Kapitel 27: Der Traum

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Erschöpft von den Erlebnissen der letzten Stunden, lehnte sich Lara in ihrem Sitz zurück. Der Zug fuhr gleichmäßig weiter durch die endlose Dunkelheit, das rhythmische Rattern der Räder lullte sie langsam in den Schlaf. Sie schloss die Augen und ließ die Ereignisse des Tages Revue passieren. Die Schattenwelt, die Begegnung mit Anna, die Abschiede, die neue Hoffnung. Ihre Gedanken drifteten, und bald glitt sie in einen tiefen, unruhigen Schlaf.

Doch kaum war sie eingeschlafen, begann Lara zu träumen. Es war kein gewöhnlicher Traum. Es war lebendig, intensiv, als ob sie in eine andere Realität gezogen wurde. Sie befand sich in einem warmen, sonnendurchfluteten Zimmer. Die Wände waren in einem sanften Pastellton gestrichen, und durch das geöffnete Fenster wehte eine frische Brise herein. Sie konnte den Duft von frisch gebackenem Brot in der Luft riechen und das leise Summen einer Melodie, die irgendwo im Haus gesungen wurde.

Lara sah sich um, und ihr Blick fiel auf ein kleines Mädchen, das in der Mitte des Raumes saß und mit Puppen spielte. Das Mädchen sah aus wie Anna, aber jünger, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt. Ihr Lächeln war strahlend, ihre Augen leuchteten vor Freude, als sie die Puppen hin und her bewegte und ihnen leise Geschichten zuflüsterte.

„Anna?", murmelte Lara überrascht. Sie konnte nicht verstehen, was dieser Traum bedeutete, aber etwas in ihr zog sie zu dem kleinen Mädchen hin. Sie kniete sich zu Anna herunter, beobachtete sie beim Spielen und spürte eine tiefe, unerklärliche Zuneigung in ihrer Brust aufsteigen.

Das Mädchen sah auf und ihre Augen trafen Laras. „Mama!", rief sie freudig und ließ die Puppen fallen, um Lara zu umarmen. Die Berührung war so real, dass Lara fast den Atem anhielt. Sie konnte die Wärme von Annas kleinen Armen um ihren Hals spüren, das sanfte Flattern ihres Herzschlags gegen ihre eigene Brust.

„Mama?", wiederholte Lara leise, überwältigt von den Gefühlen, die in ihr aufstiegen. In ihrem Traum wusste sie plötzlich, dass dies nicht nur ein zufälliger Traum war. Es fühlte sich an wie eine Erinnerung, etwas Vertrautes und doch völlig Neues. Sie wusste nicht, wie es möglich war, aber sie spürte eine tiefe, bedingungslose Liebe zu diesem kleinen Mädchen, als ob sie tatsächlich ihre Mutter wäre.

Lara hielt Anna fest und drückte sie an sich. „Meine kleine Anna", flüsterte sie und spürte, wie Tränen über ihre Wangen liefen. „Ich bin so froh, dass du hier bist."

Anna lehnte sich zurück und sah Lara mit einem Lächeln an, das so rein und unschuldig war, dass es Laras Herz berührte. „Ich bin immer bei dir, Mama", sagte Anna leise. „Egal was passiert, wir sind immer zusammen."

Lara spürte einen Kloß in ihrem Hals. Die Worte des Mädchens hallten in ihrem Kopf wider, und sie wollte noch mehr sagen, wollte so viel mehr wissen. Aber plötzlich begann das Zimmer zu verblassen, das Licht wurde dunkler, und Anna schien in den Schatten zu verschwinden.

„Nein, warte!", rief Lara verzweifelt, ihre Hände griffen ins Leere, als das Bild vor ihr verschwamm und schließlich ganz verschwand.

Mit einem Ruck erwachte Lara aus ihrem Traum. Sie saß immer noch im Zug, ihr Herz raste, und Tränen liefen über ihr Gesicht. Sie fühlte sich, als ob sie gerade etwas Wunderbares verloren hätte, eine Wahrheit, die sie nicht ganz greifen konnte. Ihr Atem ging schnell, und sie brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass sie wieder wach war.

Aaron, der neben ihr saß, sah sie besorgt an. „Lara, alles in Ordnung?" fragte er sanft, seine Augen forschend auf ihr Gesicht gerichtet.

Lara nickte langsam, wischte sich die Tränen ab und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. „Ich... ich hatte einen Traum", murmelte sie, noch immer verwirrt von der Intensität der Gefühle, die sie durchströmt hatten. „Es fühlte sich so echt an. Anna war da... und sie nannte mich Mama."

Aaron sah sie mit einem Ausdruck von Verständnis und Mitgefühl an. „Träume können uns manchmal Dinge zeigen, die unser Verstand noch nicht versteht", sagte er leise. „Vielleicht gibt es eine Verbindung zwischen euch, die über dieses Leben hinausgeht."

Lara schloss die Augen und atmete tief durch. Sie wusste nicht, was dieser Traum wirklich bedeutete, aber etwas in ihr fühlte sich verändert an, als ob sie eine Wahrheit erkannt hatte, die sie vorher nicht gesehen hatte. Vielleicht war Anna tatsächlich mehr für sie, als sie je gedacht hatte. Vielleicht gab es Verbindungen, die über Zeit und Raum hinausgingen, die ihre Seelen miteinander verbanden.

„Ja", flüsterte Lara schließlich, eine kleine, traurige Hoffnung in ihrer Stimme. „Vielleicht ist das so." Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen wieder, bereit, sich erneut in den Schlaf fallen zu lassen, mit dem Wissen, dass sie und Anna auf irgendeine Weise immer verbunden sein würden.

Der Geisterzug „Schattenreise"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt