57. Kapitel

267 15 0
                                    

57.Kapitel





"Marie", flüstert er immer und immer weider.
Ewiglassen wir uns nicht los. Doch als wir es schließlich tun, sehen wireinander an.
Gally nimmt mein Gesicht in die Hände, die Tränenfließen noch immer. Zaghaft streicht er sie fort. Mein Herz schlägtwie wild.
Keiner von uns sagt etwas. Ich kann es gar nichtrealisieren.
Der dunkelhaarige Gally bittet mich in seineWohnung, schließt die Tür hinter uns und führt mich insWohnzimmer. Neben ihm lasse ich mich auf der Couch nieder.
Beideschweigen wir, sehen einander an.

Es gibt so viel zu sagen, man weiß nicht, womit man anfangen soll.

Seine Hand schließt sich fest um meine.

Er will gerade etwas sagen, aber die Art und Weise wie er michansieht – so erleichtert und liebevoll – lässt alles bei mirhoch kommen.
Ungewollt schluchze ich los, mir die Hand vor denMund pressend.

"Hey...was ist los?", fragt er. "Stimmt was nicht?"
"Ich...ich...", ich stocke. "Ich habe schrecklicheDinge getan."
Mit irritierter Miene sieht er mich an. MeinHerz klopft wie wild. Meine Brust schmerzt.
"Ich bin einMonster...", sage ich und schüttle heftig den Kopf. "...einverdammtes Monster!"
Gally öffnet den Mund, sagt jedochnichts.
Fest zieht er mich an sich.

"Das ist nicht so.", wispert er. "Wirklich nicht, dubist kein Monster."
Weinend drücke ich mich an ihn.
"Ichhabe grausame Dinge getan, Gally...", setze ich erneut an.
Dochdieses Mal lässt er mir das nicht durchgehen.
Er zwingt michdazu, ihn anzusehen, nimmt mein Gesicht abermals in seine Hände.
"Das haben wir alle getan, Marie, wir alle habenschreckliche Dinge getan."

Er fragt nicht mal weiter nach.
Seine Miene sieht gequält aus,traurig, doch gleichzeitig scheint er mich hochzuziehen.
"Allesist so auswegslos...Ich wollte dich finden." Ich versuche michzu beruhigen.

Der Dunkelhaarige nickt. "Das hast du...du hast mich gefunden."

Wir halten einander fest, bis ich leise zu sprechen beginne. "Ichweiß, dass du es getan hast....ich weiß, dass sie dich dazugezwungen haben, dich gesteuert haben."
Gally scheintinnerhalb von Sekunden zu Salzsäure zu erstarren. Als er scheu denBlick hebt, sich mir zu wendet, schimmern dicke Tränen in seinenhellen Augen.
"Es tut mir leid.", sagt er mit heiserer,unsicherer Stimme.

Doch ich nicke, greife nach seinen Händen, drücke sie fest.
Ichweiß genau, dass er so etwas nie allein – von sich aus – tunwürde.
Ich weiß, dass Gally Chuck niemals freiwillig getötethätte.

Newt hat mir davon erzählt...und als er das getan hat, hat er wohleine andere Reaktion von mir erwartet. Doch ich musste es sackenlassen, darüber nachdenken.
Denn im Gegensatz zu mir ist Gallykein von Grund auf schlechter Mensch. Er würde niemanden töten,nicht einfach so, ohne Grund. Und schon gar nicht einen kleinen,dreizehnjährigen Jungen.
Ich habe Tränen in den Augen, nickenoch immer.

"Ich...ich vergebe dir, Gally. Du kriegst Vergebung, weil du sieverdient hast.", stoße ich aus.

Ein, zwei Tränen bahnen sich den Weg seine Wangen hinab und auch ichlasse meinen Emotionen freien Lauf.

Ich drücke ihn an mich, spüre sein Gesicht dicht an meinem Hals.
Wir halten uns, bewahren uns wohl gegenseitig vor dem Fall insNichts.
"Danke.", flüstert er.
Nickend blinzle ichein paar Mal, beschwichtige ihn, dass alles in Ordnung ist.

Wir beruhigen uns. Eine Weile lang ist es still. Uns haltend genießenwir unsere Nähe, denn wir verstehen uns auch gut ohne Worte.

"Ich habe den Brand.", sage ich schließlich, spucke esjedoch viel eher aus.
Ich spüre meine Tränen sofort. Ich fallequasi mit der Tür ins Haus.
Gally entgleitet alles aus derMiene. Er scheint keine Worte zu finden.
Ich sehe ihm fest in dieAugen. "Es ist schon in Ordnung.", versichere ich ihm,obwohl es eine dicke, fette Lüge ist.
Der Schwarzhaarigeschüttelt heftig mit dem Kopf. "Nein, das ist es nicht, Marie!"
"Wir haben jetzt – heute – um nochmal zusammen sein zukönnen, richtig zusammen.", wiederspreche ich ihm.
Er willetwas einwenden, doch ich hindere ihn aprubt daran, in dem ich seineLippen mit meinen eigenen verschließe.

Wir küssen unsgenauso, wie es ist: Als wäre es Monate her. Leidenschaftlich,missend.
Es ist ganz offensichtlich: Beide sehen wir uns nachLiebe, Zuneigung.
Er löst sich von mir – atemlos.
"Bistdu sicher, dass...-" , will er wissen, doch ich nicke nur. "Ja."
Vorsichtig, jedoch gleichzeitig verzweifelt, zieht er mich ansich.

Die Küsse, die Berührungen sind wunderschön, aber zugleich sindsie auch bitter, da sie den Geschmack von Abschied mit sich tragen.
Ich spüre seine Hände auf mir, küsse ihn, schmiege michsehnend an ihn.
Und jetzt merke ich mehr denn je wie sehr er mireigentlich gefehlt hat.

Ich liege da, an seine Brust gelehnt.
Seine Finger streichenvorsichtig durch mein noch immer feuchtes Haar.
Gemeinsam liegenwir da, Arm in Arm.
Wir genießen die Zeit, die wir nochgemeinsam haben.
Doch das Offensichtliche schwebt wie ein dickesTuch zwsichen uns in der Luft.
Unsere Zeit ist begrenzt.
Wirhaben nicht mehr so lange, wie wir gern hätten.

Alles zwischen mir und Gally ist intensiv, sehr emotional und auchirgendwie traurig.
Ich wusste nicht, das etwas so schön undniederschmetternd zu gleich sein kann.
Locker schließe ich dieAugen.
Und zum ersten Mal seit langem schlafe ich eine Nachtruhig und entspannt durch.




"Hey.", säuselt Gallys heisere, rauchige Stimme michwach.
Ich blinzle ein paar mal, bevor ich mich aufsetze, ihm einverschlafenes Lächeln schenke. Ich greife rasch nach meinem Shirtund ziehe es über.
Kurz sehe ich mich etwas verpeilt im Zimmerum.
Das Apartment ist recht klein und sperrichlich eingerichtet.Aber es genügt.
Gally drückt mir einen sanften Kuss auf dieHand, bevor er mich schließlich ruckartig zu sich zieht. "Ichhabe dich unglaublich vermisst.", sagt er. "Als ich durchdie Spionage bei ANGST herausgefunden habe, dass du noch lebst, warich so erleichtert wie noch nie."
"Ich habe dich auchvermisst.", erwidere ich.

Es gibt eine kurze Pause.
"ANGST hat uns alle getäuscht."

Gally beugt sich zu mir, küsst mich.

"Wir kriegen das hin, zusammen."
Ich zwinge mich zueinem traurigem Lächeln.
Doch ich weiß genau, dass das nur einetrügerische Hoffnung ist.
Trotzdem verdränge ich den Gedankendaran und versuche das, was uns bleibt, zu genießen.
Es sindhaufenweise wunderbare Zufälle passiert, damit wir uns sehen können.


Eine bedrückte Stimmung herrscht, als wir zusammen da sitzen.
"Was tun wir denn jetzt eigentlich?", fragt Gallyschließlich unruhig.

"Wegen...der Sache mit dem Brand."

"Das weißt du doch ganz genau.", antworte ich, nichtlauter als ein Flüstern.

"Wir – und generell niemand auf der Welt – kann etwasdagegen tun."
Er presst seine Lippen fest zusammen, bevor ersich die Hand über die Augen legt und den Kopf schüttelt. "Dukannst nicht so einfach aufgeben."
Ich drücke seine Hand."Ich musste mich schon vor Monaten damit abfinden."
"Dusollst aber nicht so schnell aufgeben.", widerspricht er nun.
Heiße Tränen brennen in meinen Augen. "Wir können unsnicht dauerhaft etwas vorheuchlen, das geht nicht."
Nochimmer schüttelt er den Kopf. Ich spüre mein Herz schnell schlagen.

"Wir können nicht mehr lange so weiter machen.", raune ichihm zu. "Sonst werde ich wie sie..."
Als ich dienächsten Worte spreche, kann ich meine Angst nicht mehr verstecken.
"Ich kann keiner von ihnen werden, Gally. Ich kann dasnicht."
Er schließt die rotunterlaufenden grpnen Augen,bevor er mich in seine Arme zieht.
"Ich kann so nicht weitermachen.", wiederhole ich abermals.












The Trial | Maze Runner ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt