Kapitel 15

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Draco ließ sich auf den kalten Boden sinken, sein Körper zitterte immer stärker. Sein Herzschlag wurde schneller und schneller, immer doller und bei jedem einzelnen Schlag konnte er seinen gesamten Körper vibrieren spüren. Er fühlte sich, als würde eine unsichtbare Kugel um ihn herum immer enger werden und ihm die Luft zum Atmen nehmen. Seine Lungen wurden kleiner und kleiner, kläglich versuchte er nach Luft zu schnappen, doch er hatte das Gefühl, der Sauerstoff war verschwunden.

Jene Bilder tauchten in seinem Kopf auf. Das Chaos. Die Zerstörung.

Draco wusste noch genau, wie dieser Moment verlief, wie er sich fühlte - als wäre diese Erinnerung in jeder einzelnen Zelle seines Körpers tief verankert. Er konnte die einzelnen Treppenstufen des Astronomieturmes unter seinen Füßen spüren. Wie er es schaffte, seinen Schulleiter zu entwaffnen. Es war ein kleiner Moment des Stolzes. Er, Draco Malfoy, hatte es geschafft Albus Dumbledore zu entwaffnen.

Doch dieser Moment hielt nur kurz, denn es war nur der erste Schritt. Der erste Schritt in eine Richtung, die Draco nicht schaffte zu gehen. Egal wie sehr er den alten Kauz verabscheute, wie sehr er unter seiner Leitung gelitten hatte und egal, wie oft er ihn schon verflucht hatte, der Blonde brachte nicht genügend Hass auf, um ihn zu besiegen. Um ihn wirklich töten zu wollen.

Aber er musste. Draco hatte keine andere Wahl. Entweder Dumbledore oder er selbst. Der dunkle Lord hatte keine Gnade mit ihm. Und in diesem Moment überkam Draco die Angst. Jene Angst konnte er noch heute deutlich spüren. Als wäre er in dem Moment auf dem Astronomieturm gefangen, zerfraß ihn die Angst wie damals.

Draco versteifte seinen Körper, als sich zwei Arme um ihn legten.

Endlich war er mit seinen Gedanken wieder im Hier und Jetzt gelandet. Und erst jetzt bemerkte Draco, dass er weinte. Turner saß neben ihm auf dem Boden und hatte ihn in eine Umarmung gezogen. Sie sagte weiter nichts und dafür war der Junge ihr unglaublich dankbar. Eine Weile saßen sie gemeinsam da, bis Turner sein Gesicht vorsichtig in ihre Hände nahm. Sie neigte seinen Kopf und eine Welle des Schaumes überkam Draco, musste er schrecklich aussehen mit seinen verheulten Augen. Er wollte nicht, dass sie ihn so sah, niemand sollte ihn jemals verletzlich sehen. Doch er schaffte es nicht, seine Maske zurechtzurücken.

Ganz sanft wischte sie mit ihrem Finger über sein Gesicht und trocknete seine Tränen. Turners Berührung hinterließ ein warmes Gefühl in Draco und er konnte sich nicht weiter gegen den Gedanken wehren, dass er mehr davon wollte. Draco musste sich eingestehen, dass es ihn seit gestern Abend nicht mehr störte an sie zu denken. Ganz im Gegenteil. Turner strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

In ihren Blick lag Sorge und Mitgefühl. „Es ist vorbei", flüsterte sie leise. Draco nickte lediglich. Graue Augen wurden gefesselt von den Moosgrünen gegenüber. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.

Scheiß drauf.

Der Slytherin legte seine Stirn gegen die von Turner, ihre Nasenspitzen berührten sich. Dracos Herzschlag, welcher sich langsam wieder normalisiert hatte, wurde wieder schneller. Doch diesmal in einem guten Rahmen. Ein bisschen Aufregung, mit ein wenig Nervosität. Turner überwand die letzte Lücke zwischen ihnen und ihre weichen Lippen lagen auf seinen. Es war, als würde jemand einen Schalter in Draco umlegen. Eine Wärme und Gelassenheit durchfuhr seinen Körper, er fühlte sich so sorglos wie schon lange nicht mehr. Als hätten sich all seine Probleme in Luft aufgelöst, seine herumschwirrenden lauten Gedanken waren erloschen. Es gab nur Ruhe und Frieden. Und die wundervollen Lippen von Turner.

Langsam löste sich die beiden voneinander. Turners Wangen hatten eine Röte angenommen, doch ihre Augen leuchteten Draco überglücklich an. Draco seufzte. „Du bringst mich wirklich um den Verstand, Turner", hauchte er leise und sogar ein kleines glückliches Lachen entlockte sich ihm. Das Mädchen schaute ihn erstaunt an. „Dein Lachen ist wunderschön." „Du bist wunderschön." Dracos Worte waren schneller ausgesprochen, als er überhaupt darüber nachdenken konnte.

Er hörte sich selbst und spürte auf einmal eine Hitze in seinem Gesicht aufkeimen. Die Worte waren eine Intuition, wie ein Reflex, welchen man nicht unterdrücken kann. Sie waren einfach da gewesen und er musste sie aussprechen. Aber Draco konnte ihnen nur zustimmen, sie war wunderschön. Verlegen strich Turner sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. Sie legte ihren Kopf auf seiner Schulter ab und kuschelte sich an ihn. Draco ließ seinen Kopf gegen ihren sinken. Er starrte den dunklen Korridor hinab. Was hatte er nur getan?

Draco war dabei Gefühle für seine Mitschülerin zu entwickeln, für diese aufbrausende, nervtötende Gryffindor, welche noch nie in ihrem Leben ein normales Wort mit ihm gewechselt hatte. Jene Gryffindor, die einen Liebestrank eingenommen hatte und aus immer noch unerklärlichen Gründen, sich Hals über Kopf ausgerechnet in ihn verliebt hatte. Und er nur Zeit mit ihr verbracht hatte, weil er gezwungen wurde und der Leidtragende war, der dieses Schlamassel ausbaden musste. Doch jetzt erschienen Draco diese Fakten alle nicht mehr als schlimm, er genoss ihre Gegenwart, ihre Nähe und ihre Art wie sie mit ihm umging. Für Turner war er ein normaler Mensch, wie jeder andere an dieser Schule auch. Kein Todesser. Kein Feind. Nur Draco.

Mit einmal wurde ein Gedanke in Draco laut, dass er mehr über sie wissen wollte. Er wollte sie kennenlernen, wissen was sie mochte und welche Träume sie verfolgte. Draco hatte das schier endlose Bedürfnis, mit ihr über die Zukunft zu reden. Über ihre gemeinsame Zukunft.

Aber sie würden nie eine gemeinsame Zukunft haben. Und eine Welle der Trauer durchflutete Draco. Instinktiv drückte er Turner näher an sich. Er brauchte einen Plan. Unter keinen Umständen wollte Draco dieses Gefühl verlieren.

Sein Leben wurde vielleicht durch einen Zaubertrank auf den Kopf gestellt, aber wenn er Turner die Aufmerksamkeit schenkte, welche dieses wundervolle Mädchen verdient hatte, würde sie ihn anders wahrnehmen. Und vielleicht konnte sie sich nach dem Trank sogar an die Zeit zurückerinnern, an die gemeinsamen schönen Momente, die sie miteinander erlebt hatten. Es müssten nur noch mehr werden und dann würde Draco zu seinem Happy End gelangen.

Josefine Malfoy hörte sich in Dracos Kopf gar nicht mehr so abwegig an.

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