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»Du hättest rechts abbiegen müssen« sagte ich leise und spürte, wie die Worte in der dichten, fast erdrückenden Stille zwischen uns verhallten. Keine Reaktion von Liam, keine Änderung seiner Fahrtrichtung, keine Antwort. Er fuhr einfach weiter, seine Augen starr geradeaus gerichtet, als gäbe nur die endlose Straße vor uns. Ich hatte mich entschieden nicht bei ihm zu schlafen, weshalb ich einstimmte, dass er mich nach Hause fährt, statt Aiden.

Die Stille war erdrückend, als ich immer wieder unbewusst auf seine Hand schaute, die das Lenkrad umklammerte. Sein Ringfinger zog meine Aufmerksamkeit magisch an, und jedes Mal, wenn ich diesen schlichten, goldenen Ring sah, durchfuhr mich ein Schmerz, so stark, dass ich fast den Atem anhielt. Es war absurd, wie ein so kleiner Gegenstand so viel Schmerz verursachen konnte, doch da war er, ein Symbol der Verbindung zu einer anderen Frau, ein stummer Zeuge dessen, was zwischen uns nicht sein sollte.

»Steig aus« Seine Stimme drang plötzlich an mein Ohr und riss mich aus meinen Gedanken. Irritiert stellte ich fest, dass er das Auto bereits geparkt hatte. Die Beifahrertür stand offen, und er wartete ungeduldig darauf, dass ich ausstieg. Ohne ein weiteres Wort schloss ich meine Finger um den Türgriff und stieg aus.

Die kühle Luft traf mich mit einer fast unangenehmen Wucht, als ich mich umsah. Liam hatte sich bereits ein Stück entfernt. Der Parkplatz, auf dem wir uns befanden, war fast unheimlich leer, nur Liams Wagen stand hier. Nichts war zu sehen, keine Menschen, keine Lichter, keine Geräusche, außer dem leisen Summen der Straßenlampen. Doch als ich mich umdrehte, entdeckte ich ein Gebäude, das ich in der Dunkelheit zuerst übersehen hatte. Es ragte vor uns auf, imposant und einschüchternd, eine düstere Silhouette. Das FBI-Gebäude in Boston. Das große Schild mit den Buchstaben FBI, war so riesig, dass es mich einschüchterte.

Ich fröstelte unwillkürlich, nicht nur wegen der kühlen Temperaturen, sondern auch wegen der plötzlichen Erkenntnis, dass Liam mich an einen Ort gebracht hatte, der so fremd und feindselig wirkte wie unsere Beziehung in diesem Moment. Wieso hatte er mich hier her gebracht ?

Liam stand bereits vor der Tür des riesigen Gebäudes und wartete auf mich. Sein Blick war schwer zu deuten, seine Schultern angespannt, als er mit einem Ausweis den Scanner an der Tür berührte. Ein leises Klicken, die Tür sprang auf, und wir traten in die düstere Stille des leeren Foyers. Der weiche Klang unserer Schritte hallte auf den polierten Steinfliesen.

»Martha« rief Liam knapp der Frau am Empfang zu, die kaum aufblickte. Sie nickte nur und vertiefte sich wieder in ihre Unterlagen. Liams Finger drückten bereits den Knopf für den Fahrstuhl. Der Aufzug kam fast geräuschlos, doch die Atmosphäre um uns herum war unerträglich schwer. Es war, als ob die Stille uns erdrücken wollte, während wir auf das leise Summen des Fahrstuhls warteten. Schließlich öffneten sich die Türen, und wir stiegen ein.

Im Aufzug sprach keiner von uns auch nur ein Wort. Die Zahlen leuchteten in Rot über unseren Köpfen auf, während der Fahrstuhl aufwärts fuhr. Ein kleiner Klang ertönte, als die Türen sich wieder öffneten. Die Etage war verlassen, das Licht war gedämpft, und eine bedrückende Einsamkeit lag über dem langen, stillen Flur. Niemand war hier, außer uns beiden.

Liam führte mich wortlos bis ans Ende des Gangs zu einer breiten Glastür. Sein Name stand darauf, kühl und in perfektem Weiß eingraviert. Es war sein Büro. Er schob die Tür auf, und ich trat in den Raum ein. Der Raum war beeindruckend, auf fast unheimliche Weise. Ein großes Eckbüro, durchflutet breiten Fenster. An den Wänden hingen Bilder und Dokumente, sorgfältig geordnet, fast penibel. Die Monitore, die den Raum umgaben, warfen schwaches Licht auf den glänzenden Schreibtisch. Eine Ledercouch stand an der Seite des Raumes.

his obsession Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt