Kapitel 12

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Draco ließ sich von seiner Wut treiben und lief ziellos durch das Schloss. Erst in einem kleinen Gang, welcher schwach beleuchtet war, kam er zum Stehen. Er atmete tief aus. Endlich war Ruhe, keine Menschenseele war hier. Nur Draco und seine Gedanken.

Er schloss die Augen und konzentrierte sich für einen Moment nur auf seine Atmung, bis der Nebel in seinem Kopf klarer wurde. Dann sank sein Kopf Richtung Boden, die Schultern ließ er hängen. All der Hass und die Wut waren verschwunden. Eine Leere durchzog ihn und er fühlte sich alleine. Wie so oft in seinem Leben.

Er konnte nichts an der Situation ändern, egal wie sehr er sich aufregte, wie sehr er am verzweifeln war. Es brachte nichts, mit seinen Freunden zu reden, sie konnten es ebenfalls nicht ändern und selbst Blaise, welcher einiges an Erfahrung mit Mädchen hatte, war mit der künstlichen Liebe überfragt. Alles war eine Lüge. Draco fragte sich, wie lange es dauern würde, bis der Trank endlich versiegen würde. Wie lange er diese Qualen noch ertragen musste. Heiraten. Sie hasste ihn und hatte nie ein gutes Wort für ihn übrig. Und jetzt kam sie mit heiraten an. Es war alles Potters Schuld. Wie immer. Die ganze Situation brachte Draco noch um den Verstand.

Er fuhr sich durch die Haare und versuchte sich zu sammeln. Einmal in seinem Leben wollte er einen normalen Alltag erleben. Er müsste sich noch früh genug mit seiner Zukunft auseinandersetzen, hatte sein Vater noch immer hohe Ansprüche an ihn. Und an seine zukünftige Frau. Es wäre die perfekte Gelegenheit, einer arrangierten Ehe zu entkommen. Aber nicht Turner. Das wäre nur schlimmer, liebte sie ihn nicht wirklich. Niemand tat dies. Diese Erkenntnis haftete an ihm wie ein Fluch und würde ihn für den Rest seines Lebens begleiten.

Es war egal, ob sein Vater ihm von all den tollen Plänen der Zukunft erzählte oder wie viel Macht sie sich wieder aufbauen würden. Für die Schüler von Hogwarts, sämtlichen Menschen in seinem Umfeld, würde er für immer ein arrogantes, eingebildetes Arschloch sein. Der fiese Slytherin. Der Todesser. Die Person, der man auf keinen Fall trauen durfte.

„Draco?"

Ihre sanfte Stimme war nur ein Flüstern, doch es erreichte ihn. Kurz schaute er in Turners Richtung. Sie schniefte. Er wollte sie nicht sehen, er wollte weg. Weg von ihr und diesen Gefühlen. Falschen Gefühlen. Ihre Schritte hallten in dem Gang wieder, bis sie direkt vor ihm stehen blieb. Draco schaute zu Boden. Er wollte ebensowenig ihr verheultes Gesicht sehen, was bloß wieder schwierige Gefühle in ihm auslöste. Schuldgefühle, die er nicht haben sollte. Es war nicht seine Schuld. Diesmal war er das Opfer, aber alle taten so als wäre der Blonde der Täter. Er hatte sich auf ein entspanntes Schuljahr gefreut, doch er war mitten in der Hölle gelandet.

„Es tut mir leid, dass ich dich wütend gemacht habe." Schließlich blickte er doch hoch. Turners Augen waren noch immer wässrig, sie waren voller Reue. Doch Draco erkannte ebenfalls die Sorge, das Mitgefühl und eine Zuneigung in ihnen, dass ihm fast schlecht wurde. Sie sollte ihn nicht so angucken. Sie sollte nicht einmal in seiner Nähe sein. „Ich wollte nicht über deinen Kopf weg entscheiden. Und wahrscheinlich ist es viel schöner, wenn wir diesen besonderen Tag gemeinsam planen. Und vielleicht auch etwas später. Wir sind jung und haben Zeit. Ich möcht lediglich, dass du glücklich bist", in ihrer Stimme lag so viel Liebe und Reinheit. Ein zaghaftes Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht und in ihren Augen kam das Funkeln langsam zurück.

Draco stand einfach nur da. Er wusste nicht wie er mit ihren Worten umgehen sollte. Sie hatten sich so aufrichtig und ernst gemeint angehört. Zaubertrank oder nicht, sie hatte sich tatsächlich entschuldigt. Der Slytherin wusste nicht einmal, wann sich das letzte Mal eine andere Person bei ihm entschuldigt hatte. Oder ob es überhaupt jemals der Fall war.

Ohne ihr in die Augen zu schauen, nickte Draco ein kleines bisschen. Hatte er eine andere Wahl? Wenn er nicht in Askaban landen wollte, nicht. Jedoch war er froh, dass sie an diesem Ort alleine waren. Turner wirkte ruhiger, wenn nur sie beide anwesend waren. „Wir haben Zeit", wiederholte er leise ihre Worte. Vorsichtig nahm sie ihn in den Arm. Draco merkte, wie sich alles in ihm anspannte.

Turner legte ihren Kopf auf seine Schulter und Draco konnte ihren Atem an seinem Hals spüren. Ihre Arme umschlossen seinen Körper und ruhten auf seinem Rücken. Sie strahlte eine Wärme aus, dass Draco das Gefühl hatte, er wäre ein Eisblock. All die Gedanken verschwanden aus Dracos Kopf. Er dachte an nichts mehr und endlich hatte er das Gefühl von Ruhe wieder. Wie von selbst bewegten sich seine Arme und legte sich um das Mädchen.

Ich möchte lediglich, dass du glücklich bist.

Es waren die wohl schönsten Worte, die Draco jemals zu hören bekam. Turners Verhalten war genau das, was er sich immer gewünscht hatte. Das er jemandem wichtig war, er nicht immer kalt und emotionslos sein musste. Nicht für seine Gefühle verurteilt wurde. Das es jemanden interessierte, was er in der Situation empfand. Doch es ist nur ein Zauber. Die Stimme war zurück in seinem Kopf. Es ist nicht echt. Es wird niemals echt sein, sie hasst dich.

Draco löste sich von ihr. Mit großen Augen schaute sie zu ihm herauf. Turner öffnete den Mund, doch Draco kam ihr zuvor. „Es ist spät. Zeit zum schlafen. Gute Nacht Turner." Damit ließ er sie stehen und machte sich auf den Weg zu seinem Schlafsaal. „Gute Nacht Draco."

Die Enttäuschung in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Dracos Herz sank ein Stück tiefer. Doch er konnte sich nicht in diesem Trugbild verlieren. Er musste dem Drang widerstehen, die Situation auszunutzen, um einmal wahre Liebe zu erfahren. Denn wahr war sie sicherlich nicht.

Bis zum Ende des Schuljahres waren es noch einige Monate und der Trank würde bis dahin seine Magie verloren haben. Dann würden sie getrennte Wege gehen. Und wenn es soweit war, würde er ihr einen Fluch aufhetzten bis sie ihn anschreien und beleidigen würde. Dann hätte alles wieder seine Ordnung.

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