18. Januar 2015

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Mit klopfendem Herzen richtete ich erneut meine Haare im Spiegel, versuchte sie irgendwie zu bändigen, doch die dichte Pracht auf meinem Kopf war alles andere als leicht zu bändigen. Seufzend betrachtete ich das Chaos, strich mir eine Strähne aus dem Auge und nickte mir selbst zu. "Heute wirst du es tun, egal was passiert!" sagte ich zu mir selbst und straffte die Schultern, ehe ich mir die schwarzen Vans über die Füße zog und in die Küche zu meiner Mutter lief. "Mom?" fragte ich und sie drehte sich zu mir um.
"Ja, Liebling?" fragte sie lächelnd. 
Meine Mutter war ein Engel, die liebste Frau, die ich jemals kennenlernen durfte. Neben Harry's Mom Anne natürlich, die war mindestens halb so sehr ein Engel wie meine Mom. 

"Ich werde jetzt zu Harry gehen. Wir gehen zu Liam, der feiert seinen Geburtstag", sagte ich zu ihr und lächelte sie an. 
Sie lachte. "Schatz, du bist siebzehn, du brauchst mir nicht so viele Details geben! Versprich mir einfach, dass du nicht zu lang weg bleibst!" 
Ich nickte und umarmte sie fest. "Ich gebe mein Bestes", antwortete ich ihr sanft und küsste ihre Wange. Sie zupfte an meinen Haaren und ich zog den Kopf weg, lachte leise und winkte ihr noch einmal zu, ehe ich das Haus verließ und mich auf den Weg machte, um Harry abzuholen. Liam war einer von Harry's neuen Freunden aus dem Footballteam, in welches er vor kurzem aufgenommen wurde. Sie alle waren mir irgendwie nicht ganz geheuer und seitdem er mit ihnen rumhing, hatten wir auch nicht mehr wie sonst jeden Tag etwas unternommen. Zur heutigen Geburtstagsparty war ich nicht eingeladen, doch Harry hatte gesagt, er würde mich trotzdem mitnehmen, denn ich würde zu ihm gehören. 
"Wenn sie dich nicht wollen, will ich die nicht", hatte er gesagt und mich schelmisch angegrinst.

Der kurze Weg war schnell geschafft und ich klingelte an der Tür. Es dauerte nicht lange, da machte Anne mir die Tür auf und strahlte mich an. "Lou, komm ruhig rein! Du kannst hochgehen, er ist noch in seinem Zimmer!" sagte sie freundlich und ich trat ein und zog die Schuhe aus, umarmte Anne dann fest. 
"Wie geht es dir?" fragte ich sie lächelnd. 
"Immer gut, weißt du doch. Und dir? Wie läuft Französisch?" fragte sie mich neugierig. Anne kannte meine Schwächen. Frustriert verdrehte ich die Augen und zuckte mit den Schultern. "Es läuft echt mies. Ich werde wohl den Test verhauen", gab ich zu. 
"Lou, Schatz, du weißt, Gemma spricht fließen Französisch! Lass dir doch helfen", schlug sie erneut vor und ebenso erneut lächelte ich höflich und nickte. "Danke für das Angebot. Ich geh mal nach oben!" antwortete ich ihr und flitzte die Treppe hoch, um möglichst nicht mit Harry's herrischem Vater Robin in Kontakt treten zu müssen. Er mochte mich zwar, war jedoch unheimlich streng und absolut kein Fan von Party's. 

Ohne anzuklopfen betrat ich Harry's Zimmer und stockte sofort, als ich ihn im Handtuch bekleidet aus dem angrenzenden kleinen Bad laufen sah. Als er mich bemerkte, grinste er breit und kam zu mir, umarmte mich sofort. "Louboo, wie geht's dir? Bist du bereit für das Saufgelage?" fragte er begeistert und ich musste sofort lachen, während ich versuchte, meinen Herzschlag auf Normalniveau zu senken. Er sah so unglaublich gut aus, dass mir das Wasser im Mund zusammenlief. 
"Immer, Hazza", antwortete ich und ließ mich auf das Bett fallen. Und dann tat Harry etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Während ich mich auf das Bett fallen ließ, ließ er die Hüllen fallen. 

Vollkommen nackt lief er zu seinem Schrank, das Handtuch blieb unbeachtet auf dem Boden liegen. Er zog eine Boxershorts hervor und zog sie sich an, ehe er weiter kramte und mit einem Basecap in der Hand zu mir kam und sich neben mich setzte. Noch immer halb nackt. Ich schluckte und versuchte, ihn nicht zu auffällig zu mustern, fokussierte stattdessen das Basecap in seiner Hand, anstelle seines neu entstandenen Sixpacks. 
"Heute nur in Unterwäsche und Cap zur Party?" fragte ich ihn scherzhaft und er lachte. "Das wollte ich dir gern schenken." 
Ich runzelte die Stirn. "Warum?" 
Er grinste glücklich. "Habe ich dir beim Jahrmarkt gewonnen!" 
Fragend sah ich zu ihm. "Du warst nochmal ohne mich beim Jahrmarkt?" hakte ich nach und er nickte. "Ja, mit Liam, nach dem Footballtraining. Ist das okay für dich?" 
Ich nickte sofort. "Klar!" Was sollte ich auch sagen? Wir waren noch nie getrennt voneinander zum Jahrmarkt gegangen. Oder sonst wohin, wenn man es genau nahm. Ich spürte, wie ich eifersüchtig auf Liam wurde, auch wenn ich es nicht wollte. 

Ich nahm ihm das Basecap ab und musterte es. Es war schwarz, auf der Frontseite ein schlichtes Nike Logo in weiß. Ich setzte es mir auf und grinste ihn schief an. "Steht mir?" 
Harry nickte sofort begeistert. "Richtig doll! Du siehst super aus, Louboo!" sagte er und legte sich neben mich. 
Ich legte mich ebenfalls auf den Rücken und atmete tief durch. "Wie läuft es heute ab? Wirst du mich wieder stehen lassen für Liam?" fragte ich vorsichtig. 
Harry drehte sich auf die Seite und sah mich an. "Bist du etwa eifersüchtig?" fragte er grinsend. Ich drehte den Kopf zu ihm und schüttelte ihn. "Nein, nein", antwortete ich und sah in seine Augen. Sie funkelten amüsiert und er stupste mir mit dem Finger gegen die Nase. "Wie sollte ich dich je austauschen können oder stehen lassen? Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben!" sagte er mit süßem Ton.
Die Röte schoss mir in die Wangen und ich musste lächeln. "Du bist auch der wichtigste Mensch für mich, Hazza", antwortete ich ganz leise. 

Wir sahen uns einen Moment in die Augen und aus irgendeinem Grund kam es in diesem Augenblick einfach über mich. Ich hatte sowieso geplant, ihm heute meine Gefühle zu gestehen. Ich wollte es ihm sagen, denn ich konnte es nicht mehr länger verheimlichen. Das war keine sinnlose Verliebtheit, nein, das war viel mehr und er musste es einfach wissen. Ohne darüber nachzudenken kam ich ihm näher und küsste ihn. 

Einen Moment passierte gar nichts. Und gerade als ich den Kopf wieder zurückziehen wollte, vergrub sich seine Hand in meinen Haaren und er beugte sich über mich, intensivierte den Kuss mit einem Mal. Ich keuchte überrascht auf und öffnete meinen Mund ein wenig, was ihm die Gelegenheit gab, seine Zunge in meinen Mund gleiten zu lassen und mich viel leidenschaftlicher zu küssen als zuvor. Mein Herz schien zu explodieren und ich schlang meine Arme um seine Taille, um ihn näher zu mir zu ziehen. Niemals hätte ich auch nur zu träumen gewagt, wie es sich anfühlen würde, Harry zu küssen oder von ihm geküsst zu werden. Aber in diesem Moment geschah es und meine Knie wurden schwach, während er sich zwischen meine Beine schob. Der Kuss wurde mit jeder Sekunde heißer und mir wurde warm, ich stöhnte ein wenig auf und krallte meine Finger in seine nackte Haut. Sobald das Stöhnen aus meinem Mund herauskam, entfernte sich Harry schnell von mir und sah mich entsetzt an. 
"Was zum Teufel", hauchte er und sprang vom Bett auf. 

Verwirrt setzte ich mich auf und sah ihn erschrocken an. Er wirkte aufgebracht und sah mich mit aufgerissenen Augen und zusammengezogenen Augenbrauen an. "Was zur Hölle soll das?!" rief er aufgebracht. 
"Ich...es tut mir leid, ich..." stammelte ich, doch er ließ mich nicht ausreden. "Bist du etwa schwul? Stehst du auf mich?!" 
Ich sah ihn fassungslos an, wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich zuckte mit den Schultern. "Du hast mich doch jetzt auch zurück geküsst, soll das also heißen, du bist schwul?" 
Er schnaubte und schüttelte den Kopf. "Natürlich nicht! Lou, es tut mir echt leid, ich habe keine Ahnung, was über mich gekommen ist! Das war ein riesiger Fehler. Lass uns einfach zu der Party gehen, okay?" 

Ich sah ihn ruhig an, dann stand ich vom Bett auf und nahm das Basecap, setzte es mir wieder auf den Kopf. "Ich bin ein bisschen müde", sagte ich. "Vielleicht gehst du lieber allein?" 
Harry griff nach meinem Handgelenk und ich gab mir Mühe, ihn möglichst ausdruckslos anzusehen, auch wenn mir innerlich zum Weinen zumute war. Für einen Moment hatte ich gedacht, dass meine Träume sich gerade erfüllen würden, doch seine Reaktion hatte Bände gesprochen. 
"Wollen wir vergessen, was gerade passiert ist?" fragte er mich sanft.
Ich lächelte ihn falsch an. "Klar, lass es uns vergessen. Ich habe zuhause bereits einen Wodka getrunken, das war einfach nur der Alkohol", log ich und er nickte, wirkte erleichtert. "Also, dann ziehe ich mich schnell an und wir gehen los, okay?" 
Sofort nickte ich und musterte seine Augen, die unruhig wirkten. Doch ich ließ mir nichts anmerken. Wenn er es ignorieren wollte, was auch immer da gerade passiert war, dann würde ich mitspielen. Alles war besser als nicht in seiner Nähe zu sein und allein zuhause zu sitzen ohne ihn. Auch wenn ich verwirrt war und vor allem enttäuscht. 
"Dann los, wir wollen doch nicht zu spät kommen." 

All This Time | L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt