Dyan's Sicht
Tessa war ein kleines, hinterhältiges, gewitztes, undurchschaubares, aber durch und durch heißes Biest!
Mich einfach eiskalt stehen zu lassen, nachdem sie mich so um ihren Finger gewickelt hatte!
Trotzdem konnte ich nicht anders, als zu grinsen, wann immer ich auch an die Situation zurück dachte. Immerhin war es genau diese Standfestigkeit an ihr, die mich sie einfach nicht aus meinem Kopf schlagen lies. Vorhin waren mir meine Nudeln dreimal überkocht, nur weil ich wie ein Idiot in der Gegend herum gestarrt hatte und erneut auf dem Schulgang gestanden hatte, ihre Hände auf meiner Brust...
Schnell schüttelte ich den Kopf. Ich sollte lieber nicht so viel tagträumen, sonst würde ich wahrscheinlich noch das Haus abfackeln.
Erschöpft lies ich den Kopf nach hinten fallen. Seit einer guten halben Stunde schon lag ich wie ein Halbtoter auf dem Sofa in meinem Zimmer und tippte an meinem Handy selbst an zweisilbigen Antworten mindestens eine Minute. Cole hatte bereits gefragt, ob ich ein Mädchen auf meinem Schoss sitzen hätte und nur nebenher ihm antworten würde, während Seth eher glaubte, mir wäre mein einer Daumen amputiert worden und der andere stecke in einem dicken, fetten Verband, weshalb ich mich ständig vertippte.
Die Wahrheit, dass ich mich einfach nicht auf sie konzentrieren konnte, hatte ich mal lieber für mich behalten, vor allem da die Jungs mich generell schon mit diesem komischen Blick versahen, seitdem sie mich neben einer neuen Delle in der Spintwand gefunden hatten. Meine wortkargen, geknurrten Antworten hatten auch nicht wirklich dabei geholfen, sie davon zu überzeugen, dass alles ganz normal war.
Mal ganz davon abgesehen, dass wahrscheinlich eh jeder einzelne von ihnen drei verschiedene Theorien hatte, was los war und mindestens die Hälfte von ihnen etwas mit Tessa zu tun hatten.
Die sollten sich wirklich mal mehr mit ihrem eigenen Privatleben beschäftigen und meins in ruhe lassen.
Nein okay, das war nicht ernst gemeint. Genau das machte immerhin Freundschaft aus. Obwohl es manchmal schon recht unangenehm war, das Gefühl zu haben, Teil eines Kollektivgehirns zu sein. Vor allem wenn ein anderer Teil den Rat 'Knall sie einfach', als Wunderheilmittel ansah.
"Dyan!", schrie plötzlich Ciara von unten und riss mich damit aus meinen Gedanken. Seufzend schwang ich meine Füße von der Couch runter, da ich schon ahnte, dass sich meine Schwester wohl kaum zu mir hoch bequemen würde. "Ja?!"
"Kommst du mit ins Dinnertime? Ich fahr jetzt nämlich los!"
Auf einmal fiel es mir gar nicht mehr so schwer mich zu bewegen und mit drei Handgriffen sammelte ich meine Sachen zusammen, während ich Ciara zurief, dass ich gleich da war.
Beim Arbeiten würde Tessa mir kaum ausweichen können und ich hatte beschlossen, mir das zu holen, was sie mir vorhin vorenthalten hatte.
Ein schiefes Grinsen verzog meine Lippen. So leicht mache ich es dir nicht, Anderson.
Immer zwei Stufen auf einmal nehmend rumpelte ich ins Erdgeschoss runter und lief ins Wohnzimmer, nachdem ich Ciara nicht in der Eingangshalle vorfand.
Tatsächlich saß sie, die Füße gemütlich hochgezogen, neben meiner Mutter auf einem der Sofas und schaute sich mit ihr irgendwelche Bilder an.
Verwirrt baute ich mich vor den beiden auf.
"Wolltest du nicht los?"
Überrascht blickte meine Schwester auf, als stünde ein Geist vor ihr und schien nicht in der Lage gleich zu antworten.
Fragend zog ich eine Augenbraue hoch und Ciara räusperte sich, um sich kurz zu sammeln.
"Äh.. ja, 'tschuldigung. Ich hatte irgendwie damit gerechnet das wäre einer deiner ich-bin-in-einer-viertel-Stunde-fertig-Gleichs."
Gemütlich richtete sie sich auf und grinste mich an. "Aber anscheinend hast du es ja ziemlich eilig. Darf ich raten weshalb?"
Mit einem kurzen Seitenblick auf meine Mutter, die ebenfalls grinste, als hätte sie im Lotto gewonnen, schüttelte ich den Kopf und antwortete tonlos: "Nein."
Ciara zog einen Schmollmund, obwohl es ihr kaum gelang nicht mehr wie eine Glühbirne herumzustrahlen.
"Och mannooo. Aber das bestätigt mich in meiner Vermutung nur noch mehr."
Und da war ihr 1000 Watt Grinsen wieder.
Inzwischen war sie zumindest so weit, vor mir zu stehen und ich wollte sie gerade schon an der Schulter packen und zu ihren Schuhen schieben, als uns unsere Mutter zurück hielt.
"Wieso trefft ihr euch eigentlich immer im Dinnertime? Ich würde mich freuen, eure Freunde mal wieder zu sehen. Ladet sie doch hier her ein."
Ich bemerkte ganz genau den Blick den Ciara mir zuwarf, bevor sie an unsere Mutter gewandt sagte: "Das geht leider nicht. Tessa muss heute dort arbeiten."
Sichtlich erstaunt schnellten Moms Augenbrauen nach oben.
"Tessa arbeitet?!"
Ungeduldig zuckte ich mit den Schultern. "Wahrscheinlich will sie ihr Geld selbst verdienen."
Ihre Stirn legte sich in Falten und sie schien in Gedanken vertieft, als sie erwiderte: "Um so mehr freue ich mich sie und ihre Familie am Freitag mal wieder zu sehen."
Dieses Mal war ich derjenige, der erschrocken aufschaute.
"Was?! Wieso am Freitag?!"
"Oh", verlegen lächelte Mom. "Das habe ich euch ja noch gar nicht gesagt. Wir veranstalten am Freitag eine Grillparty für einige Angestellte eures Vaters und wichtige Partner der Firma und zu denen gehört natürlich auch der Konzern von Tessas Dad."
Ich war viel zu überrumpelt, um irgendetwas darauf erwidern zu können.
Tessa und ihre ganze Familie würden bei mir und meiner ganzen Familie sein. Eine kleine Welle der Panik überkam mich. Das konnte nur schief gehen!
Wenn ich allein daran dachte, dass Tessa mitbekam wie Vater Mutter herumscheuchte, wurde mir schon übel.
Keiner außer meinen engsten Freunden wusste von dem Verhalten meines Vaters und Tessa, mit ihrem starken feministischen Sinn, sollte die letzte sein, die das jemals mitbekam.
"Das...", setzte ich an, fest davon überzeugt ihr diese hirnrissige Idee auszureden, doch leider kam ich nicht weiter, da Ciara mir dazwischen fuhr. "Das hört sich großartig an!"
Als ich geschockt zu meiner Schwester schaute, schien diese ehrlich begeistert und strahlte unsere Mutter voller Vorfreude an.
"Ohh!", ihr Augen weiteten sich noch ein Stück weiter. "Dann kann ich mein neues Sommerkleidchen anziehen!"
Bevor ich mich versah packte mich Ciara am Arm und riss mich mit einer erstaunlichen Kraft mit sich in Richtung Eingangshalle.
"Komm! Das muss ich sofort Tessa sagen! Der Abend wird bestimmt witzig!"
Hilfesuchend blickte ich zu Mom zurück, doch die schien gar nicht mitzubekommen wie entsetzt über diese Ankündigung war, sondern wandte sich, lächelnd den Kopf schütteln, wieder ihrem Handy zu.
Verdammt!
Bevor ich auch nur irgendwie reagieren konnte, hatte Ciara sich schon ihre Schuhe angezogen und schleppte mich auf meinen R8 zu.
Allerdings war es jetzt höchste Zeit, dass ich etwas sagte.
"Wie kannst du von dieser Grillparty so begeistert sein!?"
Verwundert drehte sich Ciara halb zu mir um. "Wie könnte ich nicht? Ich darf Zeit mit meiner neuen besten Freundin verbringen, es gibt was leckeres zu essen und soweit ich weiß, soll am Freitag richtig schönes Wetter sein."
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behind the screen
Teen FictionTessas Leben ist alles andere als ein Traum. Ihr Vater trinkt und schlägt sie und ihre Stiefmutter behandelt sie auch wie das letzte Stück Dreck. Aber trotzdem behält sie nach außenhin immer eine perfekte Fassade aufrecht. Doch dann hilft sie der kl...