Kapitel 3

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"Alice wo bist du denn schon wieder?", hörte sie das laute Gekreische ihrer Mutter. Ihre Augen verdrehend legte sie ihr Buch zur Seite, stand auf und ging aus der Bibliothek, hinaus auf den Gang. "Ich bin hier Mutter, was ist denn los?", "Ah da bist du ja endlich, du sollst doch nicht so oft in der Bibliothek deine Zeit verschwenden, du bist immerhin schon 13 Jahre alt und solltest nach einem passenden Ehemann Ausschau halten, damit du einmal eine gesicherte Zukunft hast.", "Sollte ich diesen Mann nicht vielleicht auch lieben?", fragte Alice obwohl sie die Antwort schon auswendig kannte. "Liebe finanziert dir nicht deinen Lebensstandard!", sagte ihre Mutter, während Alice das Selbe nachplapperte. "Also Mutter was wolltest du mir vorhin unbedingt sagen?", "Natürlich, heute ist ein Ball bei den Carringtons und ich will, dass du dich heute benimmst und nicht wieder so ein Desaster auslöst wie letzte Woche auf dem Ball der Huffingtons!", "Ich habe doch nur gesagt, dass ich Jagen als Sport für unmenschlich halte, was ist daran so schlimm? Darf ich denn nicht eine eigene Meinung haben?", "Aber die Huffingtons und dein Vater gehen schon seit Jahren zusammen auf die Jagd, hast du das mal wieder vergessen?" Nie könnte sie das vergessen, wie lange ist das jetzt schon her, 3 Jahre? An jenem Tag, in jener Lichtung als Mr. Huffington und ihr Vater den Hirsch angeschossen hatten und sie ihm zum Glück eine Chance auf Überleben gegeben hatte. "Alice, Alice, Alice!!!", fuchtelte ihre Mutter mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. "Was?", "Ich habe dir sagen wollen, dass du uns nicht noch einmal so blamieren sollst, dafür bist du die kleine, liebe und brave Alice, für die wir dich verkaufen wollen, verstanden?", "Ja Mutter.", "Nun gut geh jetzt in dein Gemach, deine Zofe wartet dort auf dich.", "Ja Mutter", sagte Alice und machte sich auf den Weg in ihr Gemach. Das sei nun das erste Mal seit diesen 3 Jahren, dass sie Thomas wiedersehen würde, nach dem Vorfall in der Lichtung, wurde Thomas ein paar Tage später auf eine Elite Schule geschickt und wenn er mal in London zu Besuch war, tat ihr Vater alles damit sie sich nicht sehen konnten. Nicht einmal auf ihrem Debüt vor ein paar Monaten konnte Thomas anwesend sein, weil ihr Vater den Termin so gelegt hatte, dass die Carringtons gerade in Schottland waren. Ihr Vater war in solchen Sachen leider sehr gut und listig. Mit einem leichten Lächeln betrat sie ihr Gemach und sah auch schon ihre Zofe die auf sie vor ihrem Spiegel wartete. "Guten Tag Alice, na wollen wir dich heute besonders herausputzen?", fragte sie und zwinkerte ihr zu. "Dir entgeht auch wirklich nichts Margret oder?", lachte Alice und setzte sich vor den Spiegel. "Es ist 3 Jahre her, dass du ihn das letzte Mal gesehen hast oder?", "Ja, seit dem Tag mit dem Hirsch hat mein Vater alles getan, damit wir uns nicht sehen", "Ich erinnere mich, du sahst damals furchtbar aus, am liebsten hätte ich deinem Vater die Leviten gelesen, aber dann hätten deine Eltern mich wahrscheinlich aus dem Haus gejagt und ich hätte nicht mehr auf dich aufpassen können." "Du warst mir mehr eine Mutter als meine eigene, so gesehen bist du die einzige Familie die ich so wirklich habe.", "Naja ich und Mr. Collins", "Achja Mr. Collins, dank ihm spiele ich perfekt die Querflöte und durfte auch ab und zu in den Park gehen zum Üben. Somit hatte ich die Chance auch mal wieder Kontakt zur Natur zu haben." "Dir fehlt der Wald und alle seine Bewohner nicht wahr?", " Ja sehr sogar, aber am meisten fehlen mir die Tage mit Thomas auf unserer Lichtung, wenn wir manchmal einfach nur im hohen Gras gelegen sind und in den Himmel geschaut haben.", "Aber einmal konnten wir dich auf die Lichtung schmuggeln", zwinkerte ihre Zofe ihr durch den Spiegel zu. "Ja aber alleine, Thomas hat mir an dem Tag so sehr gefehlt, aber weißt du das habe ich dir vergessen zu erzählen. Ich hätte damals schwören können mich hätte jemand oder etwas dort beobachtet.", "Etwa ein Mann?", "Kann ich nicht sagen, die Augen hatten etwas menschliches aber irgendwie auch etwas animalisches, als ich dann das Augenpaar erblickte hörte ich nur ein Rascheln und weg war es.", "Sehr mysteriös.", "Ja vor allem kamen mir die Augen bekannt vor, so als hätte ich sie in den 3 Jahren immer wieder gesehen, einmal im Park, einmal in einem Waldstück, so als würden sie über mich wachen." "Au! Margret nicht so fest du reißt mir noch meine Haare aus!", "Verzeih mir Alice, mir ist nur fast eine Strähne durch die Finger gerutscht, so halt kurz still und fertig, tadaaaa!", rief ihre Zofe stolz aus. Alice sah sich im Spiegel an, ihre langen braunen Haare hangen in einem Schwall aus Wellen über ihrem Rücken und vorne waren zwei dicke Strähnen nach hinten geflochten und verschwanden in dem Meer an Wellen hinter ihrem Kopf. "Danke Margret, du bist die Beste!", rief Alice Freude strahlend aus und fiel ihrer Zofe um den Hals. "So das wäre mal die Frisur, nun machen wir uns über dein Gesicht her." Eine halbe Stunde später saß nun auch ihr Make up perfekt und ihre Augen waren sehr dezent betont. "So nun kommt der schwerste Teil, ein Kleid für heute zu finden", lachte Margret und öffnete ihren Kleiderschrank, der fast so groß wie ihr Zimmer war. "Margret ich glaube du weißt welches heute am besten passen würde.", sagte Alice mit großen Augen. Mit einem wissenden Lächeln verschwand sie in ihrem Kleidermeer und kam mit einem ganz bestimmten heraus. Margret half Alice in ihre Strümpfe und die passende Unterwäsche, sowie das zugehörige Korsett. "So nun rein mit dir, es hat immerhin schon lange auf diesen Moment gewartet.", sagte Margret und half ihrem kleinen Schützling in das Kleid. Sie schnürte das edle Gewand am Rücken zu und überprüfte ob alles richtig saß. "Wunderschön", flüsterte sie und ließ Alice sich das erste Mal in diesem Kleid in den Spiegel schauen. Auch Alice konnte ihren Blick kaum abwenden, dieses Kleid ließ sie damals für den Moment machen, wenn sie Thomas wiedersehen würde und heute war der Tag gekommen. Das Kleid war schulterfrei und die Ärmel fingen nur knapp unter ihren Schultern an, das Dekolleté war leicht herzförmig, bis zur Taille saß es eng an, am Rücken war es zugeschnürt mit dünnen schwarzen Bändchen, die Taille abwärts ging der Rock etwas weiter auseinander und wiegte bei jedem Schritt schön mit. Das Beste an diesem Kleid war, dass unten am Rock mit silbernem Faden unterschiedliche Tiere eingenäht waren, das Größte war der Hirsch den sie vor 3 Jahren gerettet hatte. Auf ihrem Kleid steht dieser majestätisch, hat aber den Kopf so gedreht als würde er einem direkt in die Seele schauen wollen. "Alice komm endlich runter!", schrie ihr Vater. Mit einer letzten Umarmung bedankte sie sich bei ihrer Zofe und ging mit ihr gemeinsam die Treppen hinunter. "Na wenigstens siehst du heute akzeptabel aus mein Kind, komm die Kutsche wartet schon.", sagte ihre Mutter und zusammen stiegen sie ein und fuhren zum Carrington Anwesen. Auch wenn die Fahrt nur sehr kurz war, hatte Alice das Gefühl sie hätte ewig gedauert und würde nie enden. Völlig aufgeregt sprang sie schon halb aus der Kutsche wurde aber von ihrem Vater zurückgehalten. Sie straffte die Schultern und versuchte ihre Nervosität und Vorfreude in Zaum zu halten.
"Thomas jetzt halte doch endlich still, ich dachte mit deinen 16 Jahren wärst du schon etwas ruhiger als damals als Kind", tadelte ihn seine Mutter mit einem Lächeln. "Glaubst du sie kommt heute?", "Zugesagt hätten sie, also ich denke schon, aber wie wäre es wenn du nun endlich runter gehst, die Gäste begrüßt und es selber rausfindest?", "Glaubst du sie mag mich noch so wie früher?", "Ich denke schon, 3 Jahre sind ja nicht ein ganzes Leben und ihr ward damals ein Herz und eine Seele." "Du hast recht, danke Mutter, nun gut jetzt bin ich bereit für unsere Gäste.", "Na gut stellen wir uns der Meute.", "Mutter, welche Töne?", lachte Thomas. Er sah noch ein letztes Mal in den Spiegel, ja er hatte sich in den 3 Jahren sehr verändert. Er ist ziemlich gewachsen, sein Haar ist länger geworden, welche ihm zu einem Zopf zusammengebunden worden waren, seine Gesichtszüge sind markanter geworden, er hatte sogar schon leicht an Muskeln zugelegt und die Anzüge die er trug saßen nun endlich perfekt und sahen nicht mehr aus wie ein Meer aus Stoffen in denen er unterging. Mit einem Seufzen machte er sich auf den Weg in den Ballsaal, er sah noch einmal aus dem Fenster und erblickte in der Ferne den kleinen Wald, wo ihre gemeinsame Lichtung war. Wie sehr er Alice vermisst hatte. In den vergangenen 3 Jahren, nach dem Vorfall, hatte ihn Mr. Huffington zu seinen Eltern gebracht und ihnen erklärt sie sollten besser auf ihr Kind aufpassen, da er ihn bei der Jagd fast erwischt hätte. Natürlich ließen ihn seine Eltern dann bis auf die Nieren durch checken und so kam er gar nicht zu Wort um zu erzählen, dass Alice in Gefahr war, durch ihren Vater, mal wieder. Er wollte damals gleich am nächsten Tag nach ihr sehen, doch wusste er, dass man ihn nicht ins Haus lassen würde und so wartete er eine Woche lang immer in der Nähe von ihrem Hinterausgang, doch sie kam nicht heraus und eher er sich versah wurde er nach Eton in die Elite Schule geschickt. Jedes Mal wenn er in London war hatte er gehofft sie wenigstens einmal zu sehen, aber entweder war ihre Familie nicht da oder sie versteckten sie in ihrem Haus. Als Alice ihr Debüt hatte, hätte er Alles dafür gegeben an dem Abend bei ihr zu sein, doch ihr Vater hat genau die Woche gewählt, wo er mit seiner Familie in Schottland war und bis sie dort von ihrem Debüt erfuhren war keine Zeit mehr um hinzufahren. Doch heute war es soweit, die Hatherways würden den Ball besuchen. Aufgeregt nahm er die Position neben seinem dritt ältesten Bruder ein und wartete bis sein Vater den Ball eröffnete. Thomas sah sich im Ballsaal um, er sah viele bekannte aber auch unbekannte Gesichter die alle gebannt auf seinen Vater schauten, doch ein Augenpaar war nicht auf seinen Vater gerichtet, es waren die gleichen großen, runden und braunen Augen die er das letzte Mal vor 3 Jahren gesehen hatte. Doch damals gehörten diese Augen noch zu einem kleinen Mädchen, diesmal gehörten sie einer jungen und atemberaubenden Dame. Er konnte seinen Blick nicht von ihr wenden, das Kleid, ihre Haare, ihr Gesicht und ihre Haltung, nichts erinnerte mehr an das kleine Mädchen von früher, außer ihre Augen die immer noch diesen wilden Ausdruck hatten, den sie immer bekam wenn er und sie zu ihrer Lichtung gingen.
Sie konnte es nicht glauben, war das wirklich Thomas? Ihr Thomas von damals? Er sah so anders aus, weg waren seine kindlichen Züge, stattdessen waren sie sehr markant und vor allem männlich. Seine Haare waren auch länger und dieser Zopf, wie konnte er nur so gut damit aussehen? Halt, Stopp!! Wo kam dieser Gedanken plötzlich her? Sie waren Freunde nichts weiter. Moment hatte er schon immer diese Muskeln gehabt und wo waren sie vor 3 Jahren? Beide starrten sich durch den Raum an und konnten nicht den Blick vom jeweils anderen abwenden. "Meine lieben Gäste, es freut mich, dass sie alle so zahlreich erschienen sind und hiermit eröffne ich nun dieses Fest, möge es ein unvergesslicher Abend werden.", sagte sein Vater bevor die Menge zum klatschen begann und das Orchester die ersten Klänge anspielte.

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