Über den Unfall, den Krankenhausaufenthalt und die ganzen Geständnissen hatte ich die letzten Tage über völlig vergessen, wie es zu dem ganzen überhaupt gekommen war. Weshalb Dyan und ich uns auf der Straße gestritten hatten, wieso ich unvorsichtig geworden war.
Allerdings wurde ich von Mr. Lawyer schon am ersten Abend, nachdem ich hier eingezogen war daran erinnert.
Es war nicht nur die Art, wie er seine Frau herumkommandierte und all die frauenverachtenden Kommentare, die er nebenbei vom Stapel ließ, sondern vor allem die ruppige Art, in der er mit seiner Tochter sprach, die doch so offensichtlich nach väterlicher Liebe flehte, dich mich in eine rasende Wut versetzte.Ich wusste wie es war, sich nach dieser Nähe, die sonst jeder in seiner Familie zu haben schein, zu verzerren und wie schwer es war, zu ertragen von seinem Vater nur Verachtung entgegengebracht zu bekommen.
Daher konnte ich es mir auch nicht verkneifen, eine Woche später, nachdem ich es endlich geschafft hatte die Lawyer-Geschwister dazu zu bewegen, in die Schule zu gehen und Muriel sich mit ihren Freunden in der Stadt traf, ihren Vater zur Rede zu stellen. Wenn man das denn so nennen konnte.Eigentlich hatte ich das nicht geplant gehabt. Ich wusste persönlich wohl am besten, dass die meisten Menschen es nicht mochten, wenn man in ihr Privatleben pfuschte. Aber Mr. Lawyer hatte es einfach provoziert.
Ich hatte gerade in meinem neuen Bett gelegen, mitten in dem wunderschönen Zimmer, dass extra für mich hergerichtet worden war. Die Lawyers hatten sich einfach selbst übertroffen mit der schlichten aber schicken beigen und cremefarbenen Einrichtung, die den sonst weiß und grauen Raum dominierte. Ich fühlte mich wie eine Prinzessin, nur ohne den ganzen unnötigen Schnickschnack.
Auf jeden Fall hatte ich mich gerade Mal wieder in ein Buch vertieft, so wie ich es eigentlich immer tat, wenn Dyan mal nicht an meiner Seite war oder ich nicht mit Ciara eines unserer stundenlangen Mädchengespräche führte, als Mr. Lawyer durch das ganze Haus nach seiner Frau brüllte.
Er hatte sich den bisherigen Morgen in sein Büro verbarrikadiert und es daher wohl nicht mitbekommen, dass diese außer Haus gegangen war.
Ich hatte es nicht für nötig befunden, mich bemerkbar zu machen, bis ich plötzlich etwas laut splittern hörte. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte mich dieser Mann mal wieder auf 180 gebracht.Nach Tagen des Herumkutschierenlassens hatte ich inzwischen endlich auch mal den Dreh mit dem Rollstuhl raus, auch wenn es nicht leicht war, sich selbst in dieses Höllengefährt hineinzuverfrachten. Allerdings befanden sich Sitz und Bettkante ungefähr auf gleicher Höhe, sodass ich es mit einigen uneleganten Bewegungen schließlich doch mal geschafft hatte, meinen langsam heilenden Körper mobil zu machen. So abwertend das jetzt auch klang, eigentlich war ich ziemlich beeindruckt von den Fortschritten, die meine Genesung machte. Von den unzähligen Schnittwunden waren nur noch verblassend kleine Narben zurückgeblieben und mein Rücken ließ es inzwischen sogar halbwegs wieder zu, auf ihm zu schlafen und das obwohl ich die Schmerzmittel Tag für Tag weiter absetzte.
Wirklich unangenehm waren nur noch die OP Nahten, aber ich hoffte sobald die Fäden gezogen wurden, würde das eklige Ziepen aufhören und die heilende Haut mir etwas mehr Bewegungsfreiheit gewähren.
Allerdings hätte ich es im Moment sofort riskiert, dass die Wunden wieder aufrissen, als ich Mr. Lawyers Brüllen weiter lauschen durfte, während ich den Flur zum Wohnzimmer entlang rollte, wenn ich ihn dafür einmal in seine Besten Stücke treten hätte dürfen.
"Du unnutzes Stück Dreck, wo hast du dich schon wieder verkrochen! Denk nicht, dass ich dir hinterher rennen würde! Wenn du nicht gleich hier auftauchst wirst du es bereuen, verstanden? Denkst du, du wärst unersetzbar? Ich brauche nur mit den Fingern zu schnippen und hätte eine fähigere Ehefrau gefunden!"
"Sie ist außer Haus."
Überrumpelt verstummte Dyans Vater und wandte sich mit glühenden Blick zu mir um. Ich rollte wenige Meter in den Raum rein, bevor ich die Räder fest umklammernd anhielt. Mein Hals fühlte sich wund an, als hätte ich durch das Haus geschrien, nicht er, so angestrengt versuchte ich ruhig zu sprechen.
Fast ironisch, wie sehr Mr. Lawyer meinem Vater ähnelte, während er drohend auf mich zu kam. Er hatte keine Sekunde außerhalb des Hauses verbracht, trotzdem war seine Gestalt in einen maßgeschneiderten Anzug gehüllt. Es gab keinen Makel, außer man blickte diesen Bastard direkt in die Augen.
Ich merkte schon wie mich der Kotzreiz überfiel, bei der Überheblichkeit mit der er sich bewegte.
"Wie bitte?", knurrte Mr. Lawyer und ballte die Hände immer wieder zu Fäusten.
Ein humorloses Lächeln verzog meinen Mund, als ich daran dachte, dass ich keine Sekunde daran zweifelte, dass er mich wirklich nicht gehört hatte. Wieso sollte der Löwe schon einer kleinen Ameise Aufmerksamkeit zukommen lassen?
"Ihre Frau ist nicht da." Ich gab mir nicht die Mühe, Muriels Abwesenheit zu erklären, einfach weil es kein Grund gab, weshalb sie sich vor diesem Mann rechtfertigen sollte.
Kurz blitzten seine Augen auf, doch ich konnte den Ausdruck in ihnen nicht genau erkennen, bevor sich wieder Kälte davorschob.
"Auch egal, du solltest auch reichen." Ich denke, ich muss nicht mehr erwähnen, wie abfällig sein Tonfall klang.
"Eine Pflanze in meinem Büro ist umgefallen. Putz den Dreck weg."
Mehr sagte er nicht mehr bevor er sich umdrehte. Allerdings ließ ich ihm das auch nicht durchgehen. Mit hochgezogener Augenbraue wartete ich, bis er bemerkte, dass ich keine Anstalten machte, mich zu bewegen und hielt auch seinem Funken sprühenden Blick ohne eine Regung stand, als er sich wieder mir zu wandte.
"Hast du was mit den Ohren?! Zum Putzen muss man sich bewegen!"
"Ich sollte wohl eher Sie fragen, ob Sie etwas mit den Augen haben. Ich sitze im Rollstuhl. Ich werde Ihnen definitiv nicht hinterherräumen."
Wahrscheinlich hatte er noch nie Widerworte gehört. Mächtige Männer hatten die Angewohnheit, sich alles in den Arsch schieben zu lassen. Aber seine Überraschung über meine Weigerung schwang fast augenblicklich in Wut um.
Ich musste ein Lachen unterdrücken, während ich ihn dabei beobachtete, wie er mit Zorn errötetem Gesicht bedrohlich auf mich zu kam. Die Schultern straff nach hinten gezogen, die Augenbrauen unheilverkündend gesenkt.
Ich wich keinen Zentimeter zurück. Das würde ich nie wieder. Und erst recht nicht, wenn es darum ging so herzliche Menschen wie Muriel und Ciara von so einem affektierten Arschgesicht zu bewahren. Mal ganz davon abgesehen, dass es hier auch um Dyans Seelenfrieden ging. Ich wusste nicht, wie lang es seine Zähne noch mit machten, wenn er nicht bald aufhörte jedes Mal wen er seinen Vater sah, so mit ihnen zu knirschen.
"Wie kannst du es wagen, auch nur den kleinen Finger gegen mich zu erheben, nachdem ich dich in meinem Haus wohnen lasse. Nachdem ich für deine Nebenkosten aufkomme und nicht einfach in ein Waisenheim stecke oder wo auch immer Leute wie du hinkommen."
Ich lies die Wut nicht meine Worte bestimmen, sondern zwang mir völlige Ruhe auf. Es würde nichts bringen ihn anzuschreien - oder niederzuprügeln, so verlockend der Gedanke auch war.
"Sie haben mich nicht hier aufgenommen, das war Ihre Frau, die man allein schon dafür heilig erklären müsste, dass sie es mit Ihnen aushält ohne Ihnen eine Bratpfanne überzuziehen!" Ok, vielleicht klappte das mit der Ruhe doch nicht so ganz. Ich atmete tief ein.
"Und wie können Sie es eigentlich wagen, mir zu drohen?"
Kalt starrte ich ihn an, während ich noch ein Stück näher an ihn heranrollte, bis ich den Kopf nicht mehr weiter in den Nacken legen konnte. Am Anfang war es mir komisch erschienen, immer zu den Leuten aufblicken zu müssen, doch inzwischen genoss ich es schon fast, wie schnell man unterschätzt wurde, sobald andere auf einen hinabblicken konnten.
Auch Mr. Lawyer machte den Fehler, zu glauben ich könnte nichts ausrichten. Dabei war ich niemals mächtiger gewesen.
"Dort draußen stehen Reporter vor Ihrem Anwesen. Reporter, die nur darauf warten, mich zu sehen.
Was denken Sie, wird die Welt geschockt sein, wenn Tessa Anderson, Erbin einer der größten Unternehmen im Umkreis von hunderten Kilometern, nicht nur von ihrem Vater, den alle als einen ehrenvollen Geschäftsmann eingeschätzt hatten, sondern gleich darauf auch noch von dem Inhaber des Lawyer-Imperiums verachtend behandelt wird? Was für ein Skandal! Ich kann die Schlagzeile schon vor mir sehen!"
Befriedigt lehnte ich mich zurück, als der Schock in Mr. Lawyers Augen die Arroganz durchbrach. Ja, man sollte mich nicht unterschätzen.
"Ich hoffe wir haben uns verstanden, Mr. Lawyer. Ich stehe im öffentlichen Interesse. Jeder meiner Sätze wird man in einer Zeitung wiederfinden, sobald ich dort rausgehe und glauben Sie nicht, ich würde diese Macht nicht dazu einsetzten, die Leute, die mir am Herzen liegen zu schützen."
Er regte sich nicht. Nur sein Gesicht wechselte abwechselnd von leichenblass zu feuerrot, während ihm das volle Ausmaß meiner Drohung bewusst wurde.
Ja, ich hatte es schon wieder getan. Für Dyan jemanden bedroht, wie damals Cater. Aber momentan machte mir das nicht viel aus. Vielleicht lag es daran, dass dieses Mal eindeutig mein 'Opfer' der Böse war oder einfach daran, dass mein Vater mich eins gelehrt hatte.
Kämpfe oder Stirb. Hört sich krass an, aber ich würde nicht mehr zu lassen, dass den Leuten in meiner Umgebung solches Unrecht angetan wurde. Schweigen brachte nichts. Es ermunterte nur die Mächtigen weiter zu machen und sich in ihren Privilegien zu suhlen. Ich würde nicht mehr die Klappe halten.
Mir meines Sieges völlig bewusst, drehte ich langsam ab und hatte mich schon ein paar Meter von dem bewegungslosen Mr. Lawyer entfernt, als ich noch einmal stoppte.
"Ach und sollten Sie der Meinung sein, sich nur solange benehmen zu müssen, bis sich der Trubel um mich gelegt hat, muss ich Sie enttäuschen.
Das Verhalten meines Vaters hat vielen die Augen geöffnet. Nur das kleineste Gerücht über frauenverachtendes Verhalten ihrerseits wird Ihren Ruf irreparabel schaden. Und das wollen wir doch nicht.
Also lernen Sie lieber höflich und nett bitte und danke zu sagen, denn ab sofort erwarte ich, dass Sie ihrer Frau auf Knien entgegenkommen. Das hat sie mehr als verdient."
Ich stand bereits im Türrahmen, als mir noch etwas einfiel. "Ach und finden Sie nicht auch, dass Ciara in letzter Zeit besonders hübsch aussieht? Vielleicht sollten Sie das Mal erwähnen. Schönen Tag noch."
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behind the screen
Teen FictionTessas Leben ist alles andere als ein Traum. Ihr Vater trinkt und schlägt sie und ihre Stiefmutter behandelt sie auch wie das letzte Stück Dreck. Aber trotzdem behält sie nach außenhin immer eine perfekte Fassade aufrecht. Doch dann hilft sie der kl...