Der Zug kam abrupt zum Stehen, als ein massives Tor laut krachend auf die Gleise fiel. Der plötzliche Stopp ließ Lara taumeln, und sie klammerte sich an einen der alten, knarrenden Sitze, um nicht umzufallen. Die ganze Welt schien für einen Moment stillzustehen, nur das leise Knarren des Zuges hallte in der Dunkelheit wider.
„Was war das?", fragte Lara verwirrt und versuchte, durch das Fenster zu schauen, aber die Dunkelheit war undurchdringlich.
Aaron, der an der Spitze des Zuges stand, drehte sich ruhig zu ihr um. „Das ist deine nächste Prüfung, Lara", sagte er mit einer Stimme, die gleichzeitig beruhigend und fest war. „Es ist Zeit für dich, dich den 'Was wäre wenn'-Fragen deines Lebens zu stellen."
Lara spürte, wie sich ein Knoten in ihrem Magen bildete. Sie wusste nicht, was das bedeuten sollte, aber die Ernsthaftigkeit in Aarons Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass dies ein weiterer entscheidender Moment in ihrer Reise war.
„Ich... ich verstehe nicht", stotterte sie. „Was soll ich tun?"
Aaron zeigte auf die Tür des Zuges, die sich mit einem lauten Knarren öffnete. „Du musst aussteigen und deinen Weg durch diese Stadt finden", erklärte er. „Du wirst auf vieles stoßen, was du in deinem Leben vergessen oder verdrängt hast. Es wird nicht leicht sein, aber du musst dich allem stellen, was du je bereut hast — jedem verlorenen Traum, jeder verpassten Gelegenheit."
Lara sah auf die geöffnete Tür und dann zurück zu Aaron. Angst überkam sie, aber auch eine seltsame Entschlossenheit. Sie wusste, dass sie keine andere Wahl hatte. Sie musste dieser Prüfung ins Auge sehen, um weiterzukommen.
Mit einem tiefen Atemzug trat sie aus dem Zug und auf den Boden. Die Luft war kalt und roch nach feuchtem Asphalt, und als sie sich umsah, bemerkte sie, dass sie in einer seltsamen Stadt gelandet war. Die Gebäude um sie herum waren hoch und dunkel, wie Schatten aus einer anderen Zeit. Sie wirkten vertraut und doch fremd, als ob sie einem Traum entsprungen wären.
Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen und ging die leere Straße entlang. Die Stadt war still, keine Menschen, keine Autos, nur die kühle Dunkelheit, die sich um sie legte. Während sie ging, spürte sie, wie ihre Angst langsam zu Neugierde wurde. Sie wollte wissen, was Aaron meinte. Sie wollte herausfinden, was diese Stadt ihr zeigen würde.
Nach einigen Minuten kam sie an eine Kreuzung, die weit und offen war. In der Mitte befand sich ein großer Platz, der an den berühmten Times Square erinnerte, den sie aus Filmen und Fotos kannte. Überall um den Platz herum hingen riesige Bildschirme an den Gebäuden, die flackerndes Licht auf den Asphalt warfen. Doch anstelle von Werbeanzeigen oder Nachrichten sah sie etwas, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Jeder Bildschirm zeigte Szenen aus ihrem eigenen Leben — Momente, in denen sie Entscheidungen getroffen hatte, die sie bereute, Gelegenheiten, die sie nicht genutzt hatte, Träume, die sie aufgegeben hatte. Lara stand wie angewurzelt da, unfähig, den Blick von den Bildschirmen abzuwenden.
Auf einem Bildschirm sah sie sich selbst als Teenager, wie sie einen Freund abwies, der sie um Hilfe bat, weil sie zu beschäftigt war, um sich mit seinen Problemen zu beschäftigen. Auf einem anderen sah sie sich selbst, wie sie zögerte, einen neuen Job anzunehmen, der ihr angeboten wurde, aus Angst, die Sicherheit ihrer alten Position zu verlieren. Wieder ein anderer Bildschirm zeigte sie, wie sie sich von einer Leidenschaft, die sie einst so sehr geliebt hatte, abwandte, weil sie glaubte, nicht gut genug zu sein.
Tränen stiegen in ihre Augen, als sie die Bilder sah. Es war, als ob ihr all ihre Fehler, all ihre Bedauern vor Augen geführt wurden, und sie fühlte sich klein und unbedeutend unter dem Gewicht dieser verpassten Chancen.
„Warum zeigst du mir das?", flüsterte sie in die Stille, als ob die Stadt selbst ihr eine Antwort geben könnte.
„Weil du verstehen musst", erklang Aarons Stimme in ihrem Kopf, obwohl er nicht bei ihr war. „Diese Stadt zeigt dir nicht nur, was du verloren hast, sondern auch, was noch möglich ist. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern, Lara, aber du kannst aus ihr lernen. Jede dieser verpassten Chancen, jeder dieser verlorenen Träume ist ein Teil von dir. Sie haben dich zu dem gemacht, was du heute bist."
Lara schaute auf die Bildschirme, die jetzt neue Bilder zeigten — Bilder von ihr, wie sie die richtigen Entscheidungen traf, wie sie Chancen ergriff und Träume verfolgte. Sie sah sich selbst lachen, lieben, erfolgreich sein. Sie sah, wie sie Menschen half, wie sie mutig war, wie sie ihre Ängste überwand.
„Du hast immer noch die Möglichkeit, deinen Weg zu ändern", fuhr Aarons Stimme fort. „Es gibt immer noch Zeit, das Beste aus deinem Leben zu machen, egal was geschehen ist. Das ist die Lektion, die du hier lernen musst."
Lara spürte, wie eine neue Stärke in ihr erwachte. Sie verstand, dass sie nicht hier war, um sich in ihren Fehlern zu verlieren, sondern um zu erkennen, dass sie die Macht hatte, ihre Zukunft zu gestalten. Sie konnte immer noch die Person werden, die sie sein wollte. Sie musste nur den Mut haben, es zu tun.
Entschlossen wischte sie sich die Tränen ab und ging weiter über den Platz, den Kopf hoch erhoben. Sie würde sich nicht länger von ihrer Vergangenheit gefangen halten lassen. Sie war bereit, ihren eigenen Weg zu finden — in eine neue Richtung, eine Richtung, die sie selbst wählte.
Und mit jedem Schritt fühlte sie, wie die Dunkelheit um sie herum ein wenig heller wurde
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Der Geisterzug „Schattenreise"
Terror„Schattenreise" FSK 14/16 Willkommen in der Schattenwelt In einer Welt, in der die Grenze zwischen Leben und Tod verschwimmt, begibt sich Lara auf eine düstere Reise in einen mysteriösen Geisterzug. Was als unheimliches Abenteuer beginnt, entwickel...