Lara lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und spürte die wohlige Wärme des Essens in ihrem Bauch. Eine angenehme Stille hatte sich über den Speisewagen gelegt, während sie und Aaron ihre Mahlzeit in Ruhe genossen. Doch in Laras Gedanken drehte sich das Karussell weiter. Unzählige Fragen schwirrten ihr durch den Kopf, und sie wusste, dass es noch viel zu verstehen gab.
Plötzlich erinnerte sie sich an die anderen Passagiere, die sie während ihrer Reise gesehen hatte. Menschen, die ebenso verloren und verängstigt gewirkt hatten wie sie selbst, und die nun alle verschwunden waren. Sie drehte sich zu Aaron um und sah ihn mit fragendem Blick an.
„Aaron, was ist eigentlich mit den anderen Passagieren passiert?", fragte sie schließlich. „Ich habe am Anfang der Reise so viele Menschen gesehen. Wo sind sie alle hin?"
Aaron legte seine Gabel beiseite und schaute sie mit nachdenklicher Miene an. „Die anderen Passagiere, ja...", begann er langsam. „Du musst verstehen, dass dieser Zug nicht der einzige ist, der durch die Welt der Schatten fährt. Es gibt viele Züge, jeder auf einer anderen Reise, aber alle verfolgen sie dasselbe Ziel: den Seelen zu helfen, ihren Weg zu finden."
Lara runzelte die Stirn. „Andere Züge? Meinst du, es gibt noch mehr Menschen, die auf einer ähnlichen Reise sind wie ich?"
Aaron nickte. „Ja, genau. Viele Seelen durchqueren die Welt der Schatten, um ihre eigenen Antworten zu finden. Manche haben ihren Weg schon beendet und sind weitergezogen, andere haben sich entschieden, zu bleiben und anderen zu helfen, so wie ich. Und wieder andere fahren noch immer durch die Dunkelheit, auf der Suche nach dem, was sie hierhergeführt hat."
Lara versuchte, sich das vorzustellen — eine ganze Welt voller Züge, die durch die Dunkelheit rollten, jeder voller Menschen, die nach ihrem eigenen Weg suchten. Es war ein überwältigender Gedanke. „Aber warum? Warum gibt es so viele Züge? Warum müssen die Menschen diese Reise machen?"
Aaron lächelte sanft. „Es ist nicht so, dass sie müssen. Es ist eher so, dass sie diese Reise brauchen. Die Welt der Schatten ist ein Ort der Erkenntnis, der Reflexion. Ein Ort, an dem die Seelen das finden können, was sie in ihrem Leben vermisst haben. Manchmal sind das Antworten, manchmal ist es Frieden, und manchmal ist es einfach nur die Erkenntnis, dass es noch einen anderen Weg gibt."
Lara dachte über seine Worte nach. Sie hatte nie wirklich verstanden, warum sie in diesem Zug gelandet war. Alles, was sie gewusst hatte, war, dass sie durch die Dunkelheit fuhr, ohne zu wissen, wohin sie ging. Jetzt, da sie wusste, dass es noch andere gab, die ihre eigene Reise durch diese Schattenwelt machten, fühlte sie sich ein wenig weniger allein.
„Und was passiert, wenn diese Züge ihr Ziel erreichen?", fragte sie leise. „Wo führen sie die Menschen hin?"
Aaron zuckte mit den Schultern. „Das ist von Seele zu Seele unterschiedlich. Manche finden Frieden und gehen weiter, andere entscheiden sich, zurückzukehren und ihr altes Leben mit neuen Augen zu sehen. Es gibt auch diejenigen, die hierbleiben, um anderen zu helfen oder um für immer durch die Dunkelheit zu wandern, auf der Suche nach etwas, das sie vielleicht nie finden werden."
Lara sah Aaron lange an. „Und warum bist du hier?", fragte sie schließlich. „Du hast gesagt, du warst ein Fährmann. Warum hast du dich entschieden, hier zu bleiben?"
Aaron seufzte und schaute aus dem Fenster, wo die Dunkelheit schwer und unendlich schien. „Ich bin hier, weil ich glaube, dass es meine Aufgabe ist, zu helfen. Die Welt der Schatten ist ein Ort voller Gefahren und Unsicherheiten, aber es ist auch ein Ort der Möglichkeiten. Ich habe viele Seelen gesehen, die ihren Weg nicht finden konnten, und ich möchte sicherstellen, dass sie die Unterstützung haben, die sie brauchen."
Lara nickte, nachdenklich. „Ich verstehe. Aber ich frage mich, was mich hierhergeführt hat. Was ist mein Ziel?"
Aaron lächelte wieder. „Das ist etwas, das nur du selbst herausfinden kannst, Lara. Jeder von uns hat seinen eigenen Weg, seine eigene Bestimmung. Und manchmal dauert es eine Weile, bis wir herausfinden, was das ist. Aber ich glaube, dass du auf dem richtigen Weg bist."
Lara spürte, wie sich ein kleiner Funken Hoffnung in ihrer Brust entzündete. Die Reise war noch lange nicht vorbei, aber sie fühlte sich ein Stück näher an dem, was sie suchte. Vielleicht würde sie bald verstehen, warum sie hier war und was ihre Reise bedeutete.
„Danke, Aaron", sagte sie leise. „Danke, dass du mir hilfst, meinen Weg zu finden."
Aaron nickte nur und erhob sich dann. „Komm, es gibt noch viel zu sehen. Die Reise geht weiter, und wer weiß, was uns auf den nächsten Stationen erwartet."
Lara folgte ihm, bereit, den nächsten Schritt auf ihrer Reise zu machen. Sie wusste nicht, wohin der Zug sie als Nächstes führen würde, aber sie war bereit, es herauszufinden. Und mit diesem Gedanken trat sie zurück in die dunklen Gänge des Zuges, entschlossen, ihren eigenen Weg durch die Schatten zu finden.
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Der Geisterzug „Schattenreise"
Horror„Schattenreise" FSK 14/16 Willkommen in der Schattenwelt In einer Welt, in der die Grenze zwischen Leben und Tod verschwimmt, begibt sich Lara auf eine düstere Reise in einen mysteriösen Geisterzug. Was als unheimliches Abenteuer beginnt, entwickel...