Kapitel 23

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-SY

Mom greift nach meinem Arm. ,,Wir müssen reingehen..." Mom deutet auf die Kapelle. Ich kann schon von hier den Sarg sehen. Ich glaube nicht, dass ich es schaffe. Es ist, als würde mich eine unsichtbare Tür daran hindern, diese Türschwelle zu überschreiten. Ich will Abschied nehmen... aber nicht so. Es ist... nicht so, wie ich es für gut... oder für respektvoll empfinde. Leo versucht mich an meinem Anzug mit sich zu ziehen. ,,Ich kann das nicht..." ,,Das hat was mit Anstand zutun!" flucht Isalie mir flüsternd ins Ohr. Ich stoße sie von mir weg.
Mom sieht mich mit einem quälenden Blick an. Einer, der mich zu zerfressen droht. Und da kommt Kathrine auf uns zu. Sie war in der Kapelle. Es gab wohl noch etwas zu besprechen. Und sie schien aufgebracht zu sein, aber nicht, als sie auf meine Mom zukommt. ,,Ich begleite dich." sagt sie. Sie zwinkert mir zu. Sie scheint zu verstehen, wie ich fühle. ,,Danke." bedanke ich mich bei ihr. Leo sieht mich traurig an. ,,Geh nur." mache ich ihr Mut.

Ich drehe ihnen den Rücken zu und beginne in die entgegengesetzte Richtung zu laufen. Etwas weiter weg sehe ich eine Parkbank, auf der ich mich niederlasse.

Die Musik beginnt zu spielen, dann kommt die Rede.

Es kann kaum eine halbe Stunde vergangen sein, als allesamt aus der Kapelle gehen. Sie tragen meinen Dad. Ich sollte tragen helfen und was mache ich stattdessen? Ich komme mit mir selbst nicht klar... Wie peinlich Herrgott.
,,Darf ich?" flüstert Leo. Ich sehe sie an. Ich hatte sie nicht gehört. ,,Geh zu Mom." weise ich ihr barsch an. ,,Es ist schrecklich, Dad so zu sehen... ich will nicht dabei sein, wenn er in die Erde kommt..." In ihren Augen bauen sich Tränen auf. Ich ziehe sie zu mir in den Arm. Erst dann beginnt sie richtig zu weinen. Ich streichle durch ihr schwarzes Haar und doch, wandert mein Blick zu Dad... Ich sehe, wie gebannt, dabei zu, wie er in die Erde gehoben wird.
Kathrine steht ganz vorne, gleich neben meiner Mutter. Soweit ich beurteilen kann, halten sie die Hände.
,,Dad ist weg..."

,,Nein, Süße. Dad wird immer bei uns bleiben. Und das nicht nur im Herzen." versuche ich anzudeuten. ,,Du siehst aus wie Dad. In dir wird er auf ewig weiterleben." Sie schüttelt den Kopf. Ich will grade auf ihre Widerworte antworten, da beginnt sie sich zu erklären. ,,Du siehst genau so aus wie Dad." seufzt sie. Sie zieht ihre Nase hoch. ,,Ach, Kleines.... ach, Kleines..." wiederhole ich mich.

,,Wieso konnte ich nicht sterben, statt er? Er fehlt mir, er-" Ich unterbreche sie. ,,Nein, Leonore. Sowas darfst du nie wieder sagen... Dad war krank. Und wenn du gestorben wärst, wäre das der Tod für Mom und Dad." Ich hole tief Luft. Genau wie sie. ,,Wir Kinder sind quasi dafür da, unseren Eltern eine ruhige Grabstädte zu organisieren, aber nie anders herum. Nie." ,,Ich habe dich unglaublich lieb, großer Bruder." flüstert sie kraftlos. ,,Ich dich auch, Schwesterherz."

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Meine Schwestern und Mom laufen an mir vorbei.
Ich entschuldige mich bei ihnen und gehe erst jetzt zum Grab.

,,Hey, Dad. Es tut mir leid, dass ich nicht auf der Trauerfeier dabei war..." kommt mir über die Lippen. Ich rede mit ihm, fast, als wäre er noch immer da. ,,Ich saß dort hinten auf der Bank... aber ich konnte nicht in diese Kapelle, Dad... es ist, wie, als läge dort ein Zauber drauf. Und ja, ich weiß, wie dumm es sich anhört." rechtfertige ich mich bei ihm. Das, obwohl er mich niemals wieder wegen irgendetwas in Frage stellen kann.

,,Er wird es verstehen." Es legt sich eine zarte Hand auf meine Schulter. Kathrine steht neben mir und nimmt meine Hand. ,,Danke wegen vorhin..." Sie lehnt ihren Kopf an meine Schulter an. ,,Ich verstehe, wie das ist." Sie nimmt mein Gesicht in ihren Händen und zieht mich leicht zu sich herunter. ,,Ich wäre gerne bei dir geblieben, aber ich wollte dein Mom nicht alleine lassen... deine Geschwister sahen nicht in der Verfassung aus, sich auf sie zu konzentrieren, was ich verstehen kann. Heute ist Jaros Tag." ,,Du hast mehr als genug getan." bedanke ich mich indirekt. ,,Das ist gar nichts." redet sie er herunter, doch wir beide wissen, dass niemand anderes das getan hätte, was sie getan hat.
,,Ich warte am Auto auf dich." Sie streichelt ein letztes mal meine Hand, ehe sie sich von meinem Vater verabschiedet und davon geht.

Die Geräusche von den Kieselsteinen erinnern mich wieder daran, wie kaputt ich auf einen Schlag wurde. Dad war der Mittelpunkt in meinem Leben. Sein Wort war mein Gesetzt. Sein Lob war meine Musik. Seine Liebe ist mein Leben gewesen und wird immer bleiben.

Secret LoverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt