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Ein paar Stunden später, wirklich geschlafen haben ich nicht, erhalte ich von Sarah, die Nachricht, dass Julie wach ist, es ihr gut geht und sie sie zu mir bringen würde.

Ich bin viel zu müde, um mich darüber zu ärgern, nicht rechtzeitig da gewesen zu sein, als sie aufgewacht ist.
Also bin ich einfach erleichtert.

Ich setze schonmal Wasser auf, schmiere Brote und haue sogar zwei Eier in die Pfanne.
Dabei öffne ich die Fenster weit, damit die Wohnung nicht danach riecht.

Ich richte das Katerfrühstück auf dem Wohnzimmer Tisch an, schnappe mir ein paar Decken und Kissen, um es möglichst gemütlich zu gestalten.

Anschließend lege ich noch die Pralienen, die mir der vielleicht doch ganz nette Herr von nebenan geschenkt hat, daneben und mache mich auf den Weg nach unten.
Dabei schnappe ich mir soviel Geld, wie ich schon ansparen konnte.

Gerade als ich die Tür öffne, hält Sarahs Auto an der Straßenseite.

Als Julie mit blassem Gesicht und blauen Augenlidern aussteigt kann ich nicht anders, als sie mit einer festen Umarmung zu begrüßen.

"Gut geschlafen?", taste ich ganz unbeholfen ihre Gemütslage an.
"Oh ja. Tut mir leid, das ich so viel getrunken habe, ich wollte mich nicht so abschießen", entschuldigt sie sich und lächelt müde.
"Ich hätte auch mehr Acht geben müssen", schüttel ich energisch den Kopf.
"Ach, es ist ja nichts passiert. Außerdem bin ich alt genug", haucht sie nur und legt einen Arm um mich, bevor sie müde ihren Kopf auf meine Schulte ablegt.

Wenn sie wüsste.

Gequält schaue ich zu Sarah, die mich wissend anblickt.

"Geh doch schonmal rein Julie, ich hab dir Frühstück gemacht", ich drücke Julie den Schlüssel in die Hand, bevor sie sich auf den Weg macht.

"Sie erinnert sich an nichts?", frage ich Sarah, sobald Julie durch die Tür ist.
"An nichts entscheidendes. Sie weiß, dass sie so viel getrunken hat, dass sie irgendwann nicht mehr konnte. Dann haben wir sie ins Bett gebracht. So ihre Version", erklärt sie.
Ich seufze.
"Hör zu, ich halte es vielleicht nicht für richtig, aber ich verstehe es. Lass Julie ihr Leben so weiter leben, wenn du es für richtig hältst"

Ich nicke.

"Ich hab schonmal einen Teil des Geldes", wechsle ich das Thema prompt und krame das Geld raus.

"Ach Liv du musst nicht..."
"Ich will aber", unterbreche ich und drücke ihr das Geld in die Hand.

Sie zählt beeindruckt das Geld.
"Wow, woher hast du das?"

"Arbeiten", erkläre ich schulterzuckend.
"Wie viel noch?", frage ich nach.

"Das ist tatsächlich fast alles", ich hebe eine Augenbraue.
Sie lügt.

"Noch etwa 100, dann ist das Ding durch", nickt sie eifrig.
Sie lügt wieder und das ist das süßeste, was sie hätte tun können.

Ich nicke und muss leicht schmunzeln.
"Gib mir ne Woche"

Ich verabschiede mich, nur um dann oben in der Wohnung Julie zu finden, die schon seelenruhig auf dem Sofa schläft.
Sie hat ein paar mal von ihrem Brot abgerissen und eine Praline gegessen, ansonsten ist alles unberührt.

Ich seufze.
Sie sieht so friedlich aus.

Ich will gerade in Richtung Badezimmer aufbrechen, da dreht sich Julie nochmal um.

"Wie spät bist du arbeiten?", haucht sie.

"Erst morgen", erkläre ich.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich sie wirklich allein lassen kann.
Ob ich das recht dazu habe.
Sie nickt nur und dreht sich wieder um.

Den ganzen Tag habe ich aus schlechtem Gewissen heraus neben Julie verbracht, die sich daran aber auch nicht zu stören schien.

Am Abend sah sie sogar fast schon wieder normal aus und es schien ihr wieder besser zu gehen.

So wirklich durchatmen kann ich aber trotzdem erst, als sie sich endgültig in ihr Bett legt um zu schlafen.
Wärend ich noch die Küche zuende fertig mache, vibriert mein Handy zwei mal.

Gehen morgen aus, hole dich um 12 ab
Hoffe du vermisst mich bis dahin nicht allzu sehr

Nathan.
Am liebsten würde ich ihn einfach blockieren.

Muss morgen arbeiten, wird leider schwierig

Ich seufze.

Du arbeitest?

Ich seufze. Ist er schwer von Begriff oder was?

Ja, bis 4

Antworte ich einfach.

Ich könnte dich auch bezahlen wenn du willst. Scheint mir effizienter

Ich sehe genau den hässlichen Gesichtsausdruck, den er jetzt wohl trägt.

Klingt nach einer super Idee, bin nur leider keine Hure.

Ich muss dir widersprechen babe, eine Hure bist du.
Eine schlecht bezahlte Hure.
Nennt sich auch billig.

Wütend klatsche ich mein Handy auf den Tisch.
Was ein wichser.

Es vibriert nocheinmal.
Ich schließe genervt die Augen, dann schaue ich auf meinen Display.

Naja, dann hole ich dich bei deiner Arbeit ab

Ich öffne die Nachricht, antworte allerdings nicht.
Ich bezweifle nicht, dass er bis morgen herausfinden kann, wo genau ich arbeite.
Lediglich die leise Hoffnung, dass er fälschlicherweise zur Tankstelle statt zum Restaurant fährt, lodert in mir.

Aber so soll es nicht kommen.
Als ich am nächsten Tag nach der Arbeit aus dem stickigen Gebäude trete, steht Nathans Wagen vor der Tür.

Ich schaue mich einmal um, dann gehe ich schnellen Schrittes auf den Wagen zu.
Ohne zu zögern gehe ich einmal herum, öffne die Beifahrertür und setze mich.

"So, was willst du?", frage ich direkt heraus.
"Hallo babe, wie war dein Tag", er versucht sich sichtlich sein schadenfrohes Lächeln zu unterdrücken.

"Spar dir das", genervt starr ich aus dem Fenster, während er losfährt.
"Wohin?", frage ich nach ein paar Minuten.
Interessiert schaut er zu mir.
"Wie bitte?", fragt er nach.

"Wohin fahren wir?", wiederhole ich mich also augenrollend.

"In ein Diner am Stadtrand", erklärt er.
"Und warum?"

"Um was zu Essen Olivia", lacht er.

"Nathan, du machst nichts ohne Hintergedanken. Sag mir einfach was du willst und wir verschwenden beide unsere Zeit nicht mehr als nötig", ich versuche nicht allzu böse zu klingen, aber meine Meinung dazu sollte trotzdem ganz klar sein.

"Liv, kein Hintergedanke, ich darf mich doch wohl einfach mit meiner Freundin treffen", antwortet er provokant grinsend.

"Nathan, was...", fahre ich ihn genervt an, werde allerdings von ihm unterbrochen.
"Was willst du? Was ich will? Ich will mich mit meiner Freundin treffen dürfen, wann immer und wo immer ich auch will. Und das darf ich. Und das werde ich. Und du musst dich damit abfinden. Und ich habe auf deine Launen echt kein Bock, also wag es nicht immer so mit mir zu reden. Du. Du bist meine Freundin, also verhalte dich auch gefälligst so", fährt er mich wütend an. Ich schlucke und drücke mich tief in meinen Sitz.

Dann wird sein Gesicht wieder weicher und das Lächeln erscheint.
"Und babe, nenn mich Nate. Nathan klingt aus deinem Mund wie eine Beleidigung"

Während ich noch über seine rasanten Stimmungsschwankungen schockiert bin, parkt er akkurat auf dem Parkplatz vor besagtem Diner.

BABEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt