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»Mach die Tür auf du dreckige schlampe«
Ich hörte immer deutlicher wie er die letzten knartzigen Treppenstufen hoch kam und ich das bereits blutverschmierte Messer gegen meine Brust presste. Erst heute Morgen benutzte meine Mutter das Messer um das Hähnchenfleisch zu schneiden, welches wir unseren Gästen servierten. Der Abend verlief bis zu einem gewissen Zeitpunkt gut, jetzt war ich bereit das Messer zu benutzten, um die Freiheit meiner Mutter und mir zu ermöglichen.
Er war verwundet, sie hatte ihn bereits in seinen Oberschenkel gestochen, wodurch er Unmengen an Blut verlor, lange könnte er das nicht mehr ertragen ohne Hilfe. Während meine Mutter mit voller Kraft versucht das Fenster zu öffnen, haftet sich mein Blick an einer Fliese fest, um ihr entstelltes Gesicht nicht anzusehen.

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"Du übernimmst heute die Notaufnahme", verkündete meine Chefin mit einem Seufzen der Erschöpfung, während sie sich auf den leeren Stuhl am Kopfende des Tisches setzte. Die Morgenroutine war vertraut – jeden Tag um 6 Uhr versammelten wir uns hier, um unsere Aufgaben für den Tag zu erhalten. Während ich insgeheim darauf gehofft hatte, wieder im Operationssaal zu arbeiten, war mir klar, dass ich stattdessen in der hektischen Notaufnahme Dienst schieben würde.
Als ich widerwillig den Gang zur Notaufnahme entlangging, wurde ich gleich von meinem Oberarzt begrüßt, der mit ernstem Gesichtsausdruck auf mich und einer Pflegerin zutrat. "Bereitet einen separaten Bereich vor und haltet alles diskret", befahl er mit einer Autorität, die keine Widersprüche duldete, während ich und eine Pflegerin seine Anweisungen aufnahmen.

Nach kurzer Zeit öffnete sich die Schiebetür der Notaufnahme und der Oberarzt wies den Mann in den Schockräumen 2 zu : »Bitte begeben Sie sich dorthin, Dr. Lopez erwartet Sie bereits. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, sie wird sich gut um Sie und Sie kümmern. Außerdem steht Ihnen eine erfahrene Pflegerin zur Seite." Der Mann, der angesprochen wurde, war durch meinen Oberarzt verdeckt. Im Hintergrund befanden sich weitere Personen, auf die ich jedoch ebenfalls keinen klaren Blick hatte. Ich verlor die Konzentration, als ich eine leise Stimme in meinem Ohr hörte.
»Na wen stalken wir jetzt ?«
In einem schnellen Reflex wandte ich mich um, um das Gesicht meiner Lieblingskollegin zu erblicken. Ihre glatten blonden Haare fielen wie ein Schleier über ihr Gesicht und betonten ihre braunen Augen besonders auffällig.
»Sei nicht so laut, Davis hat mich für eine Sonderbehandlung beauftragt und die Leute sind bereits da, ich weiß nur, dass ich es niemanden sagen sollte und es so diskret wie möglich halten soll«
Mit einem belustigten Augenrollen von ihr lugten wir vorsichtig unsere Köpfe um die Ecke doch anstatt wie zuvor die Leute weiter hinten im Raum zu sehen, erschien ein weißer Kassack vor uns. Unsere Blicke wanderten langsam nach oben und trafen auf einen durchdringenden Blick. In einem plötzlichen Moment der Erkenntnis richteten wir uns auf, strichen unsere Kassacks glatt und versuchten, die Fassung zu wahren.
"Dr. Lopez, ich muss weiter, war mir eine Freude, Ihnen zu helfen," sagte Maria beiläufig und versuchte, die Szene mit einem Hauch von Humor zu retten.
»Ja ich danke Ihnen Dr-«
»Schluss jetzt, ihr beiden, zurück an die Arbeit« rief Davis mit einer pochenden Ader an seiner Stirn. »Dr. Lopez, darf ich vorstellen ? Ihr neuer Patien« sein strenger Blick und seine Tonart verrieten mir, dass die Aktion ein Nachspiel haben wird. Als mein Patient lautlos an mir vorbeischlich, offenbarte sich vor mir eine älteren Frau mit einer atemberaubenden Mähne aus kupferroten Haaren. Während ich noch damit beschäftigt war, die Identität dieser Menschen und das Geheimnis um ihre Anwesenheit zu enträtseln, trat die Frau elegant durch die Tür, und ich bereitete mich innerlich darauf vor, mich dem peinlichen Moment zu stellen, der bevorstand.
Doch meine Aufmerksamkeit galt weiterhin der Frau, die in ihrer schwarzen Anzugshose und dem eng anliegenden weißen Oberteil, das vom Blazer umhüllt wurde, eine Aura von Professionalität umhüllt.
Es kostete mich einige Augenblicke, meinen Blick von ihr zu lösen und endlich meinen Patienten zu erfassen. Ein Mann in den späten Zwanzigern, mit einer mysteriösen Präsenz. Seine tief schwarzen Haare rahmten ein Gesicht ein, das von leuchtend grünen Augen durchdrungen wurde, welche auf mir lagen. Über seiner Oberlippe und am Kinn erkannte man ein Hauch von Bart, der seinem ohnehin markanten Aussehen eine priese Attraktivität verlieh. Sein Körper bestand aus Muskeln, definiert unter dem enganliegenden schwarzen Hemd, das seine wohlgeformte Brust betonte. Doch mein Blick wurde unweigerlich zu seinem rechten Oberarm geführt, wo das Gewebe des Hemdes zerschnitten war, als wäre er einem Angriff mit einem Messer zum Opfer gefallen. Als mein Blick tiefer glitt, entdeckte ich an seinem Gürtel einen Ausweis. Ganz leise las ich die prägenden Buchstaben "FBI", und in diesem Augenblick durchfuhr mich die Erkenntnis wie ein Blitz. Es war, als würden die einzelnen Puzzleteile in meinem Kopf plötzlich zusammenfallen, und plötzlich erschlossen sich all die mysteriösen Details. Die Diskretion und Ernsthaftigkeit des Mannes gewannen nun endlich an Bedeutung

Während ich mich vorstellte, spürte ich immer noch die Überwältigung durch ihre Präsenz, besonders den durchdringenden Blick des Mannes, der weiterhin auf mir ruhte. Ich versuchte, diesem Blick auszuweichen, um mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Mit einem leisen Seufzen bat ich ihn, mir seine Verletzung zu zeigen, und ohne zu zögern öffnete er die Knöpfe seines Hemdes. Während er das tat, warf ich einen kurzen Blick zu der Pflegerin und bat sie, ihm ein Patientenhemd zu reichen, während ich mich umdrehte und meine Utensilien vorbereitete. Nachdem ich mich wieder ihm zuwandte, bemerkte ich, dass seine grünen Augen immer noch auf mir ruhten. Ich näherte mich ihn und zog meine Handschuhe an. "Könnten Sie mir vielleicht erzählen, wie das passiert ist?" fragte ich höflich, doch seine Antwort war knapp und abweisend »Nein«. Das Gespräch verlor sich im Schweigen. Ich nahm auf dem kleinen blauen Hocker Platz und befand mich nun auf Augenhöhe mit der Wunde, die nun vor mir lag.

»Könnten Sie mir bitte einige getränkte Tupfer reichen?« bat ich die Pflegerin, die sofort reagierte. Mit sanften, aber bestimmten Bewegungen reinigte ich die Wunde gründlich.
»Wieso haben Sie uns hinterher spioniert?« unterbrach die Frau die Stille. Sofort versteifte ich mich und spürte, wie sich die Spannung im Raum verdichtete.
»Oh, das war nur ein... ein Missverständnis,« stammelte ich nervös. »Es ist nicht üblich, dass wir hier diskret sein sollen. Wir haben nicht jeden Tag Besuch vom FBI. Ich dachte eher, ihr seid die Mafia.«
Ein kollektives Lachen brach aus, als die anderen die Absurdität meiner Vermutung erkannten. Nur mein Patient blieb ernst und beobachtete mich weiter.

»Sie sehen jung aus. Wie alt sind Sie?« Seine Worte durchdrangen das Lachen um uns herum, er flüsterte fast, und ich spürte einen Hauch von Unbehagen in mir aufsteigen, als ich antwortete: »Entschuldigung, ich sehe nicht, wie das relevant für meine Arbeit ist.«
Ein tiefes Brummen entwich seiner Kehle, bevor er die Frage mit einem dunkleren Ton wiederholte: »Wie alt sind Sie?«
»23«, flüsterte ich beschämt, ein leichtes Zittern in meiner Stimme verriet meine Unsicherheit in diesem Moment.
Seine grünen Augen durchbohrten mich, doch ich versuchte, dies zu ignorieren.
»Die Wunde ist sehr tief und muss genäht werden,« erklärte ich ruhig, während die Pflegerin mir die Instrumente gab.

Plötzlich begann mein Pieper lautstark zu piepen. Die Pflegerin reichte ihn mir schnell, und ich las die Nachricht: REA RAUM 6. Sofort wurde mir klar, was das bedeutete. Regel Nr. 1: piept eine Rea, laufen alle.
»Entschuldigen Sie mich,« sagte ich hastig zu meinem Patienten, während ich aufsprang und Richtung Tür lief.

Mein Adrenalinspiegel stieg.
Im Raum 6 angekommen, herrschte hektische Aktivität. Das Team war bereits dabei, den Patienten zu reanimieren. Mein Herz raste, während ich mich darauf konzentrierte, alles zu tun, um das Leben des Patienten zu retten. Trotz aller Bemühungen blieb unser Einsatz leider erfolglos. Nach einigen Minuten verließ ich den Raum erschöpft und niedergeschlagen und ging zurück zu meinem ursprünglichen Patient.

Als ich mich dem Raum näherte, wurde mein Atem flacher und schneller. Die Spannung lag schwer in der Luft, und ich spürte die Nervosität in meinem Magen. Mit jedem Schritt wurde mein Herzschlag lauter, als würde es die Stille durchbrechen wollen. Als ich schließlich den Raum betrat, schien die Zeit stillzustehen. Das Murmeln der Gespräche verstummte, und alle Augen richteten sich auf mich, als ob ich das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit wäre.

Ein Blick zu meinem Patienten, der mich mit seinen Augen durchdrang, ließ mein Herz schneller schlagen. Ich versuchte professionell zu wirken, aber ich konnte die Intensität seines Blickes nicht ignorieren. Unsere Augen trafen sich, und für einen Moment schien alles um uns herum zu verblassen. Ich konnte mich kaum von seinem Blick lösen.
Die Pflegerin unterbrach meine tranceartige Versunkenheit mit ihrer Frage nach einer erneuten Reinigung. Langsam kehrte ich in die Realität zurück und antwortete mit einem knappen Ja, bevor ich mich wieder auf die Wunde konzentrierte.

Als ich die Arbeit beendete, spürte ich immer noch den intensiven Blick meines Patienten auf mir ruhen. Um seinen Blick auszuweisen sah ich runter auf seinen Ausweis "Liam A". So hieß der Unbekannte also.

Liam.

Mit einem raschen Abschied verließ ich den Raum, doch mein Herz raste noch immer. Und als ich Davis in den Raum eilen sah, wusste ich, dass ich eine kurze Flucht vor der Realität gefunden hatte. Als ich mich in der Umkleidekabine versteckte, konnte ich nicht aufhören, über den intensiven Moment mit ihm nachzudenken. Die grünen Augen verfolgen mich.

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his obsession Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt