Kapitel 24 - Heilungsprozess

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Sam' Sicht

Seit Devin weder reden noch hören konnte, war mein Handy der wichtigste Gegenstand der Welt geworden. Ich konnte nicht mehr ohne aus dem Haus und bei Devin wollte ich es immer dabei haben.
Natürlich gab es Tage, an denen ich es zuhause hatte liegen lassen. Aber da fragte ich immer Jemanden, für einen Schreibblock und einen Stift. Doch manche Krankenschwestern waren nicht wirklich sehr freundlich. Vielleicht lag es daran, dass alle wussten, dass wir beide schwul waren. Doch keine Ahnung, ob sie dachten, wir wären ein Paar.

Ich wollte gerade in sein Zimmer gehen, als mir der Arzt entgegen kam. Er sah komisch aus. Ich konnte nicht definieren, ob es eine gute oder schlechte Laune war. Mein Instinkt riet mir, ihn sofort zu fragen, ob irgendwas nicht stimme. Als der Doktor mich sah lächelte er leicht. "Hallo Sam." "Guten Tag, Doktor. Was ist denn los?", antwortete ich wie aus einer Kanone geschossen. Wieder ein halbes Lächeln. "Devin geht es besser. Durch die Therapie, die wir mit ihm gemacht haben, kann er uns zwar hören, jedoch noch nicht alles verstehen. Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt die Ohren nochmals untersuchen. Sollte sich jedoch nichts ändern, müssen wir ihm ein Hörgerät anpassen."

Ich konnte es kaum glauben. Er konnte wieder hören! Oh mein Gott! "Und kann er denn auch sorechen?", wunderte ich mich. Der Doktor lächelte mich sanft an. "Versuchs doch mal." Und damit war er weg.

Bevor ich das Zimmer betrat, richtete ich nochmals meine Kleidung und Haare. Ich wollte gut genug für ihn aussehen. Und das war bei ihm echt schwierig. Neben ihm sah ich aus, wie die Bohnenstange, auf den niemand jemals stehen würde.

Ich öffnete die Tür und Devin sah echt erledigt aus. Jedoch waren seine Schwellungen schon sehr zurück gegangen und er sah beinahe schon wie er selber aus. Ich hatte ihn seit gestern Nachmittag nicht mehr gesehen, deswegen fiel mir auch endlich auf, wie viel besser er jetzt aussah.

Als er mich wohl gehört hatte, öffnete er kurz die Augen und lächelte mich an. "Hey Devin.", sprach ich etwas lauter als sonst. Blitzschnell verschwand sein Lächeln und er hielt sich den Kopf. "Nicht so laut, bitte." Ich grinste. Er hörte also eigentlich richtig richtig gut. Also nahezu perfekt.

Ich liess mich auf sein Bett plumpsen und sprach eine Weile mit ihm über Unwichtiges. Smalltalk halt. Er fragte manchmal nach, wenn er etwas nicht verstanden hatte, was jedoch sehr selten geschah. Doch irgendwann im Verlaufe unseres Smalltalks hatte ich genug davon. Er konnte endlich reden. Also sollte er auch darüber reden. Ich kannte ihn schon gut genug, dass ich wusste, er wollte die Geschichte hinter ihm lassen. Doch das liess ich nicht zu, sonst würde er noch gleich enden wie ich.

"Devin." "Sam?" "Ich will mit dir darüber reden." "Worüber?" "Worüber wohl. Stell dich nicht dumm." "Ich stelle mich nicht dumm." "Devin, was haben die drei Jungs dir nur angetan?" Sein Blick wandte er von mir ab auf den Boden. Seine Augen wurden von Tränen gefüllt und er versuchte, sie mir nicht zu zeigen. Doch das wollte ich nicht. Wir sollten gleichberechtigt sein. Ich hatte vor ihm geweint, nun war er dran. Zärtlich strich ich mit meiner Hand an seine Wange. Ich zwang ihn damit, mich anzusehen. Und als er mir in die Augen schaute, begann er auch direkt zu weinen. Ich nahm ihn in meine Arme und versuchte, ihn zu trösten.

"Es war einfach nur die Hölle... schlugen mich immerzu... wollten mich bei lebendigem Leibe verbrennen lassen..." "Schhhh...! Ist ja gut. Ich bin bei dir." Er löste sich von unserer Umarmung und schaute mich an. "Ich hatte ein Mädchen schreien gehört und.. und.. ich bin der Stimme hinterher. Habe mich vor sie gestellt. Und sie rannte weg. Die Jungs sie.. sie sind mir hinterher. Mehr weiss ich nicht mehr, bis ich halb verhungert aufgewacht bin und mir alles wehtat. Die Jungs prügelten mich so oft, dass ich irgendwann keine Luft mehr hatte. Erst dann liessen sie mich in Ruhe. Wenn sie mir etwas zu trinken oder essen gaben, musste ich es mir verdienen."

Was ich da hörte verschlug mir regelrecht die Stimme. Wieso tat man dies? "Kanntest du die Jungs?", wollte ich wissen. Er schüttelte mit dem Kopf. "Nicht wirklich. Naja, einer der drei kam mir zwar sehr bekannt vor, doch ich weiss immer noch nicht woher. Ich kenne zwar den einen oder anderen Namen, aber ich will ehrlich gesagt, diese ganze Geschichte vergessen." "Devin das wirst du nicht schaffen, wenn du einfach nie drüber reden willst. Ausserdem müssen wir die Drei einsperren lassen. Sie haben nicht nur dir geschadet. Auch Chloe und wer weiss wem noch? Vielleicht haben sie sogar einen Tod auf ihrem Gewissen. Die Polizei muss das wissen!", versuchte ich ihn zu ermutigen.

Sein Blick durchstocherte mich. "Was ist?", fragte ich. "Wer zur Hölle ist Chloe? Und was ist da zwischen euch? Ich will die Wahrheit wissen." Sein eifersüchtiger Blick sagte mir, dass er es ernst mit der Frage meinte. Ich konnte mich einfach nicht mehr halten und begann lauthals zu lachen an. Er wurde noch wütender, doch das war mir so egal. Ich konnte ihn einfach nicht ernst nehmen.

Nachdem ich mich endlich beruhigt hatte, wollte ich ihm alles erklären. Weit kam ich aber nicht, da ich bereits nach meinem ersten Wort wieder lachen musste. Er musterte mich. Er schien zwar nervös und aggressiv zu sein, aber ein Schimmer von Humor lag ebenfalls in seinen Augen. Er musste sich wohl sehr zusammen reissen, nicht auch los zu lachen.

"Devin du bist zu lustig.", fing ich wieder damit an. Nun grinste er endlich auch. "Nein, sag schon. Wer ist diese Chloe?", hackte er nach. Ich lächelte. "Chloe..", begann ich, "Chloe ist die junge Frau, die mit uns ins Krankenhaus gekommen ist. Das blonde Mädchen, zirka einen Meter sechzig gross, blonde Haare, blaue Augen. Klingelt's bei dir?" Und blitzschnell, auch wenn ich das niemals erwartet hätte, verfinsterte sich seine Miene. Was hatte er denn gegen Chloe?

Days like theseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt