Kapitel 6: Funkstille

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Die Tage nach der Party vergingen wie in einem trüben Schleier. Ich hatte immer wieder versucht, Arina zu erreichen. Nachrichten geschrieben, sie angerufen. Doch nichts kam zurück. Keine Antwort, keine Reaktion. Es war, als hätte sie mich aus ihrem Leben verbannt. Mein Herz zog sich jedes Mal schmerzhaft zusammen, wenn ich an unsere letzte Auseinandersetzung dachte. Der Gedanke, meine beste Freundin zu verlieren, ließ mich nicht los. Vielleicht hätte ich die Sache anders angehen sollen. Vielleicht hätte ich mehr Geduld mit ihr haben müssen.

Ich konnte nur hoffen, dass sie bald zur Vernunft kam und wir die Sache klären konnten. Doch die Tage verstrichen, und von Arina kam – nichts.

In der Zwischenzeit war die Arbeit an meiner neuen Modekollektion die einzige Ablenkung, die mir blieb. Die Firma, die ich von meiner Großmutter übernommen hatte, brauchte all meine Aufmerksamkeit. Mode war immer mein Rückzugsort gewesen, mein kreatives Ventil, wenn das Leben unübersichtlich wurde. Ich versuchte mich in Entwürfe zu stürzen, Farben und Stoffe zu kombinieren, aber in meinen Gedanken war immer dieser Schatten. Arina. Die Sorge um sie ließ mich nicht los.

An einem Montagmorgen, als ich mit meinem Kaffee im Büro saß und meine Skizzen durchging, hörte ich draußen Schritte. Ich hob den Kopf und sah jemanden im Türrahmen stehen. Mein Herz setzte für einen Moment aus.

Es war der Fremde- von dem ich Namen immer noch nicht wusste.

Er stand da, als wäre es das Normalste der Welt, hier zu sein. In meiner Firma. Im Umfeld, das so weit entfernt war von den schäbigen Lagerhallen, in denen ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Sein Blick war kühl, doch in seinen Augen lag immer noch diese Tiefe, die mich bei unserer ersten Begegnung so verwirrt hatte.

„Was machst du hier?", fragte ich und konnte den Hauch von Überraschung in meiner Stimme nicht verbergen. Ich hätte nie erwartet, ihn hier zu sehen – in der Firma, die meine Großmutter aufgebaut hatte.

Er trat näher, die Hände in den Taschen, als hätte er alle Zeit der Welt. „Ich arbeite hier."

Meine Augen weiteten sich. „Was? Seit wann?"

„Seit letzter Woche", antwortete er, ohne eine Spur von Emotion in seiner Stimme. „Ich bin der neue Sicherheitsbeauftragte."

Sicherheitsbeauftragter? Das ergab keinen Sinn. Warum hatte ich nichts davon gewusst? Ich dachte, ich hätte jede Entscheidung, jeden neuen Mitarbeiter im Blick, vor allem in so einer Schlüsselposition.

„Warum wurde ich nicht informiert?", fragte ich, noch immer verwirrt.

Er zuckte nur mit den Schultern. „Wahrscheinlich, weil es nicht wichtig genug war. Die Entscheidung wurde von der Geschäftsführung getroffen, du warst wohl gerade mit der Kollektion beschäftigt."

Ich spürte, wie sich meine Anspannung löste, aber das Gefühl von Unbehagen blieb. „Also wirst du jetzt hier arbeiten? Nach allem, was passiert ist?"

Er sah mich direkt an, und für einen Moment war es, als hätte er alles durchschaut. „Ich bin hier, um meinen Job zu machen. Was auch immer zwischen uns vorgefallen ist, hat damit nichts zu tun."

Sein kühler, professioneller Tonfall verwirrte mich. War das wirklich alles? Nur ein Zufall? Oder steckte mehr dahinter? Ich wollte ihn zur Rede stellen, ihn fragen, was wirklich in diesem Lagerhaus vor sich gegangen war, aber die Worte blieben mir im Hals stecken. Vielleicht war es besser, jetzt nicht weiter nachzuhaken.

„In Ordnung", sagte ich schließlich, versuchte meine Stimme fest klingen zu lassen. „Aber ich werde dich im Auge behalten."

Er nickte nur knapp und ging zur Tür. „Tu das", sagte er ruhig und verschwand dann im Flur.

Ich stand da, den Blick auf die Tür gerichtet, und konnte nicht fassen, was gerade passiert war. Der Mann, der mich auf dieser dubiosen Party gewarnt hatte, war jetzt hier – in meiner Firma. Und obwohl er sagte, dass es nichts zu bedeuten habe, konnte ich das seltsame Gefühl nicht abschütteln, dass sein Auftauchen alles andere als ein Zufall war.

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