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»Nein« schrie ich, so laut, dass meine Lungen brannten, die Tränen heiß und salzig uber meine Wangen strömten. Dort stand er, groß und mächtig, eine unheimliche Gestalt, die selbst den Schatten das Furchten lehrte.
»Bitte...« flehte ich, meine Stimme zitternd und brüchig, als plötzlich ein Schuss die Luft zerriss. Mein Herz setzte aus, meine Hände schnellten wie von selbst vor meinen Mund, und ich wandte den Blick ab. Ich hörte, wie sein lebloser Körper auf den Boden krachte, ein dumpfes Geräusch, das die Welt für einen Moment stillstehen ließ. Im Hintergrund lachten die Männer, ein kaltes, herzloses Gelächter, das die Finsternis nur vertiefte. Dann noch ein Schuss. Und noch einer, alle gingen in den leblosen Körper. Seinen leblosen Körper. Jeder Schlag hallte durch meinen Schädel, mein Herz raste, meine Ohren dröhnten, ein endloser Schmerz, der alles verschlang.

Mein Albtraum wurde von einem leisen, aber dennoch eindringlichen Gespräch unterbrochen. Die Stimmen klangen gedämpft, wie durch eine dicke Wand, aber sie drangen unaufhaltsam zu mir durch. Meine Augen waren noch geschlossen, und doch zwang mich die Neugier, hinzuhören.
»Nein, sag ihm, dass er sich bei mir melden soll, und vereinbare einen Termin mit Mr. Sullivan für 14 Uhr im Ocean's Prime«
Liams Stimme. Ein Schauder lief mir uber den Rücken. Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass ich nicht zu Hause war. Ich öffnete blinzelnd die Augen, die Decke fühlte sich fremd an, zu fein. Langsam schaute ich mich um. Mein Blick fiel auf das weiche Leder der Couch, auf der ich lag.
Liams Büro. Ich lag immer noch in seinem Büro.
Ein Moment der Verwirrung. Warum war ich hier ? Ich sah an mir herunter und bemerkte, dass ich noch immer die gleichen Sachen trug wie gestern Abend: meine graue Jogginghose, das schwarze Oberteil. Eine leichte Decke war über mich geworfen worden, als hätte mich jemand zartlich zugedeckt, während ich schlief. Mein Herzschlag beschleunigte sich.
Ich drehte meinen Kopf zur Seite und sah den Raumteiler, ein elegantes, antikes Stück wie aus einem alten Film, das die Sicht auf den Rest des Raumes verdeckte. Der weiße Paravent wirkte wie eine Grenze zwischen mir und dem Raum, hinter der das Leben weiterging. Doch meine Augen wanderten weiter und blieben an den riesigen Fenstern hängen, die eine atemberaubende Aussicht auf die Stadt freigaben. Das Licht des frühen Morgens strömte in den Raum, blendete mich für einen Moment, aber es fühlte sich lebendig an, als würde die Welt mich daran erinnern, dass die Zeit weiterlief.
Liam arbeitete. Er war bereits wieder in seinem Element, seine Stimme klang fokussiert. Mir schoss die Frage durch den Kopf, was ich jetzt tun sollte. Ein Teil von mir wollte aufspringen und mich in irgendeiner Weise erklären, aber ein anderer Teil zwang mich, einfach still zu bleiben. Also ließ ich meinen Kopf wieder auf das Kissen sinken, die Weichheit des Stoffs umfing mich. Und dann kamen die Erinnerungen zurück.
Die letzten Nacht zog wie ein Film vor meinem inneren Auge vorbei.
Küsse.
Seine Hände an meinem Körper.
Dann mehr.
Viel mehr.
Der Sex war anders gewesen, wilder, intensiver.
Jede Berührung, jeder Kuss hatte sich in meine Haut gebrannt, und ich hatte mich vollig hingegeben. Ich konnte nicht einmal mehr zahlen, wie oft ich gekommen war, jeder Orgasmus schien den nächsten nur noch heftiger zu machen. Ein heißes Prickeln lief über meine Haut, als die Erinnerung in mir hochstieg.

Ein lautes Stohnen entfuhr meinen Lippen, bevor Liams Hand sich plötzlich um meinen Hals löste und fest auf meinen Mund legte.
Seine Augen funkelten, ein Lächeln umspielte seine Lippen, während er sich zu mir hinunterbeugte, seine Stirn beinahe an meiner. »Sei leise« murmelte er, seine Stimme ein gefährliches Flüstern, das durch meinen ganzen Körper vibrierte.
Sein Blick bohrte sich in meinen, unerbittlich und intensiv. »Wir sind nicht allein hier« flüsterte er, seine Worte wie eine Drohung und ein Versprechen zugleich. Eine Welle der Erregung rauschte durch meinen Körper, als die Bedeutung seiner Worte in mir nachhallte. Gänsehaut kroch über meine Haut, brennend, und der Gedanke, dass wir hier nicht alleine waren, dass wir jeden Moment erwischt werden könnten, jagte mir einen elektrisierenden Schauer uber den Rücken.
Liams Hand auf meinem Mund fühlte sich plötzlich anders an, stärker, fordernder, als ob er die Kontrolle komplett übernahm. Sein Griff ließ keinen Widerspruch zu, und doch war die Berührung wie Feuer auf meiner Haut, und die Gefahr machte alles nur noch intensiver.

his obsession Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt