30 | Die Höhle

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Sophie traute ihren Ohren kaum. Und aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, dass auch Toni ungläubig das Maul geöffnet hatte. Sie hatten so viele Strapazen auf sich genommen, um mit Ömmes sprechen zu können und schlussendlich bei seinem Sohn Chili zu landen. Aber insgeheim hatte Sophie immer leise Zweifel daran gehabt, ob Ömmes sich vielleicht aufgrund seines Alters nur alles zusammen sponn. Nur ihre eigene Verzweiflung, hatte sie so weit getrieben. Und nun saß Chili dort ganz entspannt, mit seinem Schwanz über den Vorderpfoten und bestätigte die Geschichten seines Vaters.

"Wenn es diese Höhle wirklich gibt, Chili, gibt es dann auch dieses uralte Katzenvolk, von dem dein Vater ebenfalls berichtet hatte?", wollte sich Sophie vergewissern.

"Also, wie du schon sagtest, ist dieses Katzenvolk uralt", begann Chili ihr zu antworten. "Weshalb ich niemals persönlich mit einer Katze aus diesem Volk Kontakt hatte. Aber hier in diesem Dorf, erzählt man sich bis heute noch Geschichten dieses Volkes. Ich glaube jedoch, dass es mittlerweile ausgestorben ist und nur noch ein Mythos ist."

"Die Geschichten, die man sich hier erzählt, weißt du, ob dort auch irgendetwas über meine Träume berichtet wird, die ich habe? Und wie man sie wieder loswerden kann?"

Ein kleiner Schatten huschte über Chilis Augen, bevor er antwortete: "Tut mir Leid, aber ich weiß leider auch nicht mehr über deine Träume als das, was ihr bereits eh schon herausgefunden habt."

Frustriert ließ sich Sophie auf ihre Hinterbeine fallen und seufzte laut: "So ein Mist... was sollen wir denn jetzt bloß tun? Jetzt stehen wir wieder genau am Anfang. Wir haben keine Spur."

Da mischte sich Chili wieder ein: "Also, so würde ich das jetzt nicht unbedingt sagen. Was deine Träume betrifft, kann ich dir vielleicht nicht helfen. Aber ihr wisst nun, dass diese Höhle tatsächlich existiert. Wenn es stimmt und dort vor vielen hunderten von Jahren ein Katzenvolk gelebt hat, dann findet ihr vielleicht noch Überbleibsel in der Höhle."

"Chili hat Recht", pflichtete Toni ihm bei. "Wir sollten uns auf den Weg machen und dieser Höhle mal einen Besuch abstatten. Was meinst du, Sophie?"

Sophie nickte: "Ihr habt Recht. Wir sollten uns die Höhle mal genauer anschauen. Chili, kannst du uns den Weg zu dieser Höhle beschreiben?"

Nachdem Sophie und Toni sich von Chili verabschiedet und ihm für seine enorme Hilfe gedankt hatten, machten sie sich sofort auf den Weg zur Höhle. Chili hatte ihnen eine sehr ausführliche Wegbeschreibung gegeben und Sophie war sich sicher, dass sie den Weg finden würden.

"Was glaubst du, werden wir in dieser Höhle finden?", fragte Sophie Toni, um das Schweigen zu unterbrechen.

"Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung", antwortete er. "Aber sei bitte nicht enttäuscht, wenn wir nichts finden werden."

Sophie nickte und die beiden machten sich weiter schweigend auf den Weg zur Höhle.

Sie war so tief in ihren Gedanken versunken, dass sie erst bemerkte, dass Toni ihr mit der Schwanzspitze auf die Schulter tippte, als er rief: "Hey! Erde an Sophie!"

Verwirrt blickte sie zu Toni und dieser deutete mit dem Kopf nach vorne. Sie folgte seinem Nicken und vor lauter Überraschung blieb sie ruckartig stehen. Die beiden Katzen standen vor einem riesigen Höhleneingang. Die gelblichen Felsen umrandeten ein riesiges, schwarzes Loch. Obwohl Sophie sich anstrengte, konnte sie nicht weit in die Höhle hineinsehen. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrem Körper breit. Für Katzen gab es in solchen Höhlen sicherlich einige Gefahren.

"Ganz schön groß, was?", erhob Toni als Erster das Wort. "Ich war noch nie in so einer Höhle."

"Es ist unglaublich", pflichtete Sophie ihm bei. "Aber wie wollen wir in der Höhle etwas sehen? Es ist stockdunkel da drin."

"Wir werden unsere Schnurrhaare dafür verwenden müssen, wenn uns das Tageslicht ausgeht. Mit ihnen können wir tasten."

"Oh. Na super. Das klingt ja spannend."

"Keine Sorge, ich werde vorgehen und dir genau sagen, wo du hintreten kannst und wo nicht. Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin bei dir", beruhigte Toni Sophie. "Also, bist du bereit?"

Sophie sah in Tonis freundliche Augen und sofort legte sich ihre Aufregung ein wenig. Sie nickte und straffte ihre Muskeln an. Dann betraten sie den Eingang der Höhle. Die Luft roch feucht und modrig. Und auch die Temperatur wurde sofort deutlich kühler, als sie das Sonnenlicht hinter sich ließen. Sophie blieb so dicht hinter Toni, dass sie mit ihrer Nase fast seine Schwanzspitze berühren konnte.

Und bereits nach kurzer Zeit bemerkte sie, wie sie immer schlechter sehen konnte, bis sie irgendwann nur noch schwarze Dunkelheit vor sich hatte. "Toni?", rief sie panisch. "Toni, ich kann nichts mehr sehen. Wo bist du?"

"Keine Sorge, ich bin direkt vor dir. Benutze deine Schnurrhaare, um an den Wänden entlang zu streifen und folge meinem Geruch. Es ist alles in Ordnung."

Sophie atmete tief ein und konnte sofort den vertrauten Geruch von Toni wahrnehmen. Mit ihren Schnurrhaaren strich sie sanft an den feuchten Wänden entlang. Und nach einiger Zeit beruhigte sich auch ihr Puls wieder. Sie war so froh, dass Toni an ihrer Seite war. Ohne ihn wäre sie einfach hoffnungslos verloren.

Da prallte sie plötzlich auf etwas Weiches und es dauerte einen Moment, bis sie bemerkte, dass sie mit Toni zusammengestoßen war. "Ist alles in Ordnung?", erkundigte sie sich.

"Ja, es ist nur, vor uns liegt ein ziemlich enger Spalt. Ich würde sagen, wir passen gerade so durch. Aber dem Geruch nach scheint dieser Spalt zu einer Art Raum zu führen."

Sophie gab Toni ein Zeichen, dass sie bereit war, sich durch diesen schmalen Spalt zu quetschen. Sie war nicht so tief in die Höhle vorgedrungen, um jetzt umzukehren. Sophie holte einmal tief Luft und machte sich dann so schmal wie möglich. Ihr Fell drückte sich eng an die Felswand und wurde ganz feucht. Sie begann zu zittern, aber sie war fest entschlossen, jetzt nicht in Panik zu geraten, sondern weiter zu gehen. Sie schloss die Augen und versuchte, sich auf etwas anderes als diesen engen Gang zu konzentrieren.

Plötzlich spürte sie, wie ihr Körper wieder frei war. Sie hatte es geschafft. Sophie öffnete ihre Augen und stieß einen überraschten Laut aus. Der Raum, der sich hinter dem schmalen Spalt befand, war lichtdurchflutet und als sie den Kopf hob, konnte sie erkennen, dass ganz oben ein Loch war, durch das sich das Sonnenlicht drängte und den Raum mit schummrigem Licht erfüllte. Sie blinzelte ein paar Mal, so dass sich ihre Augen nach der langen Dunkelheit an das Licht gewöhnen konnten.

Gerade als sie sich zu Toni umdrehen wollte, sagte dieser: "Sophie. Ich glaube, dass all die Geschichten wahr sind."

Sophie folgte Toni's Blick und ihr blieb der Mund offen stehen. Die gesamten Wände waren voll mit Höhlenmalereien. Und anhand der Motive konnte Sophie sofort erkennen, dass es sich hierbei nicht um die Malereien von Menschen handeln konnte. Wie auch. Dieser Teil der Höhle war unmöglich für Menschen zu erreichen, der Spalt war ja gerade mal groß genug, dass eine Katze hindurch passte.

Der Fluch der KhepriWo Geschichten leben. Entdecke jetzt