Louis - Lange her

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Meine Nervosität war am Freitag Abend auf einem ganz neuen Level angelangt. Beinahe schon ungesund, so kam es mir vor. Mein Herz raste, während ich die Wohnung fanatisch putzte. Es sollte alles perfekt sein, wenn er hier ankam. Ich schmiss den ausgetrockneten Blumenstrauß, den Lottie vor ein paar Tagen auf den Küchentisch platziert hatte, in den Müll und sah mich zufrieden um. Es sah ordentlich aus, die Sachen waren alle weggeräumt und ich hatte nicht einmal dreckiges Geschirr in der Spüle. Alles war sauber. Ich hatte mir Mühe gegeben und wenn er den Flurschrank, in dem ich alles Herumliegende verstaut hatte nicht öffnete, dann war alles gut. Sollte er das tun, würde er wohl begraben werden, doch darum konnte ich mich jetzt nicht kümmern. 

Voller Stolz sah ich noch einmal auf den Brief, der mir bestätigte, dass ich mein Studium erfolgreich abgeschlossen hatte und nun einen Master besaß. Voller Glück hatte ich Lottie und Zayn davon ein Foto geschickt. Meine Laune war auf dem absoluten Höhepunkt. Nichts konnte mich herunterbringen. Ich hatte einen Master, Harry würde gleich hier auftauchen und in nur einer Woche würde ich nach London ziehen. Es fühlte sich alles beinahe...richtig an. 

Die Klingel holte mich aus meinen Gedanken und ich eilte zur Tür, drückte den Summer und prüfte mich anschließend noch einmal im Spiegel. Das weiße Shirt saß perfekt, es war unbefleckt und die Haare saßen auch wie sie sollten. Zufrieden nickte ich mir selbst zu, dann öffnete ich die Tür. Die braunen Locken sah ich zuerst, als Harry die Treppe nach oben lief. In der Hand hielt er eine braune Reisetasche. Als er den Kopf zu mir drehte, schnappte ich beinahe nach Luft. Er sah so unglaublich gut aus. Langsam kam er auf mich zu, ein jungenhaftes Lächeln auf den Lippen, seine Augen funkelten vor sich hin. "Hi", hauchte ich. 
Er grinste mich an. "Hey, Boo. Ich hab's gefunden!" antwortete er und zog mich in eine feste Umarmung, nachdem er die Reisetasche fallen ließ. Ich schlang die Arme um ihn und seufzte zufrieden auf. "Schön, dass du da bist", flüsterte ich.

Als er sich löste, lächelte er und nickte. "Danke für die Einladung." 
Das war mein Zeichen, weshalb ich ihm den Weg freimachte und eine einladende Armbewegung ausführte. "Komm ruhig rein. Fühl dich wie zuhause!" sagte ich. Der Lockenkopf lächelte weiter, trat ein und stellte die Tasche neben dem Spiegel ab. Er zog die Schuhe aus und folgte mir ins Wohnzimmer. Es war spärlich eingerichtet, die meisten persönlichen Dinge hatte ich bereits in Kisten, bis auf die Fotos der Familie. 
Harry musterte alles und ich legte die Hand auf seinen Rücken. Sofort sah er zu mir. "Magst du etwas trinken?" fragte ich ihn. 
Er nickte lächelnd. "Gern. Hast du Bier da?" 
Lachend nickte ich. "Was denkst du denn?!" sagte ich, eilte in die Küche und öffnete uns zwei eiskalte Bier aus dem Kühlschrank. Als ich zu ihm zurück ging, sah er sich die Bilder an und einen Moment stockte ich, ehe ich weiter auf ihn zuging und ihm das Bier in die Hand drückte. 

"Wie geht es allen?" fragte er und sah mich neugierig an. 
"Allen?" fragte ich ihn und nahm einen großen Schluck Bier. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er direkt meine Familie ansprechen würde. So war das nicht geplant gewesen. Doch er schmunzelte und ließ sich auf meiner Couch nieder, klopfte neben sich auf das Polster und ich folgte der Einladung, ließ mich neben ihn fallen. "Deinen Geschwistern, deinen Eltern. Was macht deine Mom so? Arbeitet sie noch immer im Krankenhaus?" fragte er sanft.
"Lottie studiert auch hier, es geht ihr sehr gut. Sie übernimmt meine Wohnung wenn ich umziehe. Den anderen Mädchen geht es auch gut. Sie sind in Doncaster. Außer Daisy, die ist in Berlin, studiert dort Modedesign", antwortete ich. 

"Modedesign in Berlin, wow", sagte er beeindruckt und stützte den Kopf in seine Handfläche, sah mich lächelnd an. "Und wie geht es Jay?" fragte er erneut. 

Ich wollte ihm nicht antworten, doch er ließ mir keine Wahl. Wieder erinnerte ich mich daran, dass er und ich niemals Geheimnisse hatten. Damals. Doch ich wollte das Wochenende nicht mit einem Stimmungskiller beginnen. Sein Blick war fragend geworden, während ich schluckte und nervös am Etikett der Bierflasche nestelte. 
"Lou?" fragte er leise. 
Ich nickte, atmete tief durch. "Sie...Mom ist..." Ich stockte, sah ihn nicht mehr an. "Sie ist nicht mehr..." Seufzend brach ich ab, da nahm er meine Hand und drückte sie sanft. Ich sah in seine Augen, sah die Fragezeichen und die eindeutige Verwirrung. Ich atmete noch einmal tief durch. Es auszusprechen fiel mir normalerweise nicht allzu schwer, doch vor ihm war alles anders. Er hatte sie gekannt. "Meine Mom ist vor drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen." 

Seine Augen wurden groß, ich hingegen immer kleiner. Ich ließ den Blick gesenkt und presste die Lippen aufeinander. "Scheiße, Lou, das tut mir so leid", hauchte er. Ich nickte leicht und zwang mich zu lächeln. "Alles gut. Es ist...lange her." 
Er schüttelte den Kopf und rutschte näher an mich heran, legte die Hand an meine Wange und zwang mich so, ihn anzusehen. Er sah mich betreten an. "Und ich war nicht für dich da", hauchte er kaum hörbar, streichelte meine Wange zärtlich. In meinen Augen bildeten sich unmittelbar Tränen, die ich wegblinzelte. "Nicht deine Schuld", antwortete ich gepresst. Er nickte, kam mir noch näher und dann zog er mich in seine Arme. Sofort schlang ich meine eigenen um seinen Körper und schloss die Augen. Er roch so gut. Nach Minze und herbem Männerparfum. Ich schluckte. "Ich wollte das Wochenende nicht so beginnen", flüsterte ich. 

Harry küsste meinen Kopf sanft und ich vergrub mich noch mehr in ihm, genoss die Körperwärme und das gute Gefühl, dass mich durchströmte, wenn er mich berührte. "Wir können uns alles erzählen", sagte er leise. "Die schlimmen Dinge gehören dazu, oder nicht?" fügte er hinzu. 
Ich nickte nur, presste mich an ihn. Es war alles was ich brauchte. Seine Umarmung, seine Berührungen. Harry war damals mein Rettungsanker gewesen. Hier in seinen Armen fühlte es sich so an, als wäre das noch immer so. Eine wundervolle Illusion, der ich mich einfach nur hingab, um diese Wärme weiter zu haben. 

Irgendwann lösten wir uns und tranken beide einen großen Schluck. Ich sah zu ihm. "Hast du Lilly gesagt, wo du bist?" fragte ich leise. 
Er nickte sofort. "Sie weiß, dass ich bei dir bin." Plötzlich lachte er bitter auf. "Sie fand die Idee sogar gut! Hat mir gesagt, sie freut sich für mich, dass wir uns endlich wieder haben." 
Nervös sah ich ihn an und kaute auf meiner Lippe. "Sie scheint nett zu sein", antwortete ich. Der Lockenkopf kicherte leise und sah mich amüsiert an. "Du kannst sie nicht ausstehen." 
Röte schoss in mein Gesicht und ich grunzte unzufrieden. "Das habe ich überhaupt nicht gesagt", murmelte ich ertappt und er lachte mehr und zog mich an sich, sah mir in die Augen. "Du warst schon immer so ein schlechter Lügner", wisperte er, strich mir sanft durch die Haare. "Schön zu sehen, dass sich das nicht geändert hat." 

Nickend lehnte ich mich gegen ihn und sah hoch zu ihm. Sein Blick wurde verträumt und er strich mir mit den Fingern über den Oberarm. "Weißt du noch, wie wir früher immer eingeschlafen sind gemeinsam?" fragte er.
"Bist du müde?" stellte ich die Gegenfrage. Harry lachte leise und schüttelt den Kopf. "Kein bisschen, Boo."
"Ich erinnere mich daran. Ich erinnere mich an alles", antwortete ich ihm leise und er nickte und schloss die Augen. "Ich mich auch", hauchte er.
Wieder sah ich zu ihm. "Haz?"
"Ja, Lou?" Er lächelte mich an. 
"Alles in der Mail war ernst gemeint", flüsterte ich unsicher. 

Er blickte mich einen Moment einfach nur an, dann drückte er mein Kinn mit seiner Fingern ein wenig hoch und kam mir näher. Seine Lippen streiften meine und eine Gänsehaut überkam mich. Mein Puls verschnellerte sich, mir wurde warm. Er hatte eine wahnsinnige Wirkung auf mich, weshalb ich auch ehrlich sein musste. Er musste wissen, dass ich ihn schon damals geliebt hatte. Dass ich es noch immer tat. Doch bevor ich ihm das sagen konnte, küsste er mich zärtlich. 

Ich erwiderte sofort und er drückte mich ein wenig nach hinten. Ich folgte seiner stummen Aufforderung, ließ mich in die Kissen sinken und er beugte sich über mich, küsste mich weiter, während seine Hand unter mein Shirt glitt und über meinen Bauch streichelte. Ich stieß mit der Zunge gegen seine Lippen, fuhr hinein als er seinen Mund leicht öffnete und spielte mit seiner Zunge, seufzte zufrieden auf und platzierte meine Hände in seinem Nacken. Harry keuchte leise und drückte sich an mich, löste seine Lippen und sah mich mit einem Funkeln in den Augen an. "Geh mit mir ins Schlafzimmer", bat er mich. 

All This Time | L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt