31 | Das Artefakt

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Sophie brauchte eine Weile, um zu verarbeiten, was sie da gerade sah. Sie ließ ihren Blick mehrmals von links nach rechts, von unten nach oben und umgekehrt schweifen, um sich einen groben Überblick über die Malereien an den Wänden zu verschaffen. Sie konnte kaum glauben, was sie da vor sich hatte. Nach all den Sackgassen, standen sie nun tatsächlich vor dem Beweis, dass es dieses uralte Katzenvolk tatsächlich gegeben hatte. Aber ein kleiner Stich in der Gegend ihres Herzens, erinnerte sie daran, dass es noch lange nicht hieß, dass das auch die Lösung für ihre Träume war. Das Katzenvolk konnte durchaus existiert haben, aber es musste nicht zwangsläufig auch mit ihren Träumen zusammenhängen. Aber um das herauszufinden, blieb den beiden Katzen nichts anderes übrig, als die Malereien an den Wänden zu entschlüsseln. Sophie hatte so eine Ahnung, dass dies der Schlüssel sein könnte.

"Sieh mal Toni", rief Sophie ihrem Begleiter zu. "Ich glaube, dass sich die Malereien wie eine Art Buch lesen lassen. Hier links ist der Anfang. Und die Geschichte arbeitet sich bis dort hinten rechts durch."

"Du hast Recht. Wir müssen also nur die Zeichnungen entziffern und verstehen, was sie zu erzählen haben. Das kann ja wohl nicht so schwer sein", versuchte Toni die Situation etwas aufzulockern. Aber auch ihm war aufgefallen, dass es gar nicht so einfach war, diese Zeichnungen zu verstehen. Manche Teile waren bereits so ausgeblichen von der Witterung, dass man mehr raten musste als sonst irgendwas. Aber sie hatten keine andere Wahl, also trat Sophie näher an die bemalte Wand und versuchte zu verstehen, was dort gezeichnet war.

"Wenn ich diese Zeichnung hier richtig verstehe, dann gibt es so eine Art Gegenstand, der ungefähr so aussehen muss, wie er hier an die Wand gemalt wurde. Er ist ungefähr so groß wie die Hand eines Zweibeiners", murmelte Sophie vor sich hin. Toni trat hinter sie und guckte ihr über die Schulter.

"Ja, und wenn man hier ein Stück weitergeht, dann kann man sehen, dass mit diesem Gegenstand irgendetwas passiert, aber ich kann es nicht genau erkennen, was das sein soll, die Zeichnung ist an dieser Stelle zu ausgeblichen", antwortete Toni ihr und ging langsam an der Wand entlang.

"Was kann das sein?", dachte Sophie laut nach. "Es sieht aus, als würde dieses Teil irgendwie explodieren. Ob es gefährlich ist?"

Die beiden Katzen standen grübelnd vor der Wand. Sophie hatte ein Gefühl, dass dieser Teil der Zeichnung wichtig war und gleichzeitig wusste sie, dass sie die Zeichnung nicht richtig interpretierten. Sie ging einen Schritt zurück, um mehr Abstand zur Wand zu bekommen, und da sah sie es plötzlich und die Zeichnung ergab Sinn.

"Toni!", rief sie laut. "Ich hab's! Ich glaube, ich habe die Zeichnung verstanden. Schnell, komm her zu mir, da kannst du es auch sehen."

Toni trat neben sie, aber sein Blick blieb ratlos. "Tut mir Leid, aber ich fürchte, mir erschließt sich der Sinn der Zeichnung nicht so wirklich."

Sophie deutete mit dem Kopf nach oben und sagte: "Sieh nach oben."

Toni folgte ihrer Anweisung und seine Augen öffneten sich überrascht.

Sophie begann zu erzählen, was ihrer Meinung nach auf diesen Malereien zu sehen war: "Das Teil explodiert nicht. Es leuchtet! Und dieser Kreis dort oben, das soll den Mond darstellen. Den Vollmond, mit lauter kleinen Sternen drum herum."

"Sophie", begann Toni. "Du bist großartig! Ich glaube du hast es wirklich geschafft, diese Zeichnung zu entschlüsseln."

"Nicht ganz. Der letzte Teil der Zeichnung ist so ausgeblichen, dass ich keine Ahnung habe, was passiert, wenn dieses Teil vom Mondlicht angestrahlt wird."

"Da bleibt uns nur eine Möglichkeit, um das herauszufinden. Wir müssen dieses Teil finden."

"Aber wo sollen wir bloß danach suchen, Toni? Es könnte überall sein und ich kann der Zeichnung keinen Hinweis auf seinen Fundort entnehmen."

"Naja, irgendwie hat alles mit dieser Höhle hier zu tun. Ich finde, wir sollten hier in der Höhle anfangen, nach diesem Ding zu graben."

Da Sophie keinen besseren Vorschlag hatte, stimmte sie Toni zu und die beiden Katzen begannen systematisch den Raum mit den Höhlenmalereien zu durchgraben. Aber schnell verlor Sophie ihre anfängliche Euphorie. Sie hatten keine Ahnung, wie tief sie graben mussten und ob dieser Gegenstand sich überhaupt in diesem Teil der Höhle befand.

Nachdem die beiden Katzen den Raum vollständig durchgraben hatten und Sophie's Pfoten bereits von der Graberei schmerzten, schlug Toni vor, im vorderen Teil der Höhle weiter zu suchen, im Bereich des Eingangs. Sophie stimmte seinem Vorschlag zu und die beiden quetschten sich wieder durch den schmalen Spalt, um den geheimen Raum mit den Malereien zu verlassen.

Dieses Mal fing Sophie im linken Teil des Höhleneingangs an zu graben und Toni im rechten Teil. Und nach einer Weile, hörte sie plötzlich, wie Tonis Krallen über etwas metallisches kratzten und kurz darauf hörte dieser auf zu graben und rief: "Sophie! Schnell, ich habe was gefunden."

Sophie eilte zu ihm und die beiden begannen den Boden um den Gegenstand herum mit ihren Pfoten wegzuschieben und so legten sie es frei. Sophie erkannte es sofort. Es sah genauso aus wie auf den Zeichnungen in der Höhle. Das Artefakt war ungefähr so groß wie die Hand eines Menschen. Es war gezackt und sah ein bisschen aus wie ein Stern, nur aus Metall. Durch den Staub der Höhle war das Metall angelaufen und sah sehr matt aus. Aber man konnte deutlich erkennen, dass von den Spitzen der Zacken nach oben gewölbte Striemen verliefen, die sich alle in der Mitte trafen. Und in der Mitte funkelte ein großer, roter Stein.

Gerade als Sophie den Mund öffnen wollte, um etwas zu sagen, hörten sie Geräusche in der Nähe des Höhleneingangs. Und kurz darauf tauchten die zwei Schatten von zwei Menschen im Eingang auf.

"Schnell, weg hier", zischte Toni Sophie zu.

"Aber das Artefakt!", erwiderte sie panisch.

"Dafür haben wir jetzt keine Zeit, wir holen es später. Los, versteck dich!"

Sophie und Toni rannten so schnell sie konnten und versteckten sich hinter ein paar Felsen. Keine Sekunde zu spät, denn genau in dem Augenblick betraten die zwei Menschen die Höhle. Sie lachten und scherzten miteinander und achteten nicht darauf, dass sie von zwei Katzen beobachtet wurden, die vorsichtig hinter einem Felsen hervor schauten.

Und dann geschah das unglaubliche. Einer der beiden Menschen stieß den anderen mit seinem Ellbogen in die Seite und rief: "Hey Luke! Schau mal, hier liegt etwas."

Die beiden Männern knieten sich direkt neben dem Artefakt nieder, das Sophie und Toni kurz zuvor ausgegraben hatten. "Nein", flüsterte Sophie. "Bitte nicht."

Aber ihr Wunsch wurde nicht erhört. Stattdessen sagte einer der Männer zu dem anderen: "Keine Ahnung, was das ist, aber es sieht wertvoll aus. Lass es uns mitnehmen und aufbereiten. Mal sehen, was wir dafür noch bekommen."

Der andere Mann stimmte zu und sie packten das Artefakt in eine Stofftasche. Dann erhoben sie sich und verließen die Höhle wieder. Sophies Gedanken drehten durch. Das durfte nicht passieren! Das Artefakt war alles was sie hatten, diese Männer durften es nicht einfach mitnehmen. Ohne darüber nachzudenken, rannte Sophie los und den Männern hinterher. Toni rief ihr etwas nach, aber die Verzweiflung rauschte in ihren Ohren und sie rannte so schnell sie konnte. In einiger Entfernung konnte sie die Männer erkennen, die gerade in einen Pick-up gestiegen waren und den Motor starteten. Sophie legte nochmal an Tempo zu und setzte dann zum Sprung an. Keuchend landete sie auf der Ladefläche des Pick-ups, genau rechtzeitig, denn der Wagen setzte sich ruckartig in Bewegung. Sie drehte sich um, um nach Toni zu sehen. Und genau in dem Moment landete dieser ebenfalls auf der Ladefläche des Wagens.

"Bist du noch ganz bei Trost?", schimpfte dieser. "Du kannst doch nicht einfach auf eines dieser Donnermonster hüpfen. Du weißt doch, wie gefährlich sie sind!"

"Tut mir Leid, Toni. Aber dieses Artefakt ist alles, was wir haben. Wir müssen es uns zurückholen!"

Der Fluch der KhepriWo Geschichten leben. Entdecke jetzt