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Im Freien angekommen husche ich schnell in den Wald. Da ich noch ein wenig Zeit habe, bis der Mond aufgeht, erkunde ich zuerst die Umgebung. Nach etwas mehr als einer Stunde mache ich mich auf den Weg zum Waldrand. Versteckt beobachte ich den Eingang zum Schloss und warte darauf, dass jemand kommt.

Ich muss nicht lange warten, bis das Tor aufgeht und zwei Personen herauskommen. Sie sind nicht gut zu sehen, aber ich vermute, dass einer davon Remus ist. Als die beiden näherkommen, bestätigt sich diese Annahme. Remus wird von Madam Pomfrey begleitet, die offensichtlich auch eingeweiht sind. Zusammen gehen sie zur peitschenden Weide, wo Madam Pomfrey einen Zauber wirkt. Auf die Entfernung kann ich leider nicht erkennen, was genau sie tut, aber der Baum erstarrt plötzlich. Dann verschwinden die zwei zwischen den Wurzeln, wenig später taucht Madam Pomfrey allein wieder auf.

Erst als sie ihm Schloss ist, nähere ich mich langsam der peitschenden Weide, die sich jetzt wieder im Wind wiegt und nach vorbeifliegenden Vögeln schlägt. In dem Moment, in dem ich die Deckung des Waldes verlassen will, taucht vor der Weide eine Gestalt wie aus dem nichts auf. Ein großer schwarzer Hund. Plötzlich steht die Weide wieder still und der Hund verschwindet wie zuvor Remus und Madam Pomfrey zwischen den Wurzeln. Eine Weile warte ich noch, aber dann laufe ich zum Baum und klettere ebenfalls in das Loch. Unten angekommen stehe ich in einem dunklen Gang, dem ich folge. Am Ende gelange ich in ein kleines Haus, in dem ich mehrere Stimmen höre. Leider wird sehr leise gesprochen, dadurch kann ich nichts verstehen – und das trotz meiner Wolfsohren. Geräuschlos nähere ich mich der Tür, hinter der ich Remus vermute, als mich ein Schrei innehalten lässt.

Von meinem Instinkt geleitet stürme ich in den Raum und stehe vor Remus, der gerade dabei ist, sich zu verwandeln. Er wehrt sich zwar dagegen, kann aber nichts tun, und das bereitet ihm noch mehr Schmerzen. Ohne viel nachzudenken, strecke ich meine Gedanken aus und versuche, in Remus Kopf zu kommen.

Plötzlich werde ich umgeworfen. Konzentriert wie ich war, ist mir nicht aufgefallen, dass Remus nicht allein in dem Raum war. Nun ragt ein großer Hirsch mit riesigem Geweih bedrohlich über mir auf. Hinter ihm sehe ich den schwarzen Hund, dem ich in den Gang gefolgt bin.

Langsam stehe ich auf und zeige meine ganze Größe. Die beiden Tiere lassen sich davon nicht beeindrucken, aber mein Blick gilt dem Werwolf. Während ich abgelenkt war, hat Remus sich verwandelt. Nun sehe ich ihm in die gelben Augen und warte auf seine Reaktion. Nach einer gefühlten Ewigkeit verneigt er sich vor mir und unterwirft sich somit. Jetzt weichen auch Hirsch und Hund zurück, wenn auch etwas zögerlich.

Ich verstehe, dass sie mir nicht vertrauen, und wahrscheinlich haben sie auch ein wenig Angst. Schließlich sehe ich aus wie ein Werwolf, auch wenn ich keiner bin. Dazu bin ich noch um einiges größer als gewöhnliche Werwölfe. Aber ein wenig überrascht bin ich schon. Jedes normale Tier würde anders reagieren. Es ist zwar durchaus möglich, dass Wildtiere sich mit einem Werwolf anfreunden und ihm Gesellschaft leisten, aber wenn ein fremder Wolf dazukommt, würden sie diesen sicher nicht angreifen. Es sind also entweder magische Tiere oder keine Tiere. Nachdem Remus der Werwolf ist, gehe ich davon aus, dass seine Freunde ihm Beistand leisten. Anscheinend haben sie es tatsächlich geschafft, Animagi zu werden. Pettigrew ist in der Schule nicht ganz so gut wie die anderen drei, also vielleicht hat seine Verwandlung nicht geklappt. Oder er ist auch hier und ich habe ihn nur noch nicht entdeckt.

Aber darüber kann ich morgen genauer nachdenken. Jetzt ist es erstmal wichtig, Remus zu helfen. Erneut versuche ich, ihn telepathisch zu erreichen. Ich komme in seinen Kopf, kann aber nur sehen, was er gerade sieht. Versteckt hinter starken Okklumentikschilden vermute ich seine Erinnerungen und Gedanken. Diese brauche ich zwar nicht, aber um einen anderen Werwolf kontrollieren zu können, muss ich in sein Innerstes vordringen. Ich hoffe, dass das bei Remus nicht notwendig ist, denn dafür möchte ich mir seine Erlaubnis holen. Aber auch, wenn ich ihn nur beruhigen will, muss ich in seinen Kopf. Also klopfe ich leicht an sein Schutzschild. Wie erwartet lässt Remus es bestehen, aber es ist nicht sonderlich schwer für mich, das Schild zu durchbrechen. Ich wollte ihn nur vorwarnen.

Als ich spüre, dass ich Remus erreicht habe, schicke ich ihm beruhigende Gedanken. Eigentlich sind es keine Gedanken, ich gebe eher ein Gefühl weiter. Schließlich sinkt der Werwolf vor mir zu Boden und schließt die Augen. Zufrieden rolle ich mich neben ihm ein und lausche seinen gleichmäßigen Atemzügen. 

Wölfe wie wirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt