"Was soll das?", schrie Sophie aufgebracht. "Lass uns sofort wieder raus!"
"Nein", begann Filz zu sprechen. "Das werde ich nicht tun." Seine Stimme hatte sich verändert. Aus der sympathischen Katze, die ihnen nur helfen wollte, war etwas eiskaltes geworden.
Toni trat an die Tür der Transportbox und sah Filz ruhig in die Augen, als er sagte: "Filz, was auch immer das hier wird, lass uns bitte wieder raus. Wenn du in Schwierigkeiten steckst, dann können wir dir helfen."
Filz lachte auf. "Wenn ich in Schwierigkeiten stecke? Ich weiß nicht, ob es euch aufgefallen ist, aber ich denke, dass ihr diejenigen seid, die in Schwierigkeiten stecken."
"Was hast du vor mit uns?", rief Sophie dem grauen Kater hinterher. Doch sie bekam keine Antwort. Mit vor Angst weit geöffneten Augen drehte sie sich zu Toni um. Sie brauchte nichts zu sagen, er verstand sofort.
"Ich weiß. Wir müssen dringend einen Weg hier raus finden, ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache", erwiderte er ernst.
Von der Größe der Transportbox vermutete Sophie, dass es sich hierbei um eine Box für große Hunde handelte. Die beiden suchten jede Ecke, jeden Winkel und jeden noch so kleinen Schlitz ab. Sie kratzten und buddelten nahezu überall. Sophie schaffte es sogar, eine Pfote durch das Gitter an der Tür zu stecken. Aber ihr Bein war zu kurz und sie konnte den Hebel zum Öffnen nicht erreichen. Die Box war dicht. Sie saßen endgültig in der Falle.
Aus der Nähe des Eingangs der Halle drangen Stimmen zu ihnen durch. Sophie und Toni spitzten die Ohren. Da waren andere Katzen! Vielleicht waren sie gekommen, um ihnen zu helfen! Und tatsächlich, kurze Zeit später näherten sich drei weitere Katzen der Transportbox. Und Sophie konnte sofort an ihren Blicken erkennen, dass diese Katzen nicht hier waren, um ihnen zu helfen.
Der Kater, der an der Spitze lief, blieb vor der Gittertür stehen und musterte die beiden Gefangenen. Er war auf einem Auge blind. Die linke Augenhöhle, in der normalerweise das Auge lag, war leer. Stattdessen zog sich quer über die leere Höhle ein dicker, vernarbter Kratzer. Er musste das Auge im Kampf verloren haben, dachte sich Sophie. Der Kater verzog sein Maul zu einem Lächeln und wandte sich an Filz: "Gut gemacht, Filz. Hätte ich dir gar nicht zugetraut. Da können wir ein paar Tage von zehren."
"Moment, halt, was meint ihr damit?", Sophie hatte einen Kloß im Hals. "Wovon wollt ihr zehren?" Sie hatte einen schrecklichen Verdacht, traute sich aber nicht, das laut auszusprechen.
Der Kater mit nur einem Auge schaute tief in Sophies Augen, als er seinen Begleitern zurief: "Bereitet das Abendmahl vor!" Dann wandte er sich mit einem bösartigen Lächeln ab und lief in die entgegengesetzte Richtung davon.
Abendmahl. Sophie versuchte die Worte zu verstehen. Sie war sich ziemlich sicher, dass die Katzen, die sie gefangen hielten, kein Abendmahl für sie und Toni vorbereiten würden. Vielmehr glaubte sie, dass sie selbst das Abendmahl werden würden. Das waren Kannibalen!
Ein Blick zu Toni genügte ihr, dass auch er verstanden hatte. "Was machen wir jetzt?", flüsterte Sophie verzweifelt.
"Ich weiß es nicht", antwortete Toni ehrlich. "Aber wir werden es hier raus schaffen. Das verspreche ich dir."
"Aber wie, Toni? Es sind doppelt so viele. Wie wollen wir gegen vier fremde, wilde Katzen gewinnen?"
"Vertrau mir, ok? Wir schaffen das, ich überlege mir was."
So sehr Sophie Toni schätzte und ihm auch vertrauen wollte. Dieses Mal sah sie keine Hoffnung. Sie waren in einem Käfig gefangen und warteten darauf, von vier wilden Katzen getötet und anschließend verspeist zu werden. Schlimmer konnte es gar nicht kommen. Sophie zog sich in den hinteren Teil der Box zurück und kringelte sich zu einem kleinen Päckchen zusammen. Toni tigerte an der Gittertür auf und ab, in ihm arbeitete es, das konnte Sophie sehen. Sie bewunderte ihn dafür, dass er die Hoffnung nicht aufgab.
Plötzlich stellten sich Tonis Nackenhaare auf und er begann zu knurren. Jemand näherte sich, das konnte Sophie hören. War es schon so weit? War der Zeitpunkt ihres Todes gekommen?
"Was willst du hier?", knurrte Toni. "Bist du auch gekommen, um einen Bissen von uns zu bekommen?"
Jetzt wurde Sophie neugierig. Wer war da? Es musste jemand sein, den Toni kannte. Von den Kannibalen Katzen konnte es niemand sein. Sie stand auf und näherte sich der Gittertür. Als sie die Katze erkannte, die Toni so angeknurrte hatte, sackte ihr das Herz drei Stockwerke tiefer. Es war Bo! Wie konnte er ihnen so etwas nur antun? Hatte er sie von Anfang an in diese Falle locken wollen? War das sein Plan gewesen?
"Nein, um Gottes Willen, Toni", flüsterte Bo entsetzt. "Wie kannst du so etwas von mir denken?"
Toni traute ihm nicht und knurrte weiter: "Und wie kann es dann sein, dass du ganz zufällig hier bist, in dem Moment, in dem wir hier gefangen sind?"
"Toni wirklich, du musst mir glauben. Ich habe mit diesem Hinterhalt nichts zu tun. Ich war zufällig in der Gegend, als ich ein paar Katzen über euch sprechen hörte. Ich wusste sofort, dass es sich dabei um euch handeln musste. Also bin ich ihnen gefolgt. Ich habe mich so lange versteckt, bis die Luft rein war. Ich will euch helfen, wirklich!"
"Toni", fing Sophie an. "Ich glaube, er sagt die Wahrheit. Wir können ihm vertrauen."
Langsam schmiegten sich die aufgestellten Nackenhaare wieder an Tonis Körper. "Ok, ich glaube dir. Aber wie willst du das anstellen? Sophie und ich haben jeden Winkel dieser verdammten Box untersucht. Es gibt keine Fluchtmöglichkeit."
"Filz!", tönte es aus einer Ecke weiter vorne in der Halle. "Schnapp dir Bill und hol uns unser Abendmahl, ich habe so langsam ziemlich Hunger."
"Schnell!", zischte Toni Bo zu. "Versteck dich, sie dürfen dich hier nicht erwischen."
So schnell wie die Nacktkatze aufgetaucht war, war sie auch wieder verschwunden. Und keine Sekunde zu früh. Denn schon tauchten Filz und sein Begleiter Bill auf. Die beiden leckten sich freudig über das Maul, als sie Toni und Sophie sahen. Sophie zitterte am ganzen Körper. Toni rückte ein Stück näher an sie ran und sie konnte sein Fell an ihrem spüren. "Keine Angst, es wird alles gut werden. Ich bin bei dir", flüsterte er ihr ins Ohr.
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Der Fluch der Khepri
FantasiaSophie wuchs unter keinen guten Bedingungen auf. Ihre Mutter war noch eine Schülerin, als sie Sophie direkt nach der Geburt vor der Haustür ihres Vaters absetzte und sich aus dem Staub machte. Ihr Vater war selbst fast noch ein Teenager. Er hatte di...