Louis - Offiziell

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"Lou? Ich glaub..." hauchte Harry und stockte, während er mit aufgerissenen Augen auf das Schild der Polizeistation vor uns starrte. Er umklammerte mit der einen Hand sein Handy, die andere hatte sich fest in meine gekrallt. 
"Was glaubst du?" fragte ich ihn sanft und sah ihn besorgt an. Harry war verarztet worden, sein Augenlid musste genäht werden und seine angebrochene Nase hatten sie ebenfalls versorgt. Wenn ich ihn so ansah, konnte ich kaum meine Tränen zurückhalten. Er war so unglaublich tapfer. 

Er sah in meine Augen und da war sie wieder. Die Angst, die in den letzten Tagen beinahe komplett verschwunden war. Sie war wieder absolut präsent zu sehen und ich schluckte leicht, während er zurück zum Schild sah. 
"Ich glaube, ich kann das nicht", flüsterte er. 
Sanft drückte ich seine Hand und lehnte den Kopf gegen seine Schulter. "Egal, wie du dich entscheidest, ich stehe hinter dir, okay? Aber darf ich meine Meinung dazu sagen?" 
Harry sah wieder zu mir und nickte. "Natürlich, Lou." 
"Wenn du es nicht tust, wirst du nicht frei sein. In deiner Hand hast du alles, was du brauchst, um aus deiner Hölle zu kommen. Und das willst du doch, oder?" sagte ich ihm sanft und er nickte leicht und atmete tief durch. 
"Ich habe so furchtbare Angst..." wisperte er. 

"Ich weiß, mein Engel!" sagte ich sofort und umarmte ihn vorsichtig, um die geprellte Rippe nicht zu berühren und ihm somit keine Schmerzen zu bereiten. "Aber ich bin bei dir, ja? Ich passe auf dich auf und ich bin die ganze Zeit für dich da. Dir kann nichts passieren und wenn wir hier fertig sind, kannst du durchatmen, Hazza." 
Harry sah zu mir und zum ersten Mal schlich sich ein warmes Lächeln auf sein Gesicht. "Ich sag es dir ehrlich, Lou, du bist das Beste, was mir jemals passiert ist", sagte er leise. 
Ich wurde leicht rot und lächelte scheu, lehnte das Gesicht gegen seinen Arm. "Hör auf damit", murmelte ich und kicherte leise. 
Er strich mir über die Wange und atmete tief durch. 
"Ich denke, jetzt bin ich bereit." 

Ich küsste noch einmal seine Wange und dann gingen wir hinein. Der Polizeibeamte am Tresen war freundlich und ich konnte Harry ansehen, dass er ein wenig ruhiger wurde. Seine Hände zitterten trotzdem, weshalb ich ihm immer wieder beruhigend über den Handrücken strich. Auch ich war nervös. Ich wusste nicht, ob ich dabei sein durfte, doch das wollte ich unbedingt. Ich wollte für ihn da sein, in jeder Situation. 
"Kommen Sie mit!" sprach der Beamte und zeigte auf uns Beide.
"Darf er mitkommen?" fragte Harry hoffnungsvoll und der junge Mann nickte uns zu. Erleichtert sah Harry mich an und ich lächelte ihn an, ehe wir dem Mann in die Hinterräume folgten. Der kleine Raum war muffig, die grauen Wände wirkten beengend. Ich mochte mir nicht vorstellen, wie Harry sich gerade fühlte. 
"Das fühlt sich an wie eine Zelle", murmelte er und ich lachte leise auf. Fragend sah er mich an und ich schmunzelte. "Hab ich auch gerade gedacht." 

Harry's Aussage gegen Desmond dauerte ganze drei Stunden. In der Zeit erzählte er dem Beamten einfach alles. Von seiner Zeit im Camp, seinen Suizidversuchen, den unzähligen Zeiten, in denen Desmond ihm gegenüber gewalttätig geworden war. Als Harry erzählte, dass er ihn das erste Mal verprügelt hatte, nachdem er seinen zweiten Suizidversuch überlebt hatte und gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde, liefen mir bereits die Tränen. Die Erzählungen der Zeit danach bis heute machten es nicht besser. 
Und dann zeigte er dem Beamten das Video. 

Die Aufnahmen zu sehen war die reinste Hölle. Harry ließ all die Beleidigungen und Gewalttaten über sich ergehen, während er ihm immer wieder sagte, dass er nichts für seine Sexualität konnte und dass er es nicht weiter verstecken wollte. Ich wischte mir über die Augen, griff nach seinen Händen und drückte sie. In seinen Augen waren ebenfalls Tränen. Als die Aufnahme endete, sah der Beamte Harry an. 
"Es ist gut, dass Sie hergekommen sind, Mister Styles", sagte er zu ihm und der Lockenkopf nickte mit zitternder Unterlippe und sah auf unsere Hände. "Ich halte das nicht mehr aus, ich muss mich befreien", hauchte er. 
Ich streichelte seinen Rücken und sah den Beamten an. "Hat er denn eine Chance, dass Desmond bestraft wird für seine Taten?" 
Der Mann nickte. "Ja. Wir reden hier von schwerer Körperverletzung, Nötigung und Diskriminierung.  Wenn Sie einverstanden sind, machen wir die Anzeige gegen Ihren Vater offiziell und dann wird ein Verfahren eingeleitet." 

Harry seufzte auf und nickte leicht. "Unbedingt, ich möchte es offiziell machen!" antwortete er ohne zu zögern. 
Gleichermaßen stolz und besorgt sah ich ihn an, während er den Papierkram mit dem Beamten erledigte und konzentriert jede Zeile und jedes Blatt durchlas, dass er unterschreiben musste. Er schlug sich ganz fantastisch, das musste ich ihm lassen. 

Als wir schließlich bei Zayn wieder in die Wohnung eintraten, war es vier Uhr morgens. Ich war völlig am Ende, Harry ging es genauso. Wir versuchten so leise wie möglich zu sein, doch sowie wir die Schuhe ausgezogen hatten, stand Zayn im Türrahmen und sah uns verschlafen an. "Wie ist es gelaufen?" fragte er. 
Harry lächelte ihn leicht an. "Die Anzeige ist erstattet und es wird nun ernst." 
Zayn nickte. "Ich freue mich für dich, Harry. Wir sind alle für dich da okay?" 
Der Lockenkopf nickte lächelnd und lehnte sich an mich. "Wir sollten schlafen, Lou. Du musst in drei Stunden wieder aufstehen", sagte er zu mir gewandt und ich zuckte mit den Schultern. "Damit komme ich klar, aber ja, lass uns ins Bett." 
Ich umarmte Zayn noch einmal fest. "Danke", wisperte ich so, dass nur es es hören konnte, dann nahm ich Harry's Hand und führte ihn in mein Gästezimmer. Ich half ihm beim Ausziehen, entkleidete mich danach selbst und wir legten uns gemeinsam hin. 

Harry ächzte leise auf, als er sich zur Seite drehte, um sein Bein und seinen Arm um mich zu legen. Seinen Kopf bettete er auf meiner Brust und ich fuhr mit seinen Händen in seine Haare, atmete tief durch. 
"Ich fasse nicht, was heute passiert ist", hauchte ich. 
Harry nickte. "Bist du böse auf mich?" murmelte er kaum verständlich und ich küsste seinen Kopf. "Auf keinen Fall bin ich böse auf dich, Hazza. Ich liebe dich. Ich find zwar nach wie vor, dass du mir deine Liebe nicht beweisen musstest, zumindest nicht so, doch ich bin trotzdem furchtbar stolz auf dich. Du hast dich endlich zur Wehr gesetzt, Baby", sprach ich sanft und kraulte seinen Kopf, ließ ihn genüsslich hörbar ausatmen. 
"Ich liebe dich so sehr, Boo." 

Lächelnd biss ich mir auf die Lippe und seufzte leise auf. "Ich bin so froh, dass ich endlich diese Worte von dir höre", sagte ich leise.
Er sah zu mir. "Greifst du mal neben das Bett und nimmst meine Geldbörse?" fragte er mich. Stirnrunzelnd sah ich ihn an. "Du weißt, du musst mich nicht bezahlen, oder?" scherzte ich und er lachte auf, verzog jedoch gleich darauf schmerzerfüllt das Gesicht. 
"Idiot", murmelte er amüsiert und ich lachte leise, griff nach der Geldbörse und reicht sie ihm. Er zog einen Zettel daraus hervor, den er mir reichte. 
Neugierig faltete ich das Papier auf und stellte mit Entsetzen fest, dass es sich um meine Mail handelte. Die Wörter, die mein 13-jähriges Ich formuliert hatte, kamen mir kitschig und albern vor und ich wurde knallrot beim Lesen. 
"Wirf das weg", sagte ich. 
"Auf keinen Fall! Dieses Stück Papier hat unsere Geschichte aufleben lassen, Boo", sagte er und zog noch etwas aus der Geldbörse, reichte auch das sofort in meine Richtung. Es war ein Foto von uns. 

"Oh mein Gott, wie alt waren wir da?" hauchte ich und sah es mir genauer an. Er saß hinter mir auf der Couch meiner Mutter, während ich zwischen seinen Beinen saß. Wir beide grinsten wie Honigkuchenpferde in die Kamera, während seine Arme um mich geschlungen waren. Wir sahen unfassbar glücklich aus. 
"Vierzehn", sagte Harry lächelnd und sah mir in die Augen. "Das Foto hat mich durch all die beschissenen Zeiten gebracht, Boo. Immer, wenn ich nicht mehr weiter wusste, habe ich es herausgeholt und mir angesehen." 
Berührt von seinen Worten strich ich über das Bild und sah ihn schließlich an. "Ich liebe dich, Hazza. Wirklich, ich liebe dich so sehr, schon mein halbes Leben." 
Er lächelte breit und wurde rot. "Ich liebe dich auch, Boo." 
Und endlich, nach unzähligen, gefühlt nie enden wollenden Stunden, legten sich unsere Lippen aufeinander und wir küssten uns so liebevoll, dass mein Körper beinahe vor Glück hätte platzen können. 

All This Time | L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt