haare. „Du scheinst gut mit Kindern umgehen zu können.", merkte Yakov mit einem anerkennenden Lächeln an und legte seinen Arm dann um die Schultern seiner kleinen Tochter. Jenny erzählte ihm von Akeela und wie sie nach dem Tod des Vaters quasi das zweite Elternteil für ihre Nichte geworden war. „Außerdem habe ich, bevor ich hier nach London gekommen bin, in einer Musikschule mit vielen Kindern gearbeitet." Sie ließ absichtlich aus, dass sie selten mit den Kindern, aber dafür umso öfter Probleme mit den Eltern hatte. Natürlich blieb ihr der prüfende Blick von Toms Schwestern nicht unbemerkt und sie fragte sich, was wohl gerade in den Köpfen der beiden Frauen vorging.
DU LIEST GERADE
When words fail, music speaks
Hayran KurguJennifer Jones, Musical Supersvisor bei einem der beliebtesten Musicals in London, war darauf gefasst, dass ihr neuer Nebenjob bei einer ITV Produktion anstrengend und spannend werden würde. Sie hatte jedoch sicherlich nicht damit gerechnet, dass si...