ꨄ ꨄ ꨄ ꨄ ꨄ
TW : Gewalt
Mein Schrei zerriss die Dunkelheit wie ein erstickter Hilferuf in einem Albtraum.
»Mama« Es hallte durch das offene Fenster auf die stille Straße, prallte an den Häusern ab, und dann... nichts. Kein Licht ging an, keine Tür öffnete sich. Die Nacht lag über uns wie eine schwere Decke, die mich in dieser schrecklichen Realität gefangen hielt. In diesen ganzen Fenstern, die mir friedlich und leer entgegenstarrten, schliefen unsere Nachbarn, ahnungslos oder gleichgültig, geschützt in ihrem scheinbar perfekten Leben.
Ich hämmerte gegen das Fenster, so fest, dass die Haut auf meinen Knöcheln aufplatzte. Doch die Straße blieb wie ausgestorben. Die kleinen Vorgärten mit ihren sorgsam gepflegten Blumenbeeten wirkten nun wie verwachsene Graber.
Hinter all diesen Fassaden lauerten Geheimnisse. Mein Nachbar, der freundliche ältere Herr, hatte eine ganze Galerie aus Bildern von Leichen in seinem Keller.
Der Mann gegenüber, den alle als lieb kannten, war in Wahrheit ein Schatten seiner selbst, eingeklemmt zwischen Drogen und Verzweiflung. Doch keiner konnte oder wollte sehen, was wirklich in dieser Vorstadt passierte.In meinem Zimmer, nur minimal vom Licht der Straßenlaterne erleuchtet, wartete Lola. Sie hockte im Wandschrank, dort, wo ich sie jedes Mal versteckte, wenn die Dunkelheit in unserem Haus Gestalt annahm.
Der Schrank war unser Schutzraum, unser Versteck, das Einzige, was uns ein wenig vor ihm abschirmte. Ich hatte ihr Kopfhörer aufgesetzt, wie immer, und eine Serie laufen lassen. Sie verstand es als Spiel. Sie war noch so klein, ahnte nichts von der Realität und das sollte auch so bleiben.
Dann durchbrach ein Schrei die Stille. Mamas Stimme, rau und heiser, schrie draußen auf dem Flur »Du fässt die Kinder nicht an« Ich sprintete zur Tür, versuchte sie aufzureißen, aber sie war verriegelt. Panik kroch wie kaltes Gift meine Wirbelsäule hoch. »Mama« rief ich noch einmal, doch meine Stimme versagte. Meine Finger krallten sich in das Holz der Tür, verzweifelt, machtlos. Die Minuten schienen endlos zu vergehen, während draußen die Schreie leiser wurden, bis nur noch das pulsierende Echo meiner eigenen Atemzüge blieb.Irgendwann sackte ich auf den Boden, schlaflos, ängstlich, bis mich ein dumpfer Schmerz in den Rücken riss. Mit einem Aufschrei fuhr ich herum, mein Blick trübe vor Tränen und Müdigkeit. Er stand da, mit diesem kalten, genüsslichen Grinsen, und schlug die Tür ein weiteres Mal mit voller Wucht gegen meinen Rücken. »Schön, wie du leidest« hörte ich ihn murmeln, als wäre es nur ein Spiel für ihn.
Als er endlich ging, blieb die Tür offen. Ich stand langsam auf, mein ganzer Körper schrie vor Schmerz, doch ich biss die Zahne zusammen. Nicht ein Laut durfte mir entgleiten. Er sollte nicht die Genugtuung haben.
Meine Augen brannten, aber ich musste zu Lola. Mit jedem Schritt zog der Schmerz durch meinen Rücken, doch ich öffnete den Schrank, um nach ihr zu sehen. Sie lag dort, zugedeckt und friedlich, die Kopfhörer noch fest auf ihren Ohren. Ein letztes Stückchen Unschuld, das ich retten konnte.Ich ließ sie schlafen und schlich mich leise zur Treppe. Unten in der Küche stand Mama, die Arme zitterten, während sie das Brot auf dem Schneidebrett zerteilte. Sie bereitete Sandwiches zu, wie eine Marionette, mechanisch und stumpf. Ihr Blick war leer, als sie mich bemerkte und sich sofort abwandte, um das, was er ihr angetan hatte, vor mir zu verbergen.
»Geh nach oben« flüsterte sie kaum hörbar, ihre Stimme zerbrechlich wie Glas. Doch ich trat näher, wollte sie ansehen, wollte wissen, was er ihr angetan hatte. Zögerlich drehte ich sie zu mir um, und mein Herz setzte einen Schlag aus. Ihre rechte Gesichtshälfte war fast unkenntlich das blaue Auge, die zerschnittene Lippe, das Blut, das an ihrem Kinn klebte. Es war, als hätte jemand ein Bild meiner Mutter in Stücke gerissen und wieder falsch zusammengesetzt.
Sie zog mich in eine stumme, verzweifelte Umarmung. Ich spürte ihren Schmerz und meinen eigenen, fühlte, wie alles zu einem kalten Klumpen in meiner Brust wurde. Doch ich schluckte die Angst hinunter. Mama hatte nie aufgegeben. Und solange sie nicht aufgab, würde auch ich kämpfen.
DU LIEST GERADE
his obsession
Short Storyꨄ ꨄ ꨄ ꨄ ꨄ Während Aurora fest entschlossen war, ihre glänzende Karriere fernab ihrer Familie voranzutreiben, bahnte sich in einem einzigen Augenblick eine unvorhersehbare Wende an. Eine flüchtige Begegnung. Ein elektrisierender Blickkontakt, und all...