Hör auf die Leute, die dich lieben

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Louis Pov

Viel zu früh mussten meine Schwestern wieder los. Ich vermisste die vier wirklich. Manchmal merkte man erst wie wertvoll etwas ist, wenn man es nicht mehr hat. Klar, habe ich meine Schwestern schon immer geliebt, aber gelegentlich nervten wir uns einfach gegenseitig. Geschwisterstreitigkeiten halt. Aber nun genoss ich wirklich jede einzelne Minute mit ihnen. Um so schwerer fiel mir der Abschied.

Ich hatte sie bis zum Ausgang begleitet, wo wir uns noch ewig in den Armen lagen bis sie sich auf den Weg zur Schule machten. Unsere Mutter würde davon nichts erfahren. Auch von den beiden Kleinsten nicht.

Gelangweilt lief ich durch die Gänge der Psychiatrie. Harry musste zum einem der Psychologen, wo auch Zayn noch steckte. Wo Eleanor und Ashton abgeblieben waren, wusste ich nicht und auch von Liam fehlte jede Spur.

>>Louis.<< Überrascht darüber, dass ich angesprochen wurde, drehte ich mich um. John Clarks, der Arzt der vor wenigen Tagen meine Hand verarztet hatte, kam lächelnd auf mich zu. >>Wie geht es deiner Hand?<<

>>Besser.<<

>>Wie geht es dir wegen der Sache mit Simon?<<

>>Geht schon wieder. Die Prellungen tun ab und zu noch etwas weh, aber ansonsten geht es.<<

>>Das freut mich zu hören. Dein Auge sieht auch wieder recht normal aus.<< Ich nickte. Mein Gegenüber musterte meinen linken Arm, der wie immer von einem langarm Shirt verdeckt war damit Niemand den Verband sah. Die meisten, die nicht wussten, dass ich mich noch immer ritzte, würden denken, mir seien die Narben peinlich, aber das waren sie nicht. Sie gehörten zu mir und erzählten auch irgend wie meine Geschichte.

Ich war gebrochen, am Boden, in ein tiefes Loch gefallen aus dem Zayn mich heraus geholt hatte. Noch stand ich am Rand und könnte jeden Tag zurück in das Loch fallen, doch solange Zayn bei mir war würde ich mich Schritt für Schritt davon entfernen.

>>Darf ich mal deinen Arm sehen?<<, riss John mich aus den Gedanken.

>>Warum?<<, fragte ich nervös nach.

>>Der Ärmel ist leicht ausgebeult, du trägst da einen Verband, habe ich Recht?<< Ertappt sah ich auf den Boden. >>Welcher Arzt hat dir den Verband gegeben?<< Ich fühlte mich wie ein Fünfjähriger, der dabei erwischt wurde eine Packung Kekse geklaut zu haben und es nicht abstreiten konnte, weil man überall die Krümel der Kekse sah.

>>Keiner.<<, gab ich zu. Irgend was hatte John an sich, das mich dazu brachte ihm die Wahrheit zu sagen.

>>Hast du den Verband aus dem Krankenzimmer?<< Ich nickte. >>Wie viele?<<

>>Ich weiß es nicht. Ein paar.<<

>>Wann hast du sie dir geholt?<<

>>Neulich als ich wegen meiner Hand auf der Krankenstation war.<<

>>Wofür brauchst du sie?<< Er klang nicht verärgert oder enttäuscht, sondern einfühlend und genau das war wahrscheinlich der Grund, warum ich alles zu gab.

>>Um die Wunden zu verdecken.<<

>>Welche Wunden?<< Sicher wusste er schon längst worum es ging, aber er wollte, dass ich es aussprach.

>>Die Schnittwunden.<<

>>Wer ist dafür verantwortlich?<<

>>Ich.<< Schon längst liefen mir einzelne Tränen übers Gesicht.

>>Und warum tust du das?<<

>>Weil ich es brauche.<<

>>Warum?<< Ich zuckte mit den Schultern. >>Was willst du damit erreichen?<<

>>Sie lenken mich von dem anderen Schmerz ab.<<

>>Welchen anderen Schmerz?<< Ich schwieg. >>Wer ist für diesen anderen Schmerz verantwortlich?<< Stille. >>Was ist, wenn die Wunden nicht mehr weh tun? Ist der andere Schmerz dann weg?<< Ich schüttelte den Kopf. >>Sind die wenigen Sekunden es Wert deinen Körper so zu verunstalten?<<

>>Ich kann einfach nicht mehr und ich will auch nicht mehr.<< Weinend ließ ich mich mit dem Rücken an der Wand herunter gleiten. John kniete sich vor mir und legte eine Hand auf mein Knie. Das Gesicht vergrub ich in meinen Händen.

>>Liam und ich haben uns gestern über dich unterhalten. Er meinte, wenn du in der Nähe von Zayn und den anderen bist, bist du voller Lebensenergie, alberst herum, lachst und bist völlig Sorgenlos. Warum ist das nicht so, wenn du alleine bist?<<

>>Weil ich dann die Stimmen höre.<<, schluchzte ich.

>>Welche Stimmen?<<

>>Von früheren Mitschülern.<<

>>Was sagen sie?<<

>>Das ich es nicht verdient habe zu leben. Das ich sterben soll. Das ich nichts wert bin ...<< Weiter kam ich nicht, da ich schluchzen musste.

>>Du und Zayn seit zusammen, richtig?<< Ich nickte. >>Was sagt er dazu?<<

>>Das es nicht stimmt.<<

>>Und wem glaubst du mehr? Deinem Freund, der dich liebt oder pubertierenden Teenagern, die dich gar nicht richtig kennen?<<

>>Zayn sagt das nur um mich davon abzuhalten mich weiter zu verletzten.<<

>>Nein, Zayn sagt es, weil er dich liebt und weil es stimmt. Glaub mir, Zayn und deine Freunde, die du hier gefunden hast, helfen dir viel mehr als jede Klinge dieser Welt. Du hast irgend wann angefangen zu glauben, was sie dir damals gesagt haben. Bist fest davon überzeugt, dass sie die Wahrheit sagten, aber das ist falsch. Hör auf die Personen, denen du vertraust. Auf die, die dich lieben. Hör auf dein Herz. Du bist verletzt durch all die Wort, die man dir eintrichterte, aber es wird Zeit einen Schlussstrich zu ziehen, bevor es zu spät ist. Die Psychologen verlangen von dir, dass du ihnen alles erzählst und dass du aufhörst dich selbst zu verletzten, aber warum soll man auf Leute hören, die einen zu etwas zwingen wollen? Warum sollte man ausgerechnet diesen Leuten vertrauen? Weil sie sagen, dass alles in dem Raum bleibt und nie Jemand von dem Gespräch erfährt? Rede lieber mit den Leuten die dir nah stehen, denn diese Personen können dir viel mehr helfen als irgend ein Psychologe. Ich kann mir vorstellen, dass es schwer ist von einen Tag auf den anderen aufhören sich zu ritzen, vor allem wenn man es gar nicht will. Natürlich solltest du schnellst möglich damit aufhören, aber das geht nur, wenn du es selbst auch willst. Wenn du es für dich selbst tust und nicht für irgend einen anderen. Aber in Zukunft solltest du lieber zu Zayn gehen, statt zur Klinge zu greifen.<< Noch immer weinte ich und konnte damit auch nicht aufhören.

>>Louis?<< Hinter John erschien Zayn, der mich besorgt musterte.

>>Ich lass euch beiden mal allein.<<, entschloss der Arzt, schenkte mir noch ein aufmunterndes Lächeln und ging dann. Statt dessen kniete Zayn sich vor mir und zog mich in seine Arme. Weinend presste ich mich eng an seinen warmen Körper und vergrub das Gesicht an seiner Schulter.

My little Psychopath [Zouis]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt