Harry Styles, 26 Jahre

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"Du riechst fantastisch", hauchte Jade in mein Ohr und ich verdrehte innerlich die Augen, während seine Hände über meinen Körper wanderten und die Muskeln meines Bauches nachzeichneten. "Danke", sagte ich und setzte mich auf. "Allerdings muss ich gehen!" 
Der Grünäugige setzte sich ebenfalls auf und sah mich irritiert an. "Wie jetzt? Du bleibst nicht über Nacht?" 
Ich seufzte und schüttelte den Kopf, stand aus dem fremden Bett auf und suchte meine Kleidung zusammen, die ich gleich darauf anzog und meine Haare im Spiegel gegenüber seines Bettes richtete. "Weißt du, einen Spiegel im Schlafzimmer zu haben ist nicht gesund. Killt die Vibes", stellte ich schlicht fest und drehte mich zu ihm um. 

Jade's grüne Augen musterten mich und er legte den Kopf schief, wirkte unzufrieden. Ich zuckte mit den Schultern und hob die Augenbrauen an. "Was ist?" 
Er schnaubte. In dem trüben Licht sah er ihm so gar nicht mehr ähnlich und ein Ziehen meldete sich in meinem Herzen. Das übliche Ziehen, dass ich immer bekam, wenn ich mich fremden Männern hingab, nur um ein wenig zu fühlen. Nach dem Sex fühlte es sich immer gleich an - enttäuschend und unbefriedigend. 
"Ich kann Kerle wie dich einfach nicht ausstehen!" fauchte er und stand ebenfalls auf, zog sich seine Boxershorts an. 
"Kerle wie mich?" fragte ich ihn verblüfft. 
Er sah mich wütend an. "Ja, Kerle wie dich! Die einem Hoffnungen machen und sich dann nach dem Sex verpissen wie elende Loser!" spuckte er mit entgegen. Ich konnte nicht anders, ich musste automatisch lachen und schüttelte den Kopf. 
"Erklär mir das kurz. Wie genau definierst du Hoffnungen machen? Ich habe dich im Club geküsst, habe dich gefragt, ob du vögeln willst. Du hast Ja gesagt und wir sind zu dir gefahren. Ist das Hoffnungen machen?!" fragte ich ihn ein wenig verwirrt und sah ihn an. Ich war ernsthaft interessiert daran, zu verstehen, was genau ihm Hoffnungen gemacht hatte. 
"Verpiss dich einfach!" fauchte er jedoch nur. 

Ich hob die Hände entschuldigend und nickte, zog mir meine Sneaker an und griff nach dem Basecap, dass achtlos auf dem Boden lag. Ich klopfte es ab und sah es mir genauer an, lächelte schwach und setzte es mir auf den Kopf. 
Ich sah Jade an, der nun auch Kleidung trug und die Arme vor der Brust verschränkt hatte. "Es war jedenfalls sehr schön mit dir!" log ich und schenkte ihm ein Lächeln, ehe ich die Wohnung verließ und mich sporadisch verabschiedete. Solche Reaktionen bekam ich öfter, es störte mich also nicht weiter und ich dachte mir nichts dabei. Es zählte für mich sowieso nicht. 

Jade wohnte Gott sei Dank nicht allzu weit von Zayn entfernt und mithilfe von Google Maps fand ich nach nur zwanzig Minuten auch schon das Gebäude, nutzte den Schlüssel, den er mir gegeben hatte und betrat leise die Wohnung. 
Nachdem ich die Schuhe ausgezogen hatte, ging ich auf Zehenspitzen in die Küche und nahm mir so leise es ging ein Bier aus dem Kühlschrank. Ich öffnete es, setzte die Flasche an meinen Mund und leerte die Hälfte in einem Zug. 
"Na das ist ja mal ein gesunder Abschluss der Nacht." 

Erschrocken zuckte ich zusammen, das Bier lief mir aus dem Mund über mein Kinn und auf das Shirt. Ich fuhr herum und blickte direkt in Zayn's Gesicht. Er saß am Küchentisch, den Laptop vor der Nase und sah mich missbilligend an. 
"Verdammte Scheiße, erschreck mich doch nicht so!" sagte ich und ließ mich neben ihm nieder, warf einen Blick auf seinen Laptop. "PowerPoint? Was machst du, arbeiten?" fragte ich ihn verwirrt. Er nickte leicht. "Ich muss für den Kurs eine Präsentation erstellen. Griechische Kunsthistorie. Scheiß öde, aber muss Montag fertig sein", erklärte er mir schlicht. Ich nickte und sah mir den Inhalt einen Moment an, ehe ich beschloss, es sein zu lassen. Es war wirklich sterbenslangweilig. 
Neugierig öffnete ich seinen Browser. "Lou!" mahnte er mich doch ich winkte nur ab, sah in der Taskleiste das Facebook Icon und blickte zu Zayn mit erhobener Braue. "Wer zur Hölle benutzt denn bitte noch Facebook?!" fragte ich ihn lachend. 
"Alle in unserem Jahrgang", antwortete er schlicht.
Ich sah ihn kurz an. "Alle?" fragte ich leise und er nickte. Ich öffnete Facebook und klickte die Suchleiste. In meinem betrunkenen Zustand kam es mir wie eine gute Idee vor. Wie etwas, dass ich definitiv tun sollte. Nur einmal kurz nachsehen. 

Ich fing an zu tippen und als Zayn realisierte, was ich da eingab, wollte er mir augenblicklich den Laptop aus der Hand reißen. "Tu's nicht!" sagte er sofort, doch ich reagierte schnell, sprang auf und lief mit dem Laptop in der Hand vor ihm weg, während ich den Namen eintippte. Harry Styles. 
"Lou, das ist ne beschissene Idee!" rief er. "Du tust dir doch nur selber weh!" 
Ich schüttelte den Kopf. "Ich will doch nur mal sehen, was er so treibt!" sagte ich und öffnete das Profil, welches mir vorgeschlagen wurde. 
Und da war er plötzlich. Harry Styles, 26 Jahre.
Mein Herz setzte aus und mir wurde erneut leicht übel, doch ich scrollte nach unten. Er hatte letzten Samstag etwas gepostet, was mich schon die Augenbraue heben ließ. Harry war nicht mehr mein Harry, wenn er ernsthaft diese Seite benutzte.  Und dann realisierte ich, dass er wirklich nicht mehr mein Harry war. 

Mein Harry war jetzt jemandes Harry. Er war in einer Beziehung. Ein Mädchen namens Lilly Haydes, die vermutlich irgendwann nicht mehr Haydes heißen würde, sondern Styles. 
Langsam stellte ich den Laptop auf der Anrichte im Flur ab und starrte auf das Foto, dass ihn und sie zeigte. Ihre langen, blonden Haare fielen in Wellen über das Spitzenkleid, professionell in Szene gesetzt von einer Fotografin, vermutlich ein Pärchenshooting. Sie sah aus wie eine waschechte Prinzessin, ihre hellblaue Augen strahlten ihn an. 
Ihn. 
Harry. 

Er sah noch immer aus wie Harry, nur ein wenig älter, die Haare kürzer. Sein Gesicht war markanter geworden und ein leichter Bartschatten zierte sein Gesicht. Die grünen Augen leuchteten, die leichten goldenen Akzente waren deutlich erkennbar. Er sah so wunderschön aus, beinahe wie ein Engel. Die braunen Haare lockten sich leicht, glänzten in der untergehenden Sonne wie flüssiges Gold. Mein Herz schrie mich an, die Seite zu schließen, doch ich konnte nicht. 
"Auf unsere zwei Jahre und die nächsten, my love", las ich leise vor und starrte auf die Caption wie ein Irrer. 
Zayn legte die Hand auf meinen Rücken und ich zuckte leicht zusammen, sah ihn an. "Es ist alles gut", hauchte ich leise. 
Mein bester Freund nickte leicht, legte den Arm nun ganz um mich und schloss den Laptop. "Du solltest dir das nicht ansehen. Das hatten wir doch schonmal", sagte er sanft.
Ich schüttelte den Kopf. "Ich bin über ihn hinweg. Ich wollte nur mal aus reiner Neugierde gucken!" verteidigte ich mich sofort, bemüht um einen lockeren Ton. 
Ich konnte Zayn ansehen, dass er mir nicht glaubte, weshalb ich den Kopf ein wenig anhob und ihm fest in die Augen sah. 
"Ehrlich, Zayn. Es ist alles bestens!" 

Ich trank die andere Hälfte meines Bieres aus und stellte die Flasche in die Spüle, ehe ich Zayn ansah, der mich besorgt musterte. "Ich gehe schlafen. Wir sehen uns morgen früh, ja? Mach nicht mehr so lange!" sagte ich mit einem falschen Lächeln und er nickte leicht, sagte jedoch nichts. 
Ich lief ins Badezimmer und putzte mir eilig die Zähne, betrat kurz darauf das Gästezimmer betrat und entkleidete mich und zog eine Jogginghose über, die ich aus meiner Reisetasche zog. Die Wucht, mit der mich meine Gefühle in diesem Moment überrannten, war ich nicht gewohnt, ließ mich einfach nur ins Bett fallen.  Es brannte in meinen Augen und ich legte die Hand auf die Brust, in der es fürchterlich zog und brannte. 
Ich hatte Zayn wieder angelogen, ich war nicht über ihn hinweg. Konnte ich überhaupt über ihn hinweg kommen? Würde Harry für immer alles in mir beherrschen? 

Ich zog die Decke über mich und schluchzte leise auf, konnte mich nicht selbst regulieren, der Alkohol war zu viel gewesen. "Verdammte Scheiße", fluchte ich erstickt und krallte die Finger in meine Haut über meinem Herzen, schüttelte den Kopf. 
Ich bekam es nicht mit, doch plötzlich senkte sich die Matratze neben mir und ein Arm schlang sich um mich. 
Zayn griff nach meiner Hand, zog sie vorsichtig weg und verschränkte unsere Finger miteinander, hielt mich im Arm. 
"Ich will ungern sagen, ich hab's dir ja gesagt", flüsterte er leise und ich schniefte und nickte nur. "Aber du hast es mir gesagt", flüsterte ich zurück. 
Er küsste meinen Kopf. "Es wird irgendwann besser", sagte er.
Ich seufzte leise und antwortete ihm nicht, während ich die Augen schloss und in meinem Selbstmitleid erneut dahin badete. Es war so viele Jahre nicht besser geworden, wieso sollte es das jetzt werden. Zayn hielt mich fest und ich schluchzte immer wieder leise, bis ich mich irgendwann selbst in den Schlaf weinte. 

All This Time | L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt