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Die Freundschaftsbänder haben bei Lily wahre Wunder gewirkt, und seit einem Gespräch mit Alice ist sie wieder ganz die Alte. James lässt sie natürlich immer noch abblitzen, und ich bezweifle, dass irgendwer außerhalb von unserem Schlafsaal mitbekommen hat, dass irgendetwas los war, aber ihr Selbstbewusstsein ist wiederhergestellt.

Allerdings machen mir jetzt die Blicke ein wenig zu schaffen, die Remus Sirius heimlich zuwirft. An der Dynamik zwischen den vier Jungs hat sich seit Remus' Outing nichts geändert, aber ich habe das dumpfe Gefühl, dass bald wieder einer von ihnen einen Rat von mir haben will. Die Frage ist eher, wer der erste ist. Um nicht länger warten zu müssen, packe ich meine Bücher ein und erkläre laut: „Ich hab keine Lust mehr. Es ist eine viel zu schöne Nacht, als dass ich hier beim Aufsätze schreiben versauern würde". Mit diesen Worten stehe ich auf, nehme meinen Zauberstab, eine Feder und mein Notizbuch und verlasse den Gemeinschaftsraum. Die irritierten Blicke von den anderen Mädchen, allen voran Alice und Lily, ignoriere ich einfach, bei den Gesichtern der Rumtreiber, die sich allesamt hoffnungsvoll zu mir umdrehen, muss ich aber schmunzeln. Ich zwinkere den Vieren zu, bevor ich durch das Porträtloch verschwinde und mich vorsichtig auf den Weg zum Astronomieturm mache. Der ist zwar ein ganzes Stück weg und nach Sperrstunde vielleicht auch nicht die schlauste Lösung, aber wenn die Jungs schon so dringend mit mir reden wollen, können sie auch was dafür tun. Außerdem ist es dort ruhig, und falls niemand kommt, ist es ein gemütlicher Ort mit guter Aussicht, an dem ich meine Ruhe habe. Das findet man in Hogwarts ohnehin selten genug.

Allerdings höre ich schon zehn Minuten, nachdem ich es mir mit einer Decke gemütlich gemacht habe, Schritte die Treppe herauf kommen. Seufzend lege ich mein Notizbuch zur Seite und zaubere eine zweite Decke her, damit wer auch immer jetzt kommt, es sich gemütlich machen kann.

Schon kommt Sirius um die Ecke und einladend deute ich auf die zweite Decke. Während Sirius sich langsam hinsetzt, lege ich einen Muffliato über uns. Dann wende ich mich ihm zu und frage: „Also, was brennt dir auf der Seele?" Etwas überfordert sieht Sirius mich an. Dann platzt es aus ihm heraus: „Woher wusstest du, dass ich komme und mit dir reden will?" Ich zucke mit den Schultern. „Ich wusste es nicht. Aber ich hab schon seit ein paar Tagen das Gefühl, dass ein paar von den Rumtreibern dringend mit mir allein reden wollen, also dachte ich, ich gebe euch eine Möglichkeit. Ich habe vermutet, dass zumindest einer von euch vier auftaucht, und ich bin auch nicht überrascht, dass du es bist. Also, worum geht's?"

Sirius seufzt leise. Dann flüstert er heiser: „Ich weiß schon lange, dass ich schwul bin". Überrascht ziehe ich die Augenbrauen hoch, unterbreche ihn aber nicht. „Ich weiß sogar noch länger, dass meine Eltern das nicht akzeptieren. Ich hab versucht, meine Gefühle zu ignorieren. Ich dachte, ich halte deswegen nie lang eine Beziehung mit einem Mädchen aus, weil es nicht die richtige ist. Oder weil ich gegen meine Eltern rebellieren will, indem ich jede Woche eine Neue habe, was sie definitiv nicht gutheißen würden, vor allem, weil keine einzige von ihnen standesgemäß ist. Nicht das mich groß interessieren würde, was meine Eltern denken...", bricht er langsam ab. Nach einer kurzen Stille sage ich leise: „Aber eigentlich tut es das doch, nicht wahr?" Genauso leise antwortet Sirius: „Ja". Ich nicke, und als Sirius keine Anstalten macht, noch etwas zu sagen, übernehme ich das Reden. „Sie haben dich erzogen, du bist elf Jahre nur unter ihrem Einfluss gestanden. Eigentlich sogar bis kurz vor deinem zwölften Geburtstag. Das sind zwei Drittel deines ganzen Lebens. Es ist ein Wunder, dass du überhaupt in Gryffindor gelandet bist, dass du so tolerant bist. Es ist nur logisch, dass du ihre Erziehung noch nicht ganz überwunden hast. Geh es langsam an. Irgendwann wirst du sie ganz los". Etwas aufgemuntert nickt Sirius, dann meint er: „Es ist schon komisch. Ich rede mir zwar ein, dass es mir egal ist, was meine Eltern denken, aber genau genommen will ich vor allem jetzt, wo ich nicht mehr bei ihnen wohne, dass sie mich als Enttäuschung sehen. Ich glaube, je mehr sie enttäuscht von mir sind, um so mehr hab ich in meinem Leben richtig gemacht, oder nicht? Und trotzdem schaffe ich es nicht einmal, mir selbst gegenüber zuzugeben, dass ich schwul bin. Dabei wäre das doch die ultimative Enttäuschung für sie". Zum Ende hin grinst Sirius gequält. „In dem Fall habe ich gute Neuigkeiten für dich", muss ich jetzt ebenfalls grinsen, „Du hast in diesem Gespräch nicht nur dir selbst sondern auch mir gegenüber gleich zweimal zugegeben, dass du schwul bist. Also hast du diese Hürde scheinbar überwunden. Jetzt musst du nur noch aufhören, mit Mädchen auszugehen, damit du den richtigen finden kannst!" Sirius' Grinsen wird fröhlich und er springt auf. „Danke!", ruft er die Treppe hinunterlaufend. „Na das war ja ein schneller Abgang", murmle ich zu mir selbst, während ich mein Notizbuch wieder hervorhole. 

Wölfe wie wirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt