Louis - Gemeinsam

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Der gesamte Abend war für mich der reinste Horrortrip. Gegen 21 Uhr war ich nur noch ein Wrack mit einem Gin Tonic in der Hand, bereit, die Polizei anzurufen und eine Entführung zu melden. Nur Zayn, der mir das Telefon aus der Hand nahm, hielt mich davon ab. Er packte mich an den Schultern und platzierte mich auf der Couch, hockte sich vor mich und griff nach meiner freien Hand, die nicht gerade das Gin Tonic Glas umklammerte. Unter Tränen sah ich ihn an und mein Herz raste wie verrückt. 
"Lou? Beruhige dich", sprach er sanft. 

"Ich soll mich beruhigen?!" rief ich. "Zayn, er hat sich seit heute Morgen nicht mehr gemeldet! Das letzte, was ich von ihm gesehen habe, war wie er mit seinem furchterregenden Vater vor dem Verlag stand! Was, wenn er ihm etwas angetan hat?! Ich rufe jetzt die Polizei!" Aufgebracht wollte ich nach meinem Handy greifen, doch Zayn ließ es in seinem Hoodie verschwinden und sah mich ernst an. 
"Wir finden ihn, okay? Lass uns losgehen und ihn suchen." 
"Wo denn?!" rief ich erneut, auch wenn es mir leidtat, wie ich mit meinem besten Freund redete. Doch es ging hier um Harry, es ging um seine Sicherheit und ich konnte nicht mehr länger tatenlos zusehen. 
Schluchzend fuhr ich mir mit dem Handrücken über mein Gesicht. "Ich hätte ihn niemals mit ihm allein lassen dürfen!" weinte ich. "Das war verrückt, ich hätte nicht gehen dürfen. Er ist nicht sicher bei ihm!" 

Zayn stand auf und setzte sich neben mich, legte die Arme um mich und ich ließ mich weinend gegen ihn fallen. Schluchzend schüttelte ich den Kopf. "Bitte lass mich ihn jetzt suchen gehen", flehte ich ihn an und er nickte.
"Lass uns gemeinsamen suchen." Er sah zu Lydia, die im Sessel saß. "Kannst du hier die Stellung halten, falls er auftaucht?" fragte er sie und sie nickte sofort.
"Natürlich. Ich rufe dich dann sofort an", antwortete sie. 

Er stand auf und ich tat es ihm gleich, sprintete beinahe in den Flur und zog mir die Schuhe hastig an. Voller Angst in mir griff ich nach meiner Jacke und sah mich nach Zayn um, der sich ebenfalls etwas überzog. "Wo willst du anfangen?" fragte er mich.
Ich zuckte mit den Schultern, ratlos seufzte ich auf. "Ich habe keine Ahnung. Scheiße, ich weiß nicht mal, wo seine neue Wohnung ist!" rief ich aus. 
Zayn nickte leicht und nahm sein Handy. "Dann versuchen wir das jetzt irgendwie rauszufinden. Soll ich Lilly schreiben auf Instagram?" 
Ich lachte ironisch auf. "Bist du irre?!" fragte ich ihn fassungslos. Er nickte sofort. "Du hast vollkommen recht. Blöde Idee", murmelte er und zeigte auf die Tür. "Na komm, lass uns rausgehen. Dann suchen wir eben ganz London ab. Kein Problem." 
Ich nickte ihm zu, auch wenn die Sache aussichtslos schien. Nervös öffnete ich die Tür und rannte geradewegs in einen Körper hinein. Erschrocken hob ich den Kopf. 

"Harry", hauchte ich und riss erschrocken die Augen auf. Sein Gesicht war voll mit getrocknetem Blut, sein rechtes Auge angeschwollen und die Unterlippe aufgeplatzt. "Scheiße, was ist nur passiert?" 

Er öffnete den Mund, verzog ihn jedoch sofort und kniff leicht die Augen zusammen. Ich griff seinen Arm sanft und zog ihn in die Wohnung, sah kurz zu Zayn, der völlig überfordert den Lockenkopf anstarrte und seinen Augen nicht zu trauen schien. Ich verstand das, es ging mir ganz genauso. 
"Komm erstmal rein", sprach ich leise und führte Harry ins Wohnzimmer, half ihm, sich auf die Couch zu setzen. Lydia sprang erschrocken auf. "Ich hole den Sanikasten!" rief sie und verschwand in der Küche. 
Ich hockte mich vor Harry, sah in die gefährlich glänzenden Augen. "Baby?" flüsterte ich. 

Harry nickte leicht und atmete tief durch. "Lou, ich..." fing er an und schluckte schwer. Ich griff nach seiner Hand und strich ihm über den Handrücken. "Was ist passiert?" fragte ich ihn leise. Er sah erschöpft aus, das mittlerweile getrocknete Blut sah gruselig aus auf seiner weichen Haut. Ich presste besorgt die Lippen zusammen. 
"Ich bin mit Dad nach Hause gegangen", sagte ich leise. "Er ist völlig ausgerastet, so richtig. Er hat mich...er hat ziemlich hart zugeschlagen." 
Ich schluckte schwer und nickte zittrig. "Haz, wieso hast du dich nicht gewehrt? Sieh dich doch an, sieh dir deine Muskeln an. Du bist kein Kind mehr", hauchte ich. 
Er nickte, sah mir in die Augen. "Lou?" 
"Ja, Baby?" 
Er atmete tief durch. "Du musst eine Sache wissen. Du bist sicher sauer auf mich, weil ich mich nicht gemeldet habe und dass ich dich weggeschickt habe. Aber ich habe das für dich getan. Du solltest unter keinen Umständen deinen neuen Job riskieren und schon gar nicht solltest du in seine Nähe kommen." 

Ich schluckte und schüttelte leicht den Kopf. "Ich bin überhaupt nicht sauer auf dich, Haz. Ich bin einfach nur unglaublich besorgt, was hat er dir angetan?" 
Er schniefte leicht, dann kam Lydia zu uns und stoppte vor ihm, hielt die Hand mit feuchten Tüchern nach oben. 
"Ich würde dich kurz von dem Blut befreien", sagte sie mit einem sanften Lächeln. 
Ich riss sie ihr aus der Hand. "Ich mache das!" sagte ich sofort und nickte ihr dankbar zu, ehe ich mich wieder Harry widmete und damit anfing, sein Gesicht vorsichtig zu reinigen. Er zuckte leicht für einen Moment, hielt dann tapfer durch. 
"Wieso nur bist du mit ihm mitgegangen?" flüsterte ich kopfschüttelnd. 

Harry sah mich an. Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln und er erwiderte es schwach, sah zu Zayn, der uns besorgt beobachtete. 
Der Schwarzhaarige lächelte ihn ebenso an. "Soll ich euch einen Moment geben?" fragte er, doch Harry schüttelte den Kopf. 
"Schon gut, bleib hier." Dann sah er mich wieder an. "Ich habe das...ich habe es ausgehalten. Ein aller letztes Mal habe ich es ausgehalten. Für dich..." 

Stirnrunzelnd sah ich ihn an. "Was meinst du damit?" fragte ich ihn leise. 
"Ich habe alles aufgenommen, Lou. Ich habe es...gefilmt. Ich brauchte doch Beweise, irgendetwas, damit ich endlich aus dieser Hölle komme und mir mein Leben wieder zurückholen kann. Du hast mir den Mut dazu gegeben, Lou." Er atmete tief durch und seine Unterlippe fing an zu zittern, während sich Tränen aus seinen Augen lösten. Sofort wischte ich sie vorsichtig weg. Er durfte nicht mehr weinen, nie wieder sollte er weinen. 
Er schniefte auf. "Ich muss dir doch meine Liebe beweisen", hauchte er. "Ich habe dich immer so sehr verletzt, dir so oft wehgetan. Ich musste mir mein Leben wiederholen, für uns, Boo! Ich will mit dir zusammen sein, aber das ging nicht." 

Er brach in Tränen aus und ich setzte mich neben ihn und zog ihn in meine Arme. Ganz vorsichtig hielt ich ihn fest und schüttelte den Kopf. "Du musst dich doch für mich nicht verletzen lassen, Hazza", sagte ich bestürzt. "Ich weiß doch mittlerweile, dass du mich liebst. Also ehrlich, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Hast du noch andere Verletzungen? Zieh das Shirt aus, ich will es überprüfen!" 
Harry lachte kaum merklich und sah mich weinend an. "Ich glaube ehrlich gesagt, dass meine Rippe gebrochen ist", flüsterte er. "Es tut weh beim Atmen." 

Ich sog scharf die Luft ein und schob vorsichtig sein Shirt nach oben. Die Stelle war bereits blau und ich sah sofort zu Zayn. 
"Rufst du bitte einen Notarzt? Wir fahren sicher nicht U-Bahn zum Krankenhaus." 
Zayn nickte sofort, hatte bereits sein Handy gezückt und ging gemeinsam mit Lydia in die Küche. Ich sah wieder zu Harry. 
"Was machst du jetzt mit den Beweisen?" fragte ich ihn. Er sah mich erschöpft an. "Deshalb wollte ich mit dir sprechen. Ich würde gern zur Polizei gehen und ich wollte dich bitten, mich zu begleiten. Ich brauche dich an meiner Seite, Boo. Ich schaffe das nicht ohne dich." 

Sofort nickte ich und küsste seine Stirn sanft. "Ich begleite dich selbstverständlich. Möchtest du direkt hingehen, sobald der Arzt da war?" fragte ich ihn. 
Harry nickte und lehnte sich an mich, vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Er schluchzte erneut leise auf und ich strich sanft über seinen Rücken. "Ich lasse dich nie wieder aus den Augen, Haz", hauchte ich. 
"Es tut mir so leid, dass ich dir Sorgen bereitet habe", flüsterte er und ich schüttelte den Kopf. "Entschuldige dich nicht, das ist nicht nötig, Hazza. Du bist jetzt hier und das ist es, was zählt. Den letzten Schritt schaffen wir auch noch gemeinsam, okay?"
Er nickte, sah hoch zu mir, als es kurz darauf klingelte. Offensichtlich war der Notarzt bereits da und es beruhigte mich sofort. Seine grünen Augen wirkten bedrückt, doch gleichzeitig war da ein kleines Strahlen erkennbar. 
"Baby, wir schaffen das gemeinsam, ja? Wie früher." 
Er nickte leicht. "Gemeinsam, ja." 

All This Time | L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt