Louis - Keine weitere Zurückweisung

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Als ich in Oxford ankam,regnete es noch immer in Strömen und somit passte das Wetter ganz hervorragend zu meiner Stimmung. Es war katergrau, der Wind hatte nicht abgenommen und am Himmel zeichnete sich bereits ab, dass erneut ein Gewitter nahte. Ich hasste es und freute mich innerlich einfach nur darauf, mich gleich wieder in meiner Wohnung zu verkriechen und das Bett erst einmal nicht mehr zu verlassen. Lernen konnte ich auch in einer horizontalen Position, dafür musste ich nicht einmal aufstehen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich so gut wie alle Vorlesungen heute schon verpasst hatte, weshalb ich zufrieden in meine Wohnung ging und die Reisetasche achtlos in den Flur warf. Die Schuhe zog ich aus und ließ die klitschnasse Jacke auf die Tasche fallen, ehe ich ins Wohnzimmer lief.
"Du bist echt so unordentlich, es ist so widerlich!"

Erschrocken fuhr ich herum und entdeckte Lottie, die aus der Küche gekommen war und nun meine Jacke ordentlich aufhing und die Schuhe in das dafür vorgesehe Regal stellte, ehe sie mich ansah.
"Willkommen zurück, liebster Bruder", sagte sie ironisch und ich lächelte schwach. „Was machst du denn hier?" fragte ich sie.
"Ich habe gelüftet, damit du eine frische Wohnung hast, wenn du wieder kommst", erklärte sie mir und küsste meine Wange. „Willst du einen Kaffee? Ich habe mir auch gerade einen gemacht."
Ich sah sie skeptisch an. „Bist du eingezogen?"
Lottie lachte laut auf. „Noch nicht, aber ich lasse es dich wissen, wenn es so weit ist!" antwortete sie grinsend und musterte mich. „Geht es dir gut?"

Ich nickte. „Ich bin nur müde.War ein sehr...anstrengendes Wochenende", antwortete ich. „Ich schlafe erst einmal, wir können ja dann später gemeinsam kochen?" schlug ich ihr vor und sie nickte, wirkte noch immer misstrauisch und begutachtete mich ausgiebig. „Klingt gut", sagte sie dennoch. Ich nickte, ging in mein Schlafzimmer und zog mir bequeme Kleidung an, ehe ich mich in das Bett fallen ließ und die Decke über mich zog. Bis zum Kinn zog ich sie hoch, drehte mich in Richtung Wand und blickte auf die weiße Raufasertapete, ehe ich leise seufzte. Hinter meinen Augen entstand ein ziemlicher Druck, der sich nur verstärkte, als wenig später Lottie's Hand über meinen Rücken strich. „Was ist in London passiert, Lou?" fragte sie mich leise.

Ich schluckte und wischte mir über die brennenden Augen. „Nichts, Lots. Alles gut", antwortete ich gepresst und krallte meine Finger in die Bettdecke, um zu verhindern, dass jemand sie wegziehen könnte. Ich wollte in der Wärme bleiben, am liebsten für immer.
"Lou?" hakte sie leise nach.
Ich schluchzte leise auf und ehe ich mich versah, heulte ich bereits. Das hatte ich bereits im Zug getan, die halbe vergangene Nacht und gestern Abend in der U-Bahn, als ich Harry in Greenwich hatte stehen lassen. Genau genommen also die ganze Zeit. Lottie legte sich neben mich und legte den Arm um mich. Sie hielt mich fest, während ich unkontrolliert schluchzte und gar nicht mehr an mich halten konnte. Harry zu sehen und mit ihm zu sprechen hatte mir vor Augen geführt, dass ich nie eine Chance bei ihm gehabt hatte. Er hatte nicht einmal eine gute Erklärung für sein damaliges Verschwinden, wieviel konnte ich ihm also wert sein? Diese Erkenntnis, auch wenn ich es wohl tief in mir bereits gewusst hatte, traf mich mit voller Wucht und ließ mein Herz erneut brechen. Ich würde niemals mit ihm zusammen sein können. Würde ihn mein ganzes Leben nur aus der Ferne beobachten können. Nur schauen, niemals anfassen.

"Kannst du bitte mit mir reden? Was ist passiert?" fragte Lottie, in ihrer Stimme hörte ich die eindeutige Besorgnis und ich schluchzte erneut auf. „Ich habe Harry getroffen", sagte ich weinerlich und wischte mir grob über das Gesicht. Lottie reichte mir ein Taschentuch, dass ich dankbar annahm und mir damit die Nase putzte.
"Harry Styles etwa?" fragte sie leise nach, woraufhin ich nickte und sie nicht ansah. „Hazza", murmelte ich.
"Oh Lou, was hat er getan?" fragte sie besorgt.

Lottie kannte Harry. Sie war nur drei Jahre jünger als ich, war also ebenso mit ihm in ihrem Leben aufgewachsen. Als er weg war, war auch sie traurig darüber und hatte mich durch diese schwere Zeit gebracht. So wie Harry immer auf mich Acht gegeben hatte, hatte er das mit Lottie auch getan, als diese alt genug war und die Jungs auf sie aufmerksam wurden. Ich drehte mich zu ihr und sah sie todtraurig an. „Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen und dann hätte ich das Aufeinandertreffen mit ihm verhindert", flüsterte ich verletzt. Sie blickte mich völlig verwirrt an, weshalb ich ihr alles erzählte. Von der Mail, von dem Treffen im Restaurant und dem Pub. Als ich fertig war, sah mich Lottie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ganz schön viel für ein Wochenende", stellte sie fest.
Ich nickte. „Ich habe ihm gesagt, dass meine Mail ein Spaß war", flüsterte ich und schloss die Augen.
„Aber warum?" fragte Lottie, was mich mit den Schultern zucken ließ. „Weil ich keine weitere Zurückweisung von ihm ertrage."
Sie küsste meine Wange. "Du vermisst ihn also noch immer?"
Ich nickte sofort. „Jeden Tag seit acht Jahren ein bisschen. Als ob etwas fehlt in meinem Leben. Und jetzt, wo ich ihn gesehen habe, tut es noch viel mehr weh", antwortete ich ihr betrübt.

Lottie schlang ihre Arme fester um mich und küsste meinen Kopf. „Ich glaube, dass ihr euch aussprechen müsst. Ihr solltet klären, was damals passiert ist. Harry ist dir eine Erklärung schuldig, Lou, das weißt du", sagte sie. Ich seufzte und schloss die Augen. „Ihn zu sehen hat wehgetan. Ich will das nicht noch einmal durchmachen", flüsterte ich.„Vielleicht sollte ich Alex anrufen..."
"Das ist eine wirklich beschissene Idee!" sagte sie sofort.
"Warum?" fragte ich, wobei ich keine echte Antwort erwartete. Ich wusste, dass die Idee beschissen war. „Ihr habt euch beide wehgetan."

Ich öffnete die Augen und sah Lottie überrascht an. Sie zuckte mit den Schultern und sah mich weiter an. „Lass die Finger von unsicheren Männern, Lou. Außerdem wirst du niemals einen echten Partner finden, wenn du alle mit Harry vergleichst", sprach sie und überraschte mich erneut mit dieser erwachsenen Art, die sie in der letzten Zeit entwickelt hatte. Ein trauriges Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. „Danke, Lots",flüsterte ich.
Sie lächelte und nickte. „Soll ich einkaufen gehen? Dann kannst du ein bisschen schlafen und dann kochen wir?" schlug sie vor.
"Klingt gut, ja", sagte ich leise. Sie stand auf und ich griff nach meinem Handy. Als sie gegangen war, öffnete ich Instagram und checkte meine Benachrichtigungen. Ich hatte zwei neue Followeranfragen. Niall Horan, dessen Anfrage ich sofort annahm, und Harry.

Ich seufzte, ehe ich sein Profil aufrief. Anders als bei Facebook, war seine Freundin hier kaum präsent, bis auf die getaggten Fotos, die sie auf ihrem eigenen Profil teilte. Harry teilte Bilder von Büchern, von Sonnenuntergängen und wilden Wiesen, hin und wieder durchbrochen von Selfies und Fotos mit Freunden. Auf insgesamt 3 von 150 Beiträgen war die wunderschöne Blondine zu sehen, eine ziemlich niedrige Quote. Ich suchte nach Hinweisen, ob er noch der Harry war, den ich damals kannte. Allein seine Augen auf den Bildern zu sehen, ließ mein Herz höherschlagen. Das Lächeln, die Grübchen, die wilden Locken. Ich schloss einen Moment die Augen und atmete tief durch, ehe ich die Anfrage von ihm löschte und das Profil wieder schloss.
Auf dem Bildschirm ploppte eine Benachrichtigung auf. Niall hatte mir eine Direktnachricht gesendet, die ich neugierig öffnete.

N: Mega, dass wir uns wiedergesehen haben! Es ist so lange her!

Lächelnd antwortete ich ihm, dassich mich ebenso freute und zwischen uns entstand ein kleines Gespräch. Dann rief er mich plötzlich an. Ich nahm den Anruf an und stellte auf Lautsprecher.„Hey, Niall" sagte ich schmunzelnd.
"Louis! Pass auf, schreiben ist nervig, daher rufe ich direkt an. Ich habe ein Angebot für dich!" sagte er und ich runzelte die Stirn. „Ein Angebot, dass ich nicht ausschlagen kann?" fragte ich und musste kichern, bei der Anspielung an den Film Der Pate.
"Ich hoffe es", antwortete Niall. Er hatte sie nicht verstanden. Ich lachte leise deshalb, ehe ich ihm antwortete. „Um was geht's denn?"
"Ich habe zwei Konzertkarten und würde dich gerne einladen!"
Nun lachte ich wirklich verwirrt auf. „Ähm...zu einem Konzert? Wer spielt denn? Und wo?"

"Ist so eine neue Band, The Mentalists. Eher so rockig. Was sagst du, hast du Lust? Es wäre eine coole Möglichkeit, mal wieder zu quatschen!" sprach Niall und ich wurde irgendwie neugierig. Nicht, weil er mit Harry befreundet war, natürlich.
"Wann und wo?" fragte ich ihn.
"Nächste Samstag in London, du wohnst doch auch in London, oder?"
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich wohne in Oxford. Aber kein Thema, ich kann bei meinem besten Freund schlafen", antwortete ich und schrieb parallel Zayn, dass ich in nur fünf Tagen erneut bei ihm aufschlagen würde. „Dann freue ich mich auf Samstag! Mega, dass du mitkommst! Ich schicke dir später das Ticket und alle Details, alles klar?"
Ich nickte lächelnd. „Alles klar, Nialler. Bis dann", sagte ich und wir legten kurz darauf auf. Ein wenig zufriedener war ich, denn ich wusste, wenigstens nächsten Samstag würde ich nicht Trübsal blasend in meiner Wohnung hängen müssen.

All This Time | L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt