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Mit einer ganze beklemmenden Gefasstheit betrete ich Sarahs Schlafzimmer, in das sie Julie gebracht haben.

Stumm setze ich mich neben Julie und Taste erst ihre Stirn, dann ihre Wange.

"Ihr wird es soweit wieder gut gehen. Aber Olivia, das war auf keinen Fall nur Alkohol. Wenn sie Glück hat, erinnert sie sich morgen an nichts", erklärt Adrian und kniet sich vor mich, aber ich starre nur auf Julies Stirn.
"Liv", eindringlich aber lieb dringt seine Stimme zu mir durch.

"Und sie wird es dann auch nicht erfahren. Und auch niemand sonst", bestimmt sehe ich erst zu Sarah, dann schwingt mein Blick zu Adrian, der mich beinahe mitleidig anschaut.

"Liv sie hat ein Recht dazu, es zu erfahren", beginnt Sarah diplomatisch.

"Ja, ja das hat sie", ich nicke betäubt.
"Aber sie hat auch ein Recht dazu, ohne diese Last weiterzuleben"

Ich weiß, dass Adrian es nicht richtig findet.
Aber ich weiß auch, dass er desselbe für Avery wollen würde.
Das zeigt mir das bisschen Verständnis in seinem Blick.

"Ich glaube es ist am besten, wenn sich Julie hier ausschläft, aber Liv ich glaube für dich wär das beste wenn du bei dir zuhause ersteinmal darauf klar kommst", schlägt Sarah vor.

"Du kannst morgen ganz früh wieder kommen, dann bist du da wenn sie wach wird", ergänzt sie, als ich zögere.

Ich nicke einfach, weil ich zu etwas anderem keine Kraft mehr habe.

"Ich fahr dich", bietet Adrian an.
"Du hast getrunken", erinnere ich ihn.
"Ach scheiße stimmt", er fährt sich einmal durchs Gesicht.

"Alles gut, ich ruf mir einfach ein Taxi", winke ich ab.
Dann umarme ich Sarah zum Abschied.
"Pass gut auf sie auf", hauche ich ihr dabei ins Ohr.

Es passt mir garnicht in den Kram, dass mich Adrian mit nach unten begleitet, da ich eigentlich einfach unbemerkt laufen wollte, er das wohl aber nicht allzu gut heißen würde.

Bevor ich darüber aber auch nur weiter denken konnte, werden wir sofort von Nathan abgefangen, als wir aus dem Haus treten.

"Oh Harper du siehst garnicht gut aus", stellt er gespielt besorgt.
Aber seine Augen können die Täuschung auf seinem Gesicht nicht annehmen. In ihnen wird man immer den Teufel sehen, den er verkörpert.
"Komm ich bring dich nachhause. Ich hab extra nichts getrunken. Geht es Julie gut? Soll sie hier bleiben?"

Ich würde ihm am liebsten ins Gesicht spucken. Aber vor anderen darf ich das wohl nicht mehr.

Ich sehe gequält zu Adrian, der skeptisch zwischen mir und Nathan hin und her guckt.
"Das wäre lieb", schlucke ich.

Und schon zieht mich Nathan zu seinem Auto, ohne dass ich mich von Adrian verabschieden kann.

Erst als er mich praktisch bis auf den Beifahrersitz schiebt, stoße ich genervt die Luft aus.
Er setzt sich auf den Platz neben mir und schon startet der Motor.

"Das klappt doch schon ganz gut", lächelt er gehässig.
"Aber ein bisschen mehr Liebe könntest du schon noch zeigen"

Ich schnaube nur.
"Ab Montag sind wir ein paar. Es ging ganz schnell. Das Wochenende hat etwas verändert, vorher hast du deine wahren Gefühle nur vor allen versteckt", erklärt er ernst.
Ich rolle nur mit den Augen.

"Ich muss schon sagen, es hat mir garnicht gepasst, dass dieser neue, der Montgomery-Junge, dass er mir meinen Heldenauftritt genommen hat. Ich dachte ich könnte die Gunst der Stunde nutzen und dich vielleicht doch noch so bekommen. Du musst wissen ich teile nicht gern. Aber naja, hat ja auch so geklappt, nicht babe?", ich muss kotzen oder so.

"Kriegst du sonst keine ab, dass du so weit gehen musst?", fahre ich ihn genervt an.

"Oh doch. Und werde ich weiterhin. Solange du mir nicht gibst, was ich will, muss ich es mir wohl woanders holen", ich wünschte ich könnte ihm einfach auf seine Schuhe kotzen.

"Dann hol dir doch gleich ne Freundin dazu. Ist effizienter, dann hast du zwei in eins", schlage ich vor.

"Meine Beweggründe muss ich dir nicht nochmal erklären, aber glaub mir, du fickst mich noch von ganz alleine", er lächelt.
"Zur Not lade ich einfach Julie auf die nächste Party ein. Scheint mir ein Selbstläufer zu sein"

"Halt an", sage ich schnell und gepresst.
Er schaut mich an.
"Halt an", schreie ich nun.

Und tatsächlich drückt er auf die Bremse.
Sobald er sogut wie steht, schnalle ich mich ab und steige aus.

"Ich laufe lieber, als noch eine Minute länger mit dir im Auto zu sitzen", erkläre ich bestimmt.

"Na dann viel Spaß mit den ganzen Pennern, Junkies und Vergewaltigern", ruft er durch sein offenes Fenster, wohl um mich zum Umdrehen zu bewegen.

"Scheint mir die netter Gesellschaft", gifte ich.
Ich höre Nathan nur verächtlich schnauben, dann braust er tatsächlich davon.

Besser so.

Als ich nach einer halben Stunde Fußmarsch in der Wohnung ankomme, bin ich immernoch völlig am Ende.

Nein, es fühlt sich an, als wäre ich jetzt erst völlig am Ende.
Alle Eindrücken, alle Emotionen, all der Schmerz prasst auf einmal auf mich ein.
Ich spüre wie ich immer schlechter Luft bekomme, wie ich nach ihr ringe und versuche mich zu beruhigen.
Aber es funktioniert nicht.

Erst als ich fast wahnsinnig werde, löst es sich in mir und ich fange an zu weinen.
Nicht nur ein wenig.
Nein, so richtig.
Ich versuche zunächst noch mein lautes Schluchzen zu unterdrücken, aber da wird mir eines klar.

Das ist wahrscheinlich der letzte Augenblick, an dem ich das kann.
Vor Julie, vor allen, muss ich stark sein.
Bei niemandem kann ich mich ausheulen.
Dabei weiß ich, dass die nächsten Wochen, hoffentlich nicht Monate, eine reine Qual sein können.

Ich kenne Nathan, wenn auch nicht allzu gut, aber ich kenne ihn.
Und er weiß es, Leute fertig zu machen, sie zu zerstören.
Und der Blick in seinen Augen, als er davon sprach, das mit mir auch vorzuhaben, lässt mich wissen, dass ich keine Ahnung habe, was da auf mich zu kommt.

Die Tränen hören nicht auf zu rennen, aber ein wenig konnte ich mich nach ein paar Minuten dann doch noch beruhigen.
Als es an die Tür klopft fahre ich mächtig zusammen.

Ich erwarte keinen Besuch.
Es weiß ja auch niemand so genau, wo ich wohne.

Könnte es Julie sein?
Nein Sarah wird schon aufpassen.

Auf zittrigen Beinen tapse ich zur Tür, als ich diese öffne, höre ich nur eine weitere ins Schloss fallen, die meines Nachbarn, aber vor mir steht niemand.

Erst als ich auf unsere pinke Fußmatte runter Blicke, sehe ich eine kleine Pralinenschachtel.

Es sind keine teuren Pralinen.
Julie hatte sie mir mal zum Geburtstag geschenkt und ich weiß, dass ich sie liebe. Nur leider ist nicht teuer noch nicht günstig genug für uns, sodass ich sie mir leider nicht regelmäßig kaufen kann.

Umso ehrlicher wird mein Lächeln, als ich die Schachtel aufhebe.

BABEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt