Kapitel 4 - Nur ein Vorschlag

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"Jetz hör mal zu! Wenn ich nur ein einziges Mal erfahre, dass du ihn schlägst, sind wir weg!", drohte er ihr. Dann wurde es still. "Wohin wollt ihr denn gehen? Euer Vater würde euch niemals aufnehmen. Und der Rest der Familie kennt ihr gar nicht." "Das ist egal", war es jetzt Sam, der sprach, "Hauptsache weg hier."

Schon ging die Tür auf und ein Sam mit grossen Augen stand da. Doch, bevor er irgendwas sagen konnte, hatte ich ihm das Wort abgeschnitten. "Ihr könnt zu mir kommen. Meine Wohnung ist zwar klein, aber es ist doch überall besser als hier." Er nickte leicht, die Augen füllten sich mit Tränen und er fiel mir um den Hals. Ich erwiderte seine Umarmung.

Hinter ihm erkannte ich jemanden. Eine etwas grössere Person mit dunklen Haaren und schwarzen Augen. Er schaute mich zwar leicht irritiert, aber dennoch dankbar an. Er war etwas grösser als Sam, jedoch nicht wirklich ein Riese. Ich löste mich von der Umarmung und schaute diesen mysteriösen Typ an. Warum starrte er mich denn so an?

"Nein.", kam aus dem Mund des Fremden. Verwirrt schaute ich ihn an. Nein? Ohne Grund? Einfach nur nein? Er nahm Sam bei der Hand und zog ihn von mir weg. Was sollte das jetzt? Warum war er so arschig zu mir? Ich hatte ihm doch meine Hilfe angeboten!

Sam drehte sich hastig um und schaute diesen anderen an. Seinen Ausdruck konnte ich nicht deuten. Dieser Mann erklärte ihm nur kurz: "Sam, du weisst doch warum das nicht geht." "Aber wo wollen wir den sonst hin? Du hast kein Geld und ich auch nicht. Ausserdem bin ich noch in der Schule, die ich wirklich gerne beenden würde." Der Mann schloss seine Augen einen Moment lang, ehe er mich ansah. Seine Augen waren ein bisschen freundlicher geworden, was mir Gänsehaut verschaffte. "Okay. Nur weg hier." "Danke, Mason.", kam es von Sam. Ich lächelte den beiden kurz zu, ehe ich sie in mein Auto einlud und wir losfuhren.

****

"Hier könnt ihr gerne bleiben solange ihr wollt. Meine Eltern sind im Moment bei meinen Grosseltern in Spanien, deswegen kommen sie zurzeit nicht. Lydia wohnt im grossen Haus und will mich nicht bei ihr haben. Eine nette Schwester habe ich da. Naja, also könnt ihr euch gerne wie zuhause fühlen." "Danke tausend Mal, Devin, wirklich." "Kein Problem Sam." "Danke.", hörte ich auch von Mason. Ich nickte ihm leicht zu und verschwand in mein eigenes Zimmer. Ich liess die Beiden im Zimmer meines älteren Bruders Alex wohnen. Er war sowieso nie zuhause, da er inzwischen auf dem College war.

Ich war froh, dass ich Sam helfen konnte. Jedoch war ich nicht im Stande, einzuschlafen. Immer wieder stieg er mir in den Kopf. Was zur Hölle musste er alles durch machen? Er tat mir unendlich leid. Klar, jeder hatte sein Paket zu tragen, ich eingeschlossen, aber eine Mutter zu haben, die dich nur schlägt, war echt zu viel. Ausserdem kam noch dazu, dass er Jonah wirklich geliebt hatte, und er ihn für seinen Lehrer stehen liess. Was auch wirklich hart war. Wie konnte Sam nur immer so glücklich sein, obwohl er so vieles durchmachen musste?

Es war mittlerweile Mitternacht und ich konnte immer noch nicht schlafen. Was war nur los mit mir? Ich beschloss, aufzustehen, mir einen Tee zu machen und dann wieder versuchen schlafen zu gehen. Doch gerade, als ich aus meinem Zimmer war, sah ich eine Gestalt vor dem Fenster der Terrasse sitzen. Das Fenster, welches raus zum Balkon führte, nahm die ganze Wand ein. Deswegen erkannte ich die Form eines Jungen sehr gut. Ob es nun Mason oder Sam war, erkannte ich jedoch nicht. Und es war mir egal. Ich setzte mich einfach neben ihn und schaute ebenfalls zur Terrasse hinaus. "Kannst du auch nicht schlafen?", fragte ich. Die Person schüttelte den Kopf und ich sah sie an. Sam. Ein trauriger Sam. Seine Augen waren rot und mit Tränen gefüllt, die ihm die Wange herunterrollten. Bisher hatte ich ihn noch nie so gesehen. Und es tat mir im Herzen weh. Ohne zu zögern nahm ich ihn in den Arm und versuchte ihm Trost zu spenden.
Er liess alles raus, was ihm auf dem Herz lag, während ich ihm den Rücken streichelte. Er klammerte sich um mich und wir schwiegen. Es tat ihm gut, zu wissen, dass jemand für ihn da war und er genoss dieses Gefühl. Ich fühlte mich sehr viel besser, als er mich wieder ansah und die Tränen wegwusch. Er lächelte sogar ein kleines bisschen. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
"Ich mach dir einen Tee, ja?", bot ich ihm an. Lächelnd nickte er. Ich lief also in die Küche, liess das Wasser in den Kocher und stellte den Herd an. Während das Wasser vor sich hin sprudelte, holte ich zwei Tassen heraus. In die Tassen löffelte ich Pulver von meinem Lieblingstee. Gute Nachttee. Der war einfach der beste.
Schnell guckte ich zu Sam, der immer noch vor dem Fenster sass und begann zu zittern. Schnell holte ich eine warme Decke heraus und legte sie ihm um. Ein Lächeln seinerseits und mein Herz war schon wieder aufgeblüht. Ich lächelte zurück und lief wieder in die Küche.

Der Krach, welcher der Kocher verursachte, sagte mir, dass das Wasser warm genug war. Also füllte ich das Wasser in die Tasse. Ich rührte sie leicht um, damit das Pulver auch wirklich verteilt war. Ein bisschen kaltes Wasser und Zucker dazu. Fertig.

Vorsichtig lief ich zu Sam, der nun schon wärmer hatte, so wie es aussah. Ich gab ihm eine Tasse und setzte mich neben ihn. Seine Augen fixierten meine. "Danke.", hörte ich leise. "Kein Problem.", gab ich als Antwort. "Nicht nur für den Tee, Devin. Ich danke dir für alles. Dafür, dass du mich gerettet hast und dafür, dass ich bei dir wohnen kann. Dafür, dass du mich nicht verurteilst oder Abstand von mir willst. Danke, Devin. Wirklich!" Seine Worte schmerzten. Jedoch nicht aus dem Grund, dass sie nicht nett gemeint waren. Sie schmerzten, weil es ihn schmerzte. Ich konnte es nicht ertragen, ihn leiden zu sehen. Es tat mir immer zu sehr weh.

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