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»Aurora« Liams Stimme drang gedämpft an mein Ohr, als wäre sie aus einer anderen Welt. Obwohl wir im selben Raum standen, klang er so weit entfernt. Meine Augen jedoch konnten sich nicht von dem Blut abwenden. Es lag wie ein stummer Vorwurf auf dem Boden, dunkel und zäh, und ließ meine Gedanken in einem Strudel aus Angst und Verzweiflung kreisen.
»Aurora« Sein Tonfall wurde dringlicher, aber mehr als ein flüchtiger Blick über meine Schulter war nicht möglich. Meine Muskeln fühlten sich taub an, gelähmt von der unausgesprochenen Bedrohung, die den Raum erfüllte. Liams Blick suchte meinen und traf mich mit einer Intensität, die mich beinahe verschluckte. In seinen Augen tobte ein Sturm aus Zorn, Sorge und etwas, das mich auf schmerzhafte Weise an Hoffnung erinnerte.
»Dein Vater ist ein..« Die Stimme von Liams Vater durchbrach unseren Augenkontakt.
Seine Hand schoss in die Luft und zeichnete vage Gesten, als würde er versuchen, Worte zu finden, die seiner Abscheu gerecht wurden.
»ein besonderer Mann. Mit fragwürdigen Taten, das will ich nicht leugnen. Aber-«

Die Tür hinter uns öffnete sich mit einem leisen Knarren, das meine Haut wie ein kalter Hauch überlief.
»aber er hält sein Wort. Geschäftlich, versteht sich.« Das Wort „geschäftlich" ließ er wie eine Beschwichtigung klingen, ein Versuch, die abscheulichen Dinge, die mein Vater uns angetan hatte, in etwas Rationales zu verwandeln. Doch seine Stimme triefte vor Arroganz, als hatte er nicht die leiseste Ahnung, was seine Worte mit mir anrichteten.
Er hatte recht: Mein Vater war ein gewissenhafter Geschäftsmann. Doch in allem anderen hatte er kläglich versagt, als Ehemann, als Vater, als Mensch.
»Du bist etwas ganz Besonderes, Aurora« fuhr Liams Vater fort, und seine Worte sickerten langsam in meinen Verstand, wie Gift. »Dein Vater bietet eine Menge, um dich... zurückzubekommen«

Ein eisiger Knoten schnürte sich in meinem Magen zusammen. Alles in mir erstarrte, jede Emotion wich aus meinem Körper, bis nur noch Leere blieb. Ein gähnendes Nichts.
Was wollte er mir damit sagen ? War ich eine Ware, ein Pfand in irgendeinem Spiel ? Würde er mich wirklich an meinen Vater ausliefern ?
Langsam drehte ich mich um und sah zwei Männer, die hinter mir aufgetaucht waren.
Ihre stumme Präsenz wirkte wie ein Käfig, dessen Gitter sich um mich schlossen
»Ich bin auch ein Geschäftsmann« Die Stimme von Liams Vater zog meine Aufmerksamkeit zurück zu ihm. Sein Ton war beiläufig, fast heiter, während seine Worte wie eine Schlinge enger um meinen Hals wurden. Mein Blick wanderte zu Liam. Er stand reglos da und sah mich nicht an, seit sein Vater begonnen hatte zu sprechen.
Was war das hier ? Ein Handel ? Ein Urteil ?
»Und Geschäftsmänner... handeln gern« Sein Grinsen war kalt, berechnend, und ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

Endlich regte sich Liam. »Das war so nicht abgemacht« Seine Stimme schnitt durch die Luft wie ein Messer, rau und entschlossen.
Für einen Moment war sie wie ein Anker in dem Chaos, das mich zu verschlingen drohte.
»Ruhe« Liams Vater wandte sich mit einem Bellen an ihn, seine Autorität unmissverständlich.
Mein Atem wurde flach. Die Panik kroch wie ein unkontrollierbares Zittern durch meinen Körper, breitete sich aus, bis ich das Gefühl hatte, mich aufzulösen.
»Mein Sohn ist auch ein Geschäftsmann« sagte sein Vater schließlich, langsam und mit einem gefährlichen Unterton, »und auch er... handelt gern«
Dann erhob er sich. Sein Blick wanderte zwischen Liam und mir hin und her, eine kalte, kalkulierende Bewegung, die nichts Gutes verhieß.

Die Männer teilten sich auf. Einer von ihnen trat direkt auf Liam zu, während der andere hinter mir stehen blieb, so nah, dass ich seinen Atem in meinem Nacken spüren konnte. Die Luft im Raum war stickig, schwer wie Blei, und voller unausgesprochener Gewalt.
Der erste Schlag kam ohne Vorwarnung. Die Faust des Mannes krachte in Liams Gesicht mit einem ekelhaften, dumpfen Geräusch.
Sein Kopf flog zur Seite, und Blut spritzte auf den Boden, dunkelrot gegen den kalten Beton. Liam taumelte, aber er fiel nicht.
Stattdessen blieb er stehen, wankend, seine Augen halb geschlossen, doch seine Haltung trotzte dem Schmerz.
»Liam« schrie ich, aber meine Stimme verhallte, unbeachtet.
Ein zweiter Schlag folgte, härter, gezielter. Der Mann vor ihm grinste, ein widerwärtiges, triumphierendes Lächeln, das mir den Magen umdrehte.
»Nein« rief ich, doch kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, spürte ich die Hand des Mannes hinter mir. Er legte sie schwer auf meine Schulter, drückte mich nach unten, als wolle er mich zwingen zuzusehen.
»Sei still« zischte er mir ins Ohr, und sein Griff verstärkte sich, bis es wehtat.
Ich konnte nur zusehen, wie der nachste Schlag Liam gegen die Wand schleuderte.
Er prallte mit der Schulter dagegen, stürzte zu Boden, aber er wehrte sich immer noch nicht. Kein Versuch, den Angriff abzuwehren, kein Aufschrei, nichts. Es war, als hätte er beschlossen, die Gewalt einfach über sich ergehen zu lassen, oder war es das was mit dem handeln gemeint war ?
»Aufhören, bitte« schrie ich und wollte aufstehen, wollte rennen, wollte eingreifen, aber der Mann hinter mir drückte mich mit einer unmenschlichen Kraft zurück.
»Hör ihr nicht zu« sagte Liams Vater und winkte beiläufig mit der Hand. »Sie wird sich daran gewöhnen. Das hier ist das Geschäft«

his obsession Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt