Louis - Ich sehe nur dich

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Nachdem wir uns gesäubert hatten, lagen wir eine ganze Weile nur so in meinem Bett, keiner von uns sagte etwas. Ich genoss die Nähe, hielt meine Augen geschlossen und wünschte mir, niemals aus diesem Traum aufzuwachen. So lange wir hier gemeinsam lagen, gehörte er mir. Ich konnte seine Wärme spüren, ich konnte ihn streicheln und ich konnte ihn küssen. Ich wollte um jeden Preis, dass dieser Moment für immer anhielt, auch wenn das nicht möglich war.
"Was geht dir so angestrengt im Kopf herum, hm?" fragte er mich. 

Ich sah zu ihm und schüttelte den Kopf. "Gar nichts", log ich. 
Harry küsste meine Stirn. "Du vergisst, dass wir uns schon seit immer kennen", erinnerte er mich, ließ mich leise lachen und ich schüttelte amüsiert den Kopf. "Hör auf mich so gut zu kennen", flüsterte ich und kuschelte mich an ihn heran. Er legte fester die Arme um mich und seufzte auf. "Niemals." 
Mit einem müden Lachen sah ich hoch zu ihm und er lächelte mich sanft an, atmete schließlich tief durch und schloss die Augen. "Lou, kann ich dich was fragen?" 
Ich nickte. "Natürlich, Haz. Alles", antwortete ich. 
Es dauerte einen Moment, ehe er sprach. Er schien sich Zeit zu lassen, die richtigen Worte zu suchen. Ganz automatisch wurde ich nervös. 
"Denkst du, dass das was wir hier tun, also...dass es eine Sünde ist?" 

Stirnrunzelnd sah ich zu ihm. Er hatte die Augen geschlossen, Sorgenfalten waren in seinem Gesicht entstanden. Ich atmete schwer aus. "Nein, das denke ich nicht. Weißt du, Mom hat mir immer gesagt, dass es völlig egal ist, wen man mag. Die wichtigste Sache ist, dass man glücklich ist mit sich selbst", antwortete ich ihm mit sanfter Stimme. 
Er verzog gequält das Gesicht und nickte leicht. "Deine Mom war eine großartige Frau, Boo. Ich mochte sie sehr. Wirklich sehr." 
Nickend seufzte ich und sah an die Decke. "Sie war perfekt", flüsterte ich. 
Harry küsste meine Stirn sanft. "Habe ich dir je erzählt, dass sie mir mal die Leviten gelesen hat wegen dir?" 

Leise lachte ich und sah ihn an. "Wirklich?" 
"Ja!" sagte er grinsend. "Sie hat mich nach der Schule abgefangen und mir erzählt, dass du meinetwegen traurig bist und dass ich dich um keinen Preis verletzen soll, weil sie sich sonst vergisst." 
Peinlich berührt verzog ich das Gesicht und schüttelte den Kopf. "Gott, wie unangenehm", murmelte ich, woraufhin er mich lachend enger an sich zog und meine Wange küsste. "Nein, ich fand es immer toll, sie hat dich immer verteidigt wie eine Löwin. Das habe ich ich immer beneidet, wenn ich ehrlich bin", entgegnete er sanft.
Ich nickte. "Du hast es auch verdient, dass jemand um dich kämpft, weißt du das?" fragte ich ihn leise und vorsichtig. Er lachte leise, doch es war nicht belustigt, eher verbittert. 
"Das habe ich nicht, Lou. Ich habe Sünden begannen und ich bin vom Weg abgekommen." Er räusperte sich leise. "Jetzt schon wieder", fügte er kleinlaut hinzu. 

Ich setzte mich auf und sah ihn an. "Bereust du das hier?" fragte ich ihn geradeheraus. Mein Puls beschleunigte sich, aber nicht auf die angenehme Art von vorhin. Stattdessen sah ich ihn ängstlich an. Er setzte sich ebenfalls auf und schüttelte fest mit dem Kopf, legte die Hand auf meine Wange und streichelte mich zärtlich. "Nein, Boo. Ich bereue rein gar nichts. Doch da liegt ja mein Problem. Mir wurde eingetrichtert, dass homosexuell zu sein falsch ist. Dass ich kein guter Mensch bin." Er sah mich mit seinen grünen Augen hilflos an. "Ich dachte immer ich bin ein guter Mensch, das dachte ich wirklich", fügte er flüsternd hinzu.  
Ich setzte mich aufrechter hin und nahm sein Gesicht in meine Hände und er sah mich mit großen Augen an. "Haz? Du bist ein wundervoller Mensch. Das warst du schon immer. Es bricht mir das Herz, dass du dir solche Dinge einreden lässt. Wenn du Männer attraktiv findest, dann macht dich das nicht zu einem Sündiger!" Er kaute auf seiner Lippe und ich konnte erkennen, dass er mir keinen Glauben schenkte. 
"Was haben die dir nur angetan?" hauchte ich fassungslos. 

Er seufzte und ließ sich wieder in die Kissen fallen, zog mich mit sich und ich legte die Hand auf seiner Brust ab, streichelte ihn zärtlich. "Wenn ich es dir erzähle, dann wirst du Mitleid haben. Und dann wirst du mich ganz automatisch anders behandeln." Er schüttelte den Kopf. "Das will ich aber nicht. Ich will, dass du mich so behandelst, als wäre ich noch dein bester Freund. Als wären die acht Jahre niemals passiert." 
Ich lächelte und sah ihn an. "Haz, du hast keine Ahnung, was du mir bedeutest, oder?" fragte ich ihn einfach und er wirkte nachdenklich. "Ich habe dir so wehgetan..." 
Nickend nahm ich seine Hand. "Das hast du, ja. Aber ich konnte dich die letzten acht Jahre einfach nicht vergessen. Und das werde ich, denke ich, niemals können." 

Er legte unvermittelt die Lippen auf meine und küsste mich zärtlich, dann lehnte er die Stirn gegen meine und seufzte leise. "Okay, Lou. Pass auf", murmelte er. Angespannt nickte ich. Was ich gleich hören musste, würde mir sicherlich nicht gefallen. Er atmete tief durch. "In diesen Camps hat man tägliche Therapiestunden, bei denen einem eingebläut wird, dass man gegen diese...Krankheit...ankämpfen muss. Hypnose, Medikamente, es war alles dabei. Das alles habe ich gut überstanden und es hat nicht gefruchtet." 
Ich nickte. "Wie auch? Du bist nicht krank." 
Harry lächelte schwach, ließ die Augen geschlossen. "Die Therapeuten haben anschließend andere Methoden angewendet. Ich habe...also...ich denke, das war das Schlimmste. Es gab...Elektroschocks..." flüsterte er. 
Schockiert sah ich ihn an. "Elektroschocks?" hauchte ich, sah sein vorsichtiges Nicken. "Dreimal die Woche, für vier Monate. Wenn es nicht gefruchtet hat, dann bekam ich nichts zu essen. Manchmal tagelang. Irgendwann habe ich beschlossen, einfach zu lügen und so zu tun, als wäre ich....geheilt", flüsterte er. 

"Du hast ihnen also gesagt, dass du nicht mehr...an Männern interessiert bist?" fragte ich ihn. 
Er lächelte, öffnete die Augen und sah mich an. "Ich war nie an Männern interessiert, Boo", sagte er. Ich war verwirrt und zog die Augenbrauen zusammen und er küsste meine Wange. "Immer nur an dir", sagte er leise. 

Ich sah in seine Augen und schüttelte leicht den Kopf. "Du hast nie etwas mit einem Mann gehabt? Dich nie ausprobiert?" 
Harry nickte. "Nein, nie. Ich habe schließlich Lilly." 
"Das hat dich bei mir nicht unbedingt abgehalten, oder?" erinnerte ich ihn und er lächelte leicht und nickte erneut. "Weil du du bist, Boo. Ich sehe nur dich." 
Stirnrunzelnd sah ich zu ihm. "Wirklich?" hauchte ich. Harry küsste mich zärtlich. "Ich meine das ernst, Lou", wisperte er gegen meine Lippen. 
Gequält seufzte ich auf. "Ich habe immer nach jemandem gesucht, der dir ähnlich sieht. Habe in der Menge immer nur nach dir gesucht. Aber es gibt nichts Vergleichbares, Hazza. Nur dich, das Original." 

Er beugte sich über mich und drehte uns, ich lag auf dem Rücken und er küsste mich weiter, streichelte über meine Seite und verpasste mir eine Gänsehaut, die meinen gesamten Körper überzog. Sofort erwiderte ich, ließ meine Hand in seinen Nacken gleiten. "Eines sollst du wissen, Lou", flüsterte er und sah mich an. "Ich bin über die Campsache hinweg, okay? Es ist alles in Ordnung. Manche Dinge sitzen noch verankert in meinem Kopf, doch ich arbeite auch an diesen Sachen. Es ist nur nicht so einfach, wenn die Partnerin nichts von der Vergangenheit erfahren darf..." 
Ich nickte verständnisvoll und kraulte ihn liebevoll im Nacken. "Ich wünschte, ich hätte dir helfen können", sagte ich bedrückt. 

Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht und er sah mich mit einem so zärtlichen Blick an, dass ich förmlich dahinschmolz. "Es ist alles in Ordnung, okay? Mach dir um mich keine Sorgen. Ich habe das überwunden", versicherte er mir noch einmal. 
Ich nickte. "Und dein Vater?" fragte ich ihn vorsichtig. 

Er seufzte tief und vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge. "Boo, komm schon. Ich habe genug von Deeptalk, bitte. Lass uns das Wochenende miteinander genießen. Zeig mir Oxford, zeig mir dein Leben", flüsterte er. 
Langsam streichelte ich durch seine Haare. "Okay, Hazza. Dann lass uns jetzt schlafen und morgen früh zeige ich dir den Campus und meine Lieblingsorte", antwortete ich ihm mit einem leichten Lächeln im Gesicht. 
Harry nickte und seufzte noch einmal tief, während ich uns zudeckte und die Arme um ihn schlang. Er blieb halb auf mir liegen und atmete ruhig, während ich ihn weiter streichelte und die Augen schloss. Das heute Gesagte musste ich verarbeiten, ja, doch es war mir wichtiger, für ihn da zu sein. Und deshalb gab ich ihm den Halt, den er anscheinend brauchte, so wie er sich an mich klammerte. Und auch wenn seine Geschichte mich schockierte, so war es mir wichtiger, dass er sich geborgen und sicher fühlte. Zumindest für die Zeit, in der er hier war. 

All This Time | L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt